Wie viel Bulli steckt im neuen ID.Buzz?
Jahrzehntelang waren die verschiedenen T-Modelle erfolgreich - ob als Lieferwagen, Kleinbus oder Camper. Nun erfindet den Bus neu – zu einem happigen Preis.
Was war zuerst da? Der Bulli oder VW? Das ist wie mit dem Henne-Ei-Vergleich. Das Huhn gibt es nicht ohne Ei, und das Ei nicht ohne Huhn. So ähnlich verhält es sich mit dem T-Modell von Volkswagen.
Vielleicht war der Bulli für den Konzern sogar wichtiger als der Käfer. Der Kastenwagen spielte nämlich in jeder Liga. Als Liefer- und Pritschenwagen, als Omnibus des kleinen Mannes, als Familienkutsche und Camper! Bullis laufen, und laufen und laufen – von A bis Z: von Alaska bis Zimbabwe. Von daher stand VW vor einer ganz besonderen Herausforderung, als Designer und Techniker ihr T-Modell in die Neuzeit übersetzen mussten. Als Elektro-Bulli. Ob das gelungen ist, zeigen die ersten Testfahrten.
Testfahrt: Die Herzen fliegen dem ID.Buzz zu
Einmal Popstar sein. Einmal ein Bad in der Menge machen. Kein Problem. Denn dazu gibt es ja jetzt den VW ID.Buzz. Wir fahren den Elektro-Bulli von Volkswagen quer durch und rund um Kopenhagen, und die Herzen fliegen uns zu. Lächelnde Gesichter, gezückte Handys – gerade, dass keiner ein Autogramm will. Wir geraten in ein Oldtimer-Treffen. Alte Corvettes, MG-Roadsters, Buckel-Volvos. Die Daumen wandern nach oben. Auf der Brücke nach Malmö beschert uns der VW-Transporter sogar einen kurzen unfreiwilligen Zwischenstopp an der dänisch-schwedischen Grenze. Offiziell will der Beamte den Ausweis sehen – aber eigentlich nur alles über „das Auto“ wissen. Nach einem viertelstündigen Plausch gibt er den Personalausweis mit einem zufriedenen Grinsen zurück. Eines ist schon nach kurzer Zeit klar. Die Sympathiewertung gewinnt der E-Bulli mit voller Punktzahl.
Das Design ist ja auch zu knuffig. Freundliche zwinkernde Augen, jedoch kein Kindchen-Schema mehr. Wäre auch nicht zeitgemäß. Das Design sieht nach Vergangenheit aus – blickt aber mutig in die Zukunft. Zurück in die Zukunft – so lautet das Motto. Die Zweifarblackierungen (blauer Body, weißes Dach, orange-weiß, gelb-weiß) erinnern an die Vergangenheit, die kurzen Überhänge ebenso. Trotzdem wirkt der ID.Buzz nicht altmodisch. Auch innen nicht. Helle Optik, nach Leder und Holz sucht man vergeblich. Hier ist alles vegan und zum Teil Recycling-Ware. Und in gewisser Weise unternimmt der ID.Buzz-Kunde sogar etwas gegen die Verschmutzung der Meere. Dort aufgefischtes Plastik wird zu neuem Kunststoffleben erweckt und wandert in den Elektro-Bulli. Sympathisch.
Cockpit des neuen VW-Busses: aufgeräumt und übersichtlich
Das Cockpit ist aufgeräumt. Wer die ID.Baureihe von VW kennt, entdeckt zunächst einmal keinen Unterschied zu ID.3, 4 und 5. Stummelbildschirm mit den wichtigsten Informationen hinter dem Lenkrad, daneben der Gangwahlhebel und mitten auf dem Armaturenbrett der mittlerweile ziemlich logisch aufgebaute Entertainment-Bildschirm. Die Dekor-Elemente im Cockpit kann man ebenfalls zweifarbig wählen – und dann entdeckt man so nach und nach das ein oder andere feine Detail wie die eingravierten Smileys in den Türen. Überall im Auto sind USB-C-Buchsen verteilt, schließlich wollen alle Smartphones, Tablets und Laptops während der Fahrt geladen werden. Wie im echten Bulli auch fehlt eine Motorhaube, der Blick geht direkt auf die Straße. Mit einer Ausnahme. In der Mitte stört eine dicke wulstige Nase. Hier in der Mitte der Windschutzscheibe direkt oberhalb des Armaturenbretts wölbt sich ein Plastikbuckel, hier sind wichtige Sensoren untergebracht.
