Immerhin: Für Rocco Reitz steht nach der bitteren 2:3-Niederlage der deutschen U21 im EM-Finale noch etwas Positives an. Der Gladbacher sagte nach der Finalpleite: „Meine Hochzeit wartet jetzt am Wochenende. Ich hoffe, das lenkt mich ein bisschen ab.“ Unklar ist bislang, wie die künftige Frau Reitz mit dieser Ausgangslage umgeht. Für die Mitspieler des 23-Jährigen bleibt nach dem verpassten Titeltraum erst einmal nur Frust. Denn bedeutend knapper hätte die Niederlage gegen England nicht ausfallen können: Gleich zweimal traf das Team von Trainer Antonio di Salvo in der jeweiligen Schlussphase die Latte: Zuerst klatschte ein Schuss des Mainzers Paul Nebel kurz vor Beginn der Verlängerung an den Querbalken (90.+4), dann tat es ihm der Freiburger Merlin Röhl gleich (120.+1).
Für Di Salvo und sein Team blieb damit die Krönung aus: Nach auf den Tag genau zwei Jahren verlor die deutsche U21 wieder ein Spiel. Erneut war England der Bezwinger, die Three Lions holten den Titel nun zweimal in Folge. Der große Unterschied aus deutscher Sicht: Hatte das 0:2 im Sommer 2023 das deutsche Aus nach der Gruppenphase bedeutet, war diesmal der Titel zum Greifen nah. Di Salvo, für den es damals das erste Turnier als Cheftrainer gewesen war, fühlte zwar, wie er in der Pressekonferenz betonte, auch diesmal eine „sehr, sehr große Enttäuschung“´. Zugleich wies der ehemalige Bundesliga-Profi des TSV 1860 und von Hansa Rostock aber auf die Steigerung hin, die das Team hingelegt hatte: „Ich sitze hier als sehr stolzer Trainer einer U 21, die sich über zwei Jahre gesteigert hat und viele Menschen in Deutschland berührt hat.“
DFB-Abwehrspieler Oermann: Der große Wurf wäre verdient gewesen
Einer U21, die – das gehört zum Konzept – in dieser Form nicht mehr zusammenspielen wird. Viele Kicker sind zu alt, wenn die Qualifikation für das nächste Turnier startet. Der roße Wurf, sagte Abwehrspieler Tim Oermann, wäre für das Team verdient gewesen. Eine zweite Chance gebe es nicht, was die Pleite umso bitterer mache: „Man kann jetzt nicht sagen: Dann machen wir es halt nächstes Jahr. Das schmerzt schon.“ Ärgerlich dürfte für Oermann selbst auch die Szene vor dem entscheidenden 2:3 gewesen sein. Direkt nach Anpiff der Verlängerung hob der Innenverteidiger das Abseits auf und ließ den eben eingewechselten Jonathan Rowe frei stehen. Der nutzte die Chance zum letzten Tor der Partie (91.). Schon in die erste Halbzeit der regulären Spielzeit war die deutsche Mannschaft unkonzentriert gestartet. Schnell hatte es durch die Treffer von Harvey Elliot (5.) und Omari Hutchinson (24.) 0:2 gestanden. Deutschland hatte stellenweise Glück, dass es bei diesen beiden Treffer blieb.
Paul Nebel hätte sich in dieser Partie zum Mann des Spiels machen können: Zuerst hatte der Mainzer den Anschlusstreffer zum 1:2 vorbereitet, seine Flanke fand seinen Vereinskollegen Nelson Weiper (45.+1). Als die DFB-Elf in der zweiten Halbzeit die Drangphase hatte, war es Nebel, der mit einem Traumtor den Ausgleich besorgt hatte (61.), sein abgefälschter Schuss schlug genau unter dem Querbalken ein. Zentimeter fehlten Nebel in der Schlussphase zum zweiten Treffer.
War der Druck zu groß? Ausgerechnet im Finale blieb Nick Woltemade ohne ein Tor
Einer, von dem im Spiel verhältnismäßig wenig zu sehen war, war der Shootingstar des bisherigen Turniers: Nick Woltemade. Der Stuttgarter, der zwischenzeitlich schon als „Woltemessi“ getauft wurde, blieb ausgerechnet im Endspiel wirkungslos. Es war die erste Turnierpartie, nachdem über das konkrete Interesse des FC Bayern an dem 23-Jährigen samt angeblicher Einigung zwischen FCB und Spieler berichtet worden war – und das erste Spiel, in dem er kein Tor schoss. Eine Netzreaktion auf dem Kurznachrichtendienst Bluesky lautete dazu: „Bis der FC Bayern sich in die U21 EM eingemischt hat, war das ein starkes Turnier der deutschen Mannschaft.“ Schon auf der Pressekonferenz vor dem Spiel, bei der Woltemade auf dem Podium saß, hatten sich viele Fragen zum möglichen Wechsel zu den Münchnern gedreht. Die wiederholte Bitte der Uefa, doch bitte nur Fragen zum Spiel zu stellen – netter Versuch. Nach dem Abpfiff des Finales hatte Woltemade sichtlich keine Lust mehr auf Fragen und Antworten. Ein Video zeigt, wie er sichtlich genervt an den Journalisten vorbei zum DFB-Bus stürmt. War das Theater zu viel für den Stürmer, der sein erstes Halbjahr als Starspieler noch verdauen muss? Di Salvo, der mit Woltemade die finale Pressekonferenz absolviert hatte, sagte: „Die ganzen Nebengeräusche waren nicht ganz optimal.“ Dennoch sei er nicht der Grund für die Niederlage gewesen.
Paul Nebel verteidigte ihn: „Nick war komplett auf das Spiel gegen England fokussiert und wollte gewinnen. Man kann nicht jedes Spiel ein Tor schießen.“ Zumindest einen Titel holte sich Woltemade: Mit sechs Treffern wurde er Turnier-Torschützenkönig. Es gab schon glücklichere Titelträger.
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