Es gibt nur einen. Egal, welcher Experte gefragt wird, die Antwort auf den Favoriten der Tour de France ist immer die gleiche: Tadej Pogacar. Radsport-Legende Eddy Merckx, selbst mit fünf Frankreich-Siegen eine Tour-Legende, ist ein Fan des Slowenen. Der Belgier trägt den Beinamen „der Kannibale“, weil er seinen Konkurrenten keinen auch noch so kleinen Erfolg gönnte und alles abräumte. „Er ähnelt mir am meisten, aber man sollte die Generationen nicht vergleichen“, sagte Merckx über den neuen Kannibalen im Peloton. Am Samstag startet die 112. Auflage der Tour de France in Lille. Pogacar ließ in der Vorbereitung auf das härteste Radrennen der Welt kaum einen Klassiker aus, er gewann die Flandern-Rundfahrt oder Lüttich-Bastogne-Lüttich. Elfmal hat er in dieser Saison schon wieder gejubelt, der nächste Sieg ist gleichzeitig sein 100. Karriereerfolg. Was den Ausnahmeathleten ausmacht:
Der Mensch Die Familie ist dem Radsportler aus dem Ort Klanec bei Komenda in Slowenien wichtig. Wenn er große Triumphe feiert, treffen sich Verwandte und Bekannte, um Tadej gemeinsam anzufeuern. Bei den Rennen fiebern oft Vater und Mutter im Zielraum mit. Der 26-Jährige ist mit der slowenischen Radrennfahrerin Urska Ziegart liiert. Mit zehn Jahren fuhr er sein erstes Rennen, damals im Radsportverein Rog Ljubljana. Ihm ist bewusst, dass er einen gefährlichen Sport betreibt. Während der Rennen ohnehin, wenn im Peloton die Kontrahenten rücksichtslos ihren Vorteil suchen. Die erste Tour-Woche mit vielen Flachetappen gilt als besonders kritisch. „Man kann die Tour dort verlieren – ohne schlecht zu sein. Es gibt viele tückische Finals, wenige flache Sprints, ein Zeitfahren. Deshalb ist es wichtig, nicht in Panik zu geraten. Man muss ruhig bleiben, sich konzentrieren und vor allem: Energie für die dritte Woche sparen“, so der Slowene, der bei der Teampräsentation auf dem Grand Place in Lille frenetisch gefeiert wurde.
Die größten Gefahren im Radsport lauern jedoch beim Training. „Ich fühle mich beim Radfahren oft unsicher. Meiner Meinung nach ist es kein besonders sicherer Sport. Ich meine, einfach nur rauszugehen und im Verkehr zu trainieren, wo immer mehr Leute in den Autos, im Verkehr nervös werden. Man riskiert jeden Tag im Freien beim Training sein Leben“, sagte der Weltmeister kurz vor dem Start der Tour.
Das Team UAE Team Emirates zählt mit einem Budget von geschätzt 60 Millionen Euro zu den drei finanzkräftigsten Rennställen der World Tour. Der Kapitän als Branchenleader im Radsport erhält laut Gazzetta dello Sport für einen Fünf-Jahres-Vertrag 50 Millionen Euro. Nils Politt, der seine neunte Tour bestreitet, hat Pogacar im Vorjahr zum Sieg begleitet und soll seinen Chef primär in den Flachetappen unterstützen. „Er ist ein gelassener, lockerer Fahrer, der selbstbewusst ist, aber auch extrem hart für sich arbeitet“, sagt der Kölner. Weitere wichtige Helfer im UAE-Team sind der Portugiese Joao Almeida, der die Tour de Suisse gewann, oder der Brite Adam Yates.
Pogacar im Höhentraining in der Sauna
Das Training Im Winter setzte der Slowene vermehrt auf Krafttraining. Das ist wichtig, um über längere Distanzen die richtige Position auf dem Rad zu halten. Auch ungewöhnliche Methoden hat sein Coach Jeroen Swart, Sportwissenschaftler bei UAE, im Repertoire. Ein Höhentrainingslager kombiniert mit einer Sauna. Das führe dazu, dass sich mehr rote Blutkörperchen (die den Sauerstoff im Blut transportieren) bilden. Zugleich nehme das Volumen des Blutplasmas zu. Außerdem setzt der Rennstall auf Künstliche Intelligenz. Laut Swart nutzt UAE eine auf „Anna“ getaufte KI, die viele Daten, die in Rennen, Trainings oder auch im Schlaf gesammelt werden, zusammenfasst und nach Verbesserungen sucht.
Windschnittigeres Modell für den Tour-Favoriten
Die Maschine Die Radsportfans schauen genau, auf welchen Böcken die Stars strampeln. Colnago gilt zwar als italienische Traditionsmarke. In Tests schnitten jedoch die Italiener in der jüngsten Vergangenheit jeweils schlecht ab. Für die Tour 2025 konstruierten die Ingenieure ein neues Modell. Es soll windschnittiger sein und gegenüber dem Vorgängermodell massiv Watt sparen. Eingesparte Watt bedeuten, dass ein Radrennfahrer bei identischer Geschwindigkeit weniger Kraft beim Treten aufbringen muss. Die verbesserte Aerodynamik soll dem Favoriten zugutekommen. Chefdesigner Torgny Fjeldskaar erklärte gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung: „Für Pogacar ist es ein Vorteil bei seinen langen Solofluchten, wenn er allein im Wind fährt.“ Allein auf der Flucht und ganz vorn, so stellt sich auch Tadej Pogacar seine Tour de France vor.
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