Über solche Mängel sieht man gerne hinweg. Vor allem wenn man mit dem Bulli durchstartet. Also durchstromert in diesem Fall. 204 PS stehen in der Pro-Variante zur Verfügung und damit 310 Newtonmeter Drehmoment. Das reicht für einen kapitalen Start an der Ampel – allerdings geht dem 2,5-Tonner bald die Luft aus. Nun ja, der T1, also der Ur-Bulli, hatte sparsame 25 PS, musste dafür aber auch nur 890 Kilogramm herumschleppen. Apropos Bulli: Der Kosename des T1 ist noch relativ jung. Erst seit 2007, als Volkswagen die Namensrechte von der Kässbohrer Geländefahrzeug AG kaufte, heißt der Bus so. Vorher nannte man ihn einfach nur Kombi. Ob der Name Bulli von Bus und Lieferwagen abstammt, bleibt ein Fall für die Abteilung Legende. Sicher ist jedoch, dass anno 1951 bei der IAA ein Kleintransporter mit dem Namen „Samba“ vorgestellt wurde. Acht bis zwölf Sitze und 23 Fenster – das waren die Merkmale des erfolgreichsten Mini-Busses der 50er-Jahre.
Wie sieht es mit der Reichweite des Elektro-Bullis aus?
„Tanze Samba mit mir, Samba, Samba die ganze Nacht!“ Unweigerlich fällt uns der Gassenhauer von Schlagerkönig Tony Holiday ein. Beschwingt wie eine Samba. So carvt der ID.Buzz nämlich durch die Kurven. Elegant und schnell ein Hüftschwung so flott wie der von einer brasilianischen Samba-Tänzerin. Poesie ist die eine Sache, Fakten die andere. Aber auch hier überzeugt der Elektro-Bulli. Er hat nämlich den gleichen Wendekreis wie ein VW Golf. 11,1 Meter – da ist sogar die Wende auf dem sprichwörtlichen Bierdeckel ein Kinderspiel. Ernst wird es wie bei allen Elektroautos jedoch bei der Reichweite. Unser Bulli hat die bereits von den anderen ID-Modellen bekannte 77 kWh-Batterie im Unterboden eingebaut. 402 bis 432 Kilometer sollen damit drin sein. Der Test-ID.Buzz verspricht zu Beginn der Fahrt sogar 458 Kilometer. Nach 200 Kilometern im weitgehend flachen Dänemark und Schweden, hauptsächlich über Landstraßen mit maximal 80 km/h und Autobahnen mit Höchstgeschwindigkeit 120 km/h landen wir bei einer Restreichweite von 223 Kilometern und einem Durchschnittsverbrauch von 18,3 kWh/100 km.
Was sollen uns diese Zahlen sagen? Zum einen, dass der ID.Buzz immer unter der Voraussetzung, dass der Strompreis nicht ins Unermessliche schießt, tatsächlich wirtschaftlich zu bewegen ist. Sechs bis acht Euro Stromkosten pro 100 Kilometer sind günstig. Sogar ein Schnellader mit 70 Cent pro Kilowattstunde würde nur mit 13 Euro zu Buche schlagen. Was andererseits die Reichweite angeht, so sind Strecken jenseits der 400 Kilometer unrealistisch. 200 Kilometer mit 223 Kilometer Reichweitenverlust, und das unter Einbeziehung der Tatsache, dass man spätestens bei 50 Kilometer Rest schon hektisch nach einer Ladestation sucht, ergibt gerade mal 300 Kilometer. Langstrecke ade!
Wie ist er nun wirklich der neue Bulli? Popstar, schön und gut. Aber der Ruhm lässt auch irgendwann mal nach. Wird man den ID.Buzz ähnlich lieben wie seine Vorgänger oder bleibt er nur ein teurer Mode-Gag? Letzte Frage muss sich Volkswagen zumindest gefallen lassen. Kostet der VW-Bus, aus dem der ID.Buzz hervorging, doch immerhin ab 65.000 Euro aufwärts. Wir können diese Frage nicht rational beantworten. Unser erstes Rendezvous mit dem Elektro-Bulli war Liebe auf den ersten Blick. Unser zweites Treffen deutet auf mehr hin. Herzklopfen aber mit Hirn. Ob daraus eine echte Beziehung wird - das wird erst der längere Praxistest zeigen.
Datenblatt:
E-Motor: Permanent erregte Synchronmaschine an der Hinterachse
max. Leistung: 150 kW (204 PS)
max. Drehmoment: 310 Nm
- Antriebsart: Hintaerrad
- Batterie (netto): 77 kWh
- Reichweite: 402 - 432 km
- Ladeleistung AC/DC: 11 kW / 170 kW
- Ladedauer: 7 Std. 30 min (0 auf 100 % AC)
- 30 min von 5 auf 80 Prozent (DC)
- 0-100 km/h: 10,2 Sekunden
- Spitze: 145 km/h
- Stromverbrauch: 20,5 - 21,7 kWh
- Länge / Breite / Höhe: 4,71 / 1,86 (2,12 mit Spiegeln) / 1,93 - 195
- Kofferraum: 1.112 - 2.021 l
- Dachlast: 100 kg
- Stützlast: 50 kg
- Anhängelast (gebr.): 1.000 kg
- Wendekreis: 11,1 m
- Preis ab: 64.581 Euro
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