Bayerns Biergärten: Kulturgut unter Kastanien
Eine zünftige Brotzeit, ein kühles Helles - die Bayern lieben ihre Biergärten. Doch wie wurde aus der früheren Notlösung ein bayerisches Lebensgefühl?
Wochenlang mussten wir aufgrund der Corona-Krise auf ihn verzichten, warteten sehnsüchtig darauf, endlich wieder auf Bierbänken unter Kastanienbäumen zu sitzen und ein Bier trinken zu können. Seit 18. Mai ist das nun wieder erlaubt. Zum Glück. Denn Bayern ohne Biergarten – das ist einfach nicht vorstellbar. Und das, obwohl die Geschichte des Biertrinkens unter Kastanien gar nicht so weit zurückreicht, wie man vielleicht denken würde.
Doch warum entstanden Biergärten ursprünglich überhaupt? Eigentlich ist es ganz einfach. Bier konnte früher, das wurde beispielsweise aus dem 16. Jahrhundert überliefert, nur im Winter gebraut werden. Denn untergäriges Bier wie Helles muss während des Gärvorgangs ständig gekühlt werden. Und auch nach dem Brauvorgang benötigte es damals eine kühle Lagerung, denn der Gerstensaft wurde noch nicht pasteurisiert.
Deshalb wurde in der bayerischen Brauordnung von 1539 festgelegt, dass nur zwischen dem 29. September (Heiliger Michael) und dem 23. April (Heiliger Georg) Bier gebraut werden durfte. Und dies nicht nur, weil man Angst hatte, dass das Bier sonst zu schnell verdirbt, sondern auch wegen der Brandgefahr, die von den Siedekesseln ausging. Diese wurden stark erhitzt, über offenem Feuer, und nicht wenige Brauereien brannten damals ab, da diese Feuer manchmal außer Kontrolle gerieten. Dies war natürlich auch für die Städte eine ernst zu nehmende Gefahr.
Und so konnte man damals im Sommer, wenn man eigentlich so richtig Durst auf ein kühles, durstlöschendes Bier hatte, keines trinken. Wie ärgerlich!
Doch damit fand man sich in Bayern nicht ab. Wir sind ja ein erfinderisches Volk – vor allem, wenn es um Genuss geht. Bis dahin verging allerdings noch einige Zeit. Erst im 19. Jahrhundert kamen die Münchner Brauer schließlich auf die zündende Idee, am Isarufer tiefe Keller zu graben. In diese wurde im Winter das Eis geschafft, das sich auf dem Fluss gebildet hatte. An der Oberfläche über den Kellern verteilten sie Kies, um eine Aufheizung des Bodens im Sommer zu verhindern und pflanzten Kastanien, die zusätzlich für Schatten sorgen sollten.
Das Bier holte man sich im Maßkrug ab
So konnte das Bier kühl gelagert und endlich auch im Sommer getrunken werden. Anfangs wurde der Gerstensaft nur vor Ort ausgeschenkt. Zu diesem Zweck brachten die Bürger Maßkrüge mit. Manch einer hatte solchen Durst, dass er das Bier gleich vor Ort trank. Es dauerte nicht lange und die Wirte stellten Tische und Bänke auf, damit die Bierkäufer dort verweilen und ihr Helles trinken konnten. Mahlzeiten durften aber nicht serviert werden, denn Maximilian I. Joseph von Bayern wollte verhindern, dass die in München verbliebenen kleinen Brauereien das Nachsehen hatten.
Von München aus trat der Biergarten seinen Siegeszug in ganz Bayern an. Auch in Bayerisch-Schwaben ist er aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Nach der Arbeit mit den Kollegen noch ein Feierabendgetränk zu sich nehmen, mit der Familie essen gehen und nach dem Spaziergang das schöne Wetter im Schatten genießen – mit viel Platz für die Kinder, um sich zu bewegen. Und einer ganz ungezwungenen Atmosphäre. Hier fühlt sich der Bauarbeiter nach getaner Arbeit genauso wohl wie ein Anwalt nach einem Tag vor Gericht.
Schafkopfen und Sperrstunde
Der Biergarten, das ist auch der Ort, an dem Schafkopfen gespielt wird. Das Kartenspiel, das laut CSU zur bayerischen Kultur gehört, wird in Gaststätten nicht mehr allzu gern gesehen. Viele Wirte sind der Meinung, dass in Schafkopfrunden zu wenig konsumiert, dafür umso mehr Lärm gemacht werde. Aber im Biergarten, da darf eigentlich überall noch gekartelt werden. Kultur im Kulturgut sozusagen.
Wie sehr die Bayern ihren Biergarten lieben, wurde vor 25 Jahren deutlich: Die sogenannte Biergarten-Revolution trieb 25 000 Menschen auf die Straße, nachdem in München die Biergarten-Sperrstunde auf 21.30 Uhr vorverlegt werden sollte. Empörung machte sich breit. Eine Bewegung entstand.
Der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber selbst setzte sich schon bald an deren Spitze. Nicht ganz uneigennützig, natürlich. Ergebnis war schließlich, dass traditionelle bayerische Biergärten bis 23 Uhr geöffnet haben dürfen. Dies wurde 1999, nach langem juristischen Hin und Her, in der Bayerischen Biergartenverordnung festgehalten. Das Kulturgut war gerettet!
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