Zumindest sind keine Bilder davon bekannt. Sollte Vincent Kompany einmal mit dem Longboard auf dem Trainingsgelände des FC Bayern herumgefahren sein, hat er das unter Ausschluss der Öffentlichkeit getan. Anders als Julian Nagelsmann. Der schlängelte sich einst mit dem langen Skateboard durch die Wege zwischen den Plätzen. Manch einer legte ihm das als Geltungssucht aus, schließlich landeten die Fotos von seiner Ausfahrt in der Zeitung. Nagelsmann versicherte glaubhaft, dass er keinesfalls darauf abzielte, Bilder von sich in den Medien zu sehen. Das tut ein Trainer des FC Bayern ohnehin oft genug. Die Anekdote zeigt aber, dass sämtliche Aktionen eines führenden Angestellten des führenden deutschen Fußballvereins beobachtet und bewertet werden.
Die beiden Vorgänger Kompanys hatten damit keine Probleme. Nagelsmann zeigte sich wiederholt in interessanter Garderobe am Spielfeldrand und Thomas Tuchel machte keinen Hehl daraus, nicht immer die Meinung von Uli Hoeneß zu teilen. Nachdem er am Anfang noch „schockverliebt“ in seine Mannschaft war, scheute er ein paar Monate später nicht davor zurück, seine Spieler nach schwächeren Leistungen öffentlich zu kritisieren. Tuchel und Nagelsmann suchten nicht das Licht in der Öffentlichkeit - sie versteckten sich aber auch nicht vor den großen Scheinwerfern.
Vincent Kompany beherrscht die Kunst, sich belanglos auszudrücken
Kompanys größte Leistung in seiner ersten Saison als Bayern-Trainer ist wahrscheinlich, dass der Boulevard keinerlei Ansatzpunkt gefunden hat, um sich intensiv mit ihm zu beschäftigen. Der 39-Jährige ist nicht mit modisch fragwürdigen Outfits aufgetreten, stellt sich stets vor seine Mannschaft und äußert sich bei sämtlichen Themen, die nicht sein Team betreffen, mit beeindruckender Belanglosigkeit. Kompany hält sich aus sämtlichen Rangkämpfen – die es bei einem Klub wie dem FC Bayern immer gibt – heraus. Vereinspolitik ist Vereinspolitik und somit seine Sache nicht. Somit folgt er der Linie von Jupp Heynckes und Pep Guardiola, die in ihrem Temperament höchst unterschiedlich sind, aber beide ausschließlich den Fokus auf den Sport gerichtet hatten. Hansi Flick war der erfolgreichste Trainer der Neuzeit, rieb sich aber an Hasan Salihamidzic auf. Tuchel und Nagelsmann hingegen fehlte eine starke Persönlichkeit an ihrer Seite, an der sie sich messen konnten – die aber auch unliebsame Themen abgeräumt hätte.
Kompany kann sich dabei auf Max Eberl und Christoph Freund verlassen. Als etwa publik wurde, dass die Münchner Thomas Müller keinen neuen Vertrag angeboten haben, waren es der Sportvorstand und der Sportdirektor, die dafür und für die miserable Kommunikation des Vorgangs verantwortlich gemacht wurden. Dabei hätte Müller sehr wahrscheinlich durchaus noch ein weiteres Jahr für die Bayern spielen können, wenn Kompany von dessen immer noch hohen Einflusses auf die Mannschaft überzeugt gewesen wäre.
Müller selbst aber äußerte sich niemals kritisch über den Trainer und der verhielt sich immer loyal. Zu jedem seiner Spieler. Die dankten es dem Trainer mit einer herausragenden Bundesligasaison. 82 Punkte, 99 Tore, 13 Zähler Vorsprung auf den Zweiten - das ist auch für die verwöhnten Münchner keine Selbstverständlichkeit. Getrübt wurde die Spielzeit durch ein zweimaliges unnötiges Ausscheiden. Das 0:1 im DFB-Pokal gegen Bayer Leverkusen beruhte zu großen Teilen auf einer frühen Roten Karte für Manuel Neuer. In der Champions League wiederum scheiterten die Münchner neben einer effizienten Inter-Mannschaft auch an dem eigenen Übermut und an Nachlässigkeiten, die auch schon Kompanys Vorgängern zu schaffen machten.
Vincent Kompany stellt sich immer vor sein Team
Kompany aber rügte sein Team dafür nicht. Tuchel hatte noch Innenverteidiger Minjae Kim nach einer Niederlage gegen Real Madrid öffentlich gemaßregelt. Das wäre Kompany nicht in den Sinn gekommen. „Bei Rückschlägen haben die Jungs immer reagiert, das ist eine gute Basis“, sagte er bei der Meisterfeier auf dem Marienplatz. Dabei ist sein Rückhalt nicht mit Gleichgültigkeit zu verwechseln. Kompany hat schleunig einen attraktiven Spielstil eingeführt und ist wenig kompromissbereit, wenn ihm nahegelegt wird, es doch einen Hauch defensiver zu versuchen.
Der Belgier würde es nie so ausdrücken, wahrscheinlich empfindet er es auch nicht so, aber er ist der große Gewinner des FC Bayern der abgelaufenen Saison. Schließlich wurde er als Verlegenheitslösung vom englischen Absteiger Burnley verpflichtet und anfangs skeptisch beäugt. Mittlerweile hat er auch gelernt, dass es beim FC Bayern nicht ausschließlich um Sport geht. Es gehe um die Identität des Vereins. Die habe nichts mit Fußball zu tun: „Das habe ich noch nirgendwo anders gesehen.“ Bislang ist Kompany ganz bei sich geblieben, als personifiziertes Mia San Mia.
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