Wie groß die Anspannung für Tina Rupprecht in den vergangenen Tagen und Wochen gewesen ist, konnte man der Augsburger Boxerin förmlich in ihrem Gesicht ablesen. Mit erbitterter Miene kämpfte sie gegen die Japanerin Sumire Yamanaka um die vier wichtigsten Weltmeister-Titel im Boxen. Doch in dem Moment, in dem der Schlussgong ertönte und das Duell beendet war, fiel all der Druck von ihr ab. Innerhalb von einer Sekunde wechselte Rupprechts Ausstrahlung. Der ernste Gesichtsausdruck war verschwunden, mit einem breiten Grinsen umarmte die Augsburger Boxerin zunächst ihre Gegnerin und anschließend ihren Trainer Alexander Haan. Rupprecht hatte gerade deutsche Sportgeschichte geschrieben und alle vier wichtigen Weltmeister-Titel im Atomgewicht gewonnen. Allerdings wusste sie das zu diesem Moment noch nicht.
Rupprecht gewinnt ausgeglichenen Titelkampf nach Punkten
Denn der Kampf gegen Yamanaka verlief ausgesprochen ausgeglichen. Die Japanerin, die nur 1,46 Meter groß ist und damit ganze sechs Zentimeter weniger misst als Rupprecht, zeigte eine starke Leistung. Zwar war Rupprecht vor 2500 Zuschauern in der ausverkauften MBS Arena in Potsdam aktiver, aber die Japanerin setzte in dem intensiven Titelkampf immer wieder wichtige Kontertreffer. Auch wenn Rupprecht über den gesamten Kampf gesehen leichte Vorteile hatte, war es schlussendlich schwierig, eine klare Siegerin zu bestimmen.

Entsprechend eng fiel das Urteil des ersten Ringrichters aus: 95:95. „Ich dachte direkt nach dem Kampf eigentlich schon, dass ich gewonnen habe“, erklärte Rupprecht auf der Pressekonferenz nach dem Kampf. „Allerdings habe ich durch das erste Urteil dann etwas angefangen zu zweifeln.“ Die Urteile der beiden weiteren Ringrichter sollten ihr dann allerdings recht geben. Mit 96:95 und 99:91 wurde der Kampf für Rupprecht gewertet – auch wenn das letzte Urteil für den ausgeglichenen Kampf zu deutlich ausgefallen war. Das bestätigte auch Rupprecht selbst.
Rupprecht ist erste deutsche unumstrittene Weltmeisterin
Schlussendlich spielt das allerdings keine Rolle mehr: Tina Rupprecht hat nach Punkten gewonnen und zusätzlich zu den Gürteln der WBO, WBC und WBA auch noch den IBF-Titel von Yamanaka übernommen. Damit hat sie alle vier wichtigen Weltmeistertitel erkämpft und ist „Undisputed Champion“, also unumstrittene Boxweltmeisterin. Noch nie hatte das vor ihr eine deutsche Boxerin beziehungsweise ein deutscher Boxer geschafft.
Eine Rolle für den Erfolg spielte am Samstagabend auch das Publikum vor Ort. Neben Freunden und Familienmitgliedern reisten auch einige Fans die knapp 550 Kilometer aus Augsburg nach Potsdam, um „Tiny Tina“ zu unterstützen. Schon bevor Rupprecht überhaupt in der Halle war, erklangen immer wieder „Tina, Tina, Tina“-Sprechchören. Später stimmte die ganze Halle „Auf geht’s Tina, auf geht’s“-Gesänge an, um die Boxerin vor allem zum Ende des kräftezehrenden Matches zu motivieren.
Fangesänge spielten wichtige Rolle für den Erfolg
„Ich höre natürlich während des Kampfs, wenn die Leute mich anfeuern und ‚Tina‘ rufen“, sagte Rupprecht dazu. „Ich weiß nicht genau, wer schreit, aber klar merke ich das, wenn die Leute in meinem Rücken sind. Das macht schon etwas aus“, erklärte sie die Bedeutung ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer.
Doch wie geht es nun weiter? Rupprecht ist am Box-Olymp angekommen, mehr als unumstritten Weltmeisterin geht nicht. „Wir schauen mal, welche Verteidigung als Erstes ruft“, blickte Rupprecht auf ihre Zukunft im Ring. Zu weiteren Plänen hält sie sich bedeckt. Ohnehin zählte für die 32-Jährige direkt nach dem Kampf etwas anderes. „Ich mache jetzt erstmal Pause, Urlaub“, sagte die Boxerin. Am kommenden Sonntag geht es für Rupprecht ausgerechnet nach Japan. Dort wird sie sich auch mit Eri Matsuda treffen, gegen die sie im November den WBA- und WBO-Gürtel gewann. „Wir werden einen Kaffee zusammen trinken“, sagte Rupprecht.
Feuermelder stört Essenspläne
Und noch etwas hatte Rupprecht nach dem Kampf sehnlichst erwartet: Essen. Um beim offiziellen Wiegen vor dem Kampf auf das erlaubte Kampfgewicht zu kommen, brauchte die Boxerin eiserne Disziplin. Insgesamt vier Kilogramm musste sie abnehmen, um die im Atomgewicht zugelassenen 46,266 Kilogramm nicht zu überschreiten.
Bevor Rupprecht ohne schlechtes Gewissen schlemmen konnte, stand für sie nach dem Kampf allerdings noch die Pressekonferenz an. Und die dauerte unvorhersehbar lange. Grund dafür war ein defekter Feuermelder in der Potsdamer Arena. Rupprecht hatte gerade angesetzt, um die letzte Frage der Pressekonferenz zu beantworten, als der Alarm losging. Knapp 15 Minuten dauerte es, bis der Alarm wieder ausgeschaltet war – und Rupprecht endlich essen konnte.
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