Vom Parkplatz zum Plärrer: Aufbau auf dem Plärrergelände
Zum Augsburger Plärrer verwandelt sich das Plärrergelände in einen Vergnügungspark. Parkende Autos weichen der Achterbahn, Schausteller zünden beim Aufbau den Turbo.
Innerhalb von zwei Wochen errichten Schaustellerinnen und Schausteller auf einem Pendler-Parkplatz vor den Toren Augsburgs eine Budenstadt. Für 17 Tage arbeiten 400 bis 450 Menschen in dem Vergnügungspark, den eine halbe Million Menschen besuchen. Über Nacht verschwindet er wieder. Was genial klingt, ist eine Frage der Perspektive. Josef Diebold, Vorsitzender des Schwäbischen Schaustellerverbands, erzählt: „Für mich ist das Routine, Alltag.“ Kurz nachgedacht, verbessert er sich: „Eigentlich ist es eine Pionierleistung!“
Der Augsburger Plärrer ist Schwabens größtes Volksfest. Ein stolzer Titel, Diebold zeigt sich über etwas anderes begeistert: „Wir sind so attraktiv wie vor 145 Jahren.“ Events kommen und gehen. Den Plärrer haben der Schausteller, seine Kolleginnen und Kollegen mehrere Male neu erfunden – für ihn der wahre Rekord.
Die Anfänge des Augsburger Plärrers
Angefangen hat es vor 1000 Jahren auf den Dulten der Innenstadt mit Kasperltheater und Kinderkarussell. Im 19. Jahrhundert kamen Schiffschaukeln und Schießbuden dazu. Der Lärm wuchs. Anwohnerinnen und Anwohnern beschwerten sich, die Stadt Augsburg löste das Problem: Sie trennte das „Geplärre“ von den Marktständen. 1878 fand zum ersten Mal ein Plärrer auf dem Kleinen Exerzierplatz statt.
„Es ist kein Blumenbeet zu schade, um nicht ein Karussell darauf zu bauen.“
Über die Jahre wurde das Volksfest höher, schneller, weiter und komplexer. Ein Kettenflieger mit 80 Metern übertrifft das Riesenrad; im Looping-Karussell rasen Fahrgäste mit 125 Stundenkilometern über die Gleise. Der Autoscooter, der auf einem Schwertransporter mit Streckengenehmigung und Begleitwagen durch Deutschland tourt, nimmt mit 480 Quadratmetern die größte Grundfläche ein. DIN-Normen schreiben den Fahrgeschäften vor, dass Sensoren mit Rückversicherungen vor dem Gondelstart tätig sind. Den Bügel zu schließen, reicht nicht mehr.
Osterplärrer und Herbstplärrer: Schwabens größte Volksfeste
Insgesamt sind zum Plärrer zwischen 80 und 90 Betriebe zugelassen, darunter sechs bis acht Action- und zehn bis zwölf Kinderfahrgeschäfte. Der Rest verteilt sich auf Imbiss-, Spiel- und Schießbuden. Wer dazugehört, entscheidet die Stadt. Sie ist Veranstalter und schreibt den Plärrer offiziell aus. Schaustellbetriebe können sich ein halbes Jahr vorher auf einen Standplatz bewerben.
Im Auswahlverfahren berücksichtigt das städtische Marktamt Aspekte wie Leistung, Nachhaltigkeit und Philosophie. Einerseits ist der Plärrer ein Fest mit gewachsenen Strukturen. Die Menschen essen an derselben Ecke ihren Steckerlfisch. Andererseits mögen sie es abwechslungsreich.
Aufbau der Festzelte, Fahrgeschäfte und Imbissbuden
Stehen die Teilnehmer des Vergnügungsparks fest, beginnt die Organisation. „Wenn alle zur gleichen Zeit auf den Kleinen Exerzierplatz fahren, herrscht Chaos. Damit es funktioniert, muss sich alles wie eine Perlenschnur aneinanderreihen“, verrät Diebold. Dazu gehört, dass die Schausteller Stromanschlüsse anmelden, die von Elektrikern angeklemmt werden. Wasserleitungen werden gespült, Proben entnommen und geprüft. Für die Mülltrennung zäunen die Verantwortlichen einen Bereich des Geländes ein. Ist der Boden gereinigt, weist der Platzmeister ankommende Betriebe ein.
Je größer die Anlage, desto länger dauert der Aufbau. Festzelte fangen früher an. Beim Schallerzelt packen zehn Mitarbeitende sechs Wochen lang an. „Das Gerippe ist die körperlich schwerste Arbeit. Es muss an einem Tag stehen, damit es sicher ist. Die Planen werden an einem weiteren Tag aufgebaut. Zeitintensiv ist das Einrichten: Fußboden verlegen, Bühne, Boxen und Dekoration“, erklärt Tina Held vom Schallerzelt.
Auch bei den Fahrgeschäften muss jede Schraube millimetergenau sitzen – und zwar bis Donnerstagmittag. Dann prüfen Statikerinnen und Statiker der Landesgewerbeanstalt Bayern Schaltungen, Not-Aus & Co., bevor die Gondeln zur Eröffnung am Freitagmittag losrollen.
Die Imbissbuden sind schnell startklar, meinen zumindest Plärrergäste, die den Ausschank ohne Blick hinter die Kulissen sehen. Maurice Gaul von der Schlemmerhütte braucht mindestens vier Tage und 16 Stunden, bis er verkaufsbereit ist: „Früher sind wir mit dem Wagen hergefahren und haben vorne aufgeklappt. Heute besteht mein Geschäft aus sieben Containern, die ich mit einem Kran an ihre Plätze bringe. Dazu gehören welche mit Tischen, Stühlen und Schirmen sowie Spül-, Kühl- und Gefriercontainer.“ Damit die Schlemmerhütte gerade steht, benötigt er acht Gitterboxen mit Holzböden.
Bratwürste, Semmeln und Hendl: Die Produkte und deren Zutaten kommen – das ist Tradition – aus der Region. „Wir beziehen Backwaren von Edna aus Wollbach, Salate und Zwiebeln vom Fruchthof Ehinger in Lechhausen“, verrät Gaul. Seine Metzgerei stammt ebenfalls aus der Nähe, bleibt aber aus Konkurrenzgründen geheim.
Das Plärrergelände in Augsburg – eine kurze Heimat für Schausteller
Kontakte hat auch Diebold. Der Augsburger kennt Schlosser, Schreiner und Elektriker. Im Fall der Fälle retten sie den Festbetrieb. In andere Städte reisen sie dem Schausteller nicht nach. Besucht er den Cannstatter Wasen, ist er froh um örtliche Kollegen. „Obwohl wir Konkurrenten sind, helfen wir aus. Zusammenhalt ist unsere allergrößte Stärke“, so Diebold.
Und das Gemeinschaftsgefühl reicht weiter: Hinter den Betrieben stecken Familien; Eltern, Kinder und Großeltern, die auf Volksfesten wie dem Plärrer eine Heimat finden. „Ein Schausteller ist ein Wirtschaftsunternehmer – wie einer, der um die Ecke einen Einzelhandelsladen hat. Das Besondere ist, dass wir unseren Betrieb mobil machen“, erklärt der Vorsitzende des Schwäbischen Schaustellerverbands.
Wie ist das Leben als Schaustellerkind auf Volksfesten?
Personal, Küche, Logistik, Büro, Ersatzteilhaltung, Lager: Alles packt er ein – in Windeseile, vor allem beim Herbstplärrer. Eine Woche später beginnt das Münchner Oktoberfest. „Da brennt die Zeit“, weiß der Schausteller.
Volksfeