Im Langlauf erkämpft sich die Frauen-Staffel die Silbermedaille
Die Frauen-Staffel holt sich hinter Russland Silber. Was die verpatzte Heim-Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Oberstdorf mit diesem Erfolg zu tun hat.
Peter Schlickenrieder stockte die Stimme. Die Emotionen kamen im Langlauf-Bundestrainer hoch. All die Arbeit, all die Mühen, er hatte viele Hürden zu überwinden. Das deutsche Langlauf-Team steckte lange in der Krise. Tiefpunkt war die Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Oberstdorf. Schlickenrieder wurde das in diesem Moment in China wieder alles bewusst. In einem Moment des großen Triumphes.
Katherine Sauerbrey, Katharina Hennig, Victoria Carl und Sofie Krehl hatten sich in der Staffel Silber hinter Russland und vor Schweden geholt. Eine Sensation. „Wir haben all das, was wir können, heute gezeigt“, sagte er. Seine Mädels hätten in den vergangenen eineinhalb Jahre eine gewaltige Lernkurve hingelegt. Mit dem Höhepunkt in China. „Heute war nichts mehr, was wir noch lernen könnten“, so Schlickenrieder. Es war das perfekte Rennen.
Bundestrainer Schlickenrieder spricht mit Stolz über seine Läuferinnen
Schlickenrieder kamen die Tränen. Er musste an ein Bild denken, das er vor einem Jahr in Oberstdorf bekommen hatte. Als das deutsche Langlauf-Team am Boden war. Es handelte von einem kleinen Drachen und einem Pandabären. Die beiden waren gemeinsam unterwegs. Der Drache fragte, was denn nun wichtiger sei: Das Ziel oder Weg? Die Antwort des Pandabären: Die Weggefährten. „Das bringt es für mich genau auf den Punkt“, sagte Schlickenrieder.
Der Zusammenhalt muss passen, der Spaß an der Zusammenarbeit. Energiefresser müssten eliminiert werden. Das können Prozesse, aber eben auch Begleiter sein, die auf dem Weg an die Spitze bremsen. Es ist ein schmerzhafter Prozess. Einer aber, der sich zu lohnen scheint. Man müsse sich ehrlich die Meinung sagen. Man müsse Freiräume schaffen. Und Möglichkeiten zur Ablenkung. So gibt es einen Sportpsychologen, der unterstützt. Zu dem jeder oder jede könne, um sich mal auszuweinen, was man einem Trainer gegenüber nicht machen würde.
Der Erfolg vom Samstag zeigt, dass Schlickenrieders Ansatz richtig ist. Wird er aber auch weitermachen, mit dem Fernziel der Olympischen Spiele 2026? „Wenn ich das Team weiter so zusammengestellt bekomme, geht es mit mir weiter“, sagte Schlickenrieder. Seine Läuferinnen hätten am Samstag eindrucksvoll gezeigt, was möglich ist, „wenn man Grenzen und Ängste überwindet“, so der Bundestrainer. Bei Sofie Krehl, der Allgäuerin, sprach er sogar von „Todesangst“, als sie auf die Strecke ging. Das mag etwas übertrieben sein, allerdings hatte die 26-Jährige die Aufgabe, die Vorgaben ihrer Kolleginnen zu einem guten Ende zu führen. Das kann hemmen. Sauerbrey, Hennig und Carl hatten die deutsche Staffel nach ganz vorne geführt, zwischenzeitlich sogar auf Rang eins vor Russland. Den konnte Krehl zwar gegen Veronika Stepanova nicht halten, Silber aber rettete sie.
Der Glaube an sich selbst hat Krehl und Sauerbrey zur Spitzenleistung verholfen
Als sie auf die Zielgerade einbog, den dicken roten Strich vor Augen, Schweden und Finnland im Rücken, wusste Krehl: Jetzt zählt es. Jetzt geht es um alles. Ihre Kolleginnen warteten hinter der Ziellinie. Sie brüllten, feuerten sie an. Sie schrien nach Kräften. Und Krehl kam durch. Viel länger hätte sie nicht mehr durchgehalten, sagte sie hinterher. Sie lachte. Die Stimmung war ausgelassen. Es wurde eine lange Nacht. „Man muss sich selbst etwas zutrauen, dann ist alles möglich“, sagte Krehl am Sonntagmittag. Das Rennen war schon etliche Stunden her, die Verarbeitung des Erfolgs aber fiel noch immer schwer. „Ich kann es nicht glauben“, sagte Sauerbrey. Die Olympia-Debütantin hatte als Startläuferin überzeugt. „Ich habe schon die ganze Saison gut abliefern können, ich habe an mich geglaubt“, sagte sie. Der Rest war Jubel. Nach dem Empfang beim deutschen Team wurde getanzt. Die Kräfte reichten noch für diese Feier nach dem ganz besonderen Erfolg.
Noch einmal zurück nach Oberstdorf vor einem Jahr. Die Niederlagen dort schmerzten. „Meistens lernt man aus solchen Situationen“, sagte Schlickenrieder. Der Prozess kann weh tun. Es hat sich aber gelohnt. „Es ist schön, wenn man für die harte Arbeit belohnt wird“, sagte Katharina Hennig, „wir sind durch ein paar Täler, haben uns aber wieder aufgerafft.“
Die Diskussion ist geschlossen.