Wenn Menschen der Ansicht sind, jetzt aber mal wirklich Klartext sprechen zu müssen, also so voll ehrlich und so, bemächtigen sie sich oft eines Vokabulars, das ihre Intention stützen soll. Einprägsam, klar und deutlich soll es sein. Gesellschaftliche Konventionen müssen sich zugunsten einer besseren Verständlichkeit hintanstellen. Möglicherweise wäre es auch damit getan, Satzkonstruktionen auf ein Mindestmaß an Komplexität zu stutzen. Die Bayern sind Meister. Subjekt, Prädikat, Objekt. Mit diesem Aussagesatz hätte es Uli Hoeneß bewenden lassen können. Der Patron vom Tegernsee aber wollte noch Aussagen treffen, die über die simple Feststellung eines weiteren Titelgewinns hinausgehen.
So ergriff er das Wort und fand im Bereich der Verdauungsstörung die richtige Bezugsgröße zu den Missetaten, die dem erfolgreichsten deutschen Fußballverein mal um mal angetan werden. „Es geht gar nicht mehr um Fußball, es geht nur um jeden Furz links und rechts daneben“, beschwerte er sich über eine ja wirklich zu beobachtende Boulevardisierung der Sportberichterstattung. Vor allem die Kritik rund um die Ibiza-Reise der Meister-Bayern hatte den Aufsichtsrat gestört. Fraglich ist, ob etwaige Flatulenzen am Wegesrand tatsächlich als bedeutender empfunden werden als ein 4:0-Erfolg in Hoffenheim. Wahrscheinlich hat Hoeneß recht.
St. Paulis Trainer ist die Leistung scheißegal
Freilich ist es nicht der ehemalige Bayern-Boss alleine, der um den rhetorischen Kniff der Alltagssprache weiß. St. Paulis Trainer Alexander Blessin etwa nahm sein Team nach dem 0:2 gegen den VfL Bochum mit folgenden Worten in Schutz: „Wisst ihr was, ist mir scheißegal. Dieses Spiel, das bringt mich nicht dazu, dass ich irgendetwas auf die Mannschaft kommen lasse.“ Mit „scheißegal“ meint er somit also wahrscheinlich, dass die Pleite trotz der fraglos unterdurchschnittlichen Leistung seiner Mannschaft keine großen Auswirkungen auf seinen derzeit grundsätzlich fröhlichen Gemütszustand habe. „Scheißegal“ ist da deutlich prägnanter.
Die wohl dosierte Abzweigung in die Fäkalsprache ist freilich nicht nur im Fußballgeschäft ein gängiges rhetorisches Mittel. In der Kindererziehung kann ein in homöopathischen Dosen geäußertes „verdammte Scheiße nochmal“ wahlweise für ein aufgeräumtes Zimmer, erledigte Hausaufgaben oder ein Mindestmaß von der Gesellschaft erwarteten Umgangsformen bewirken. Eltern sind ja auch nichts anderes als Trainer. Oder Aufsichtsräte eines Familienunternehmens.
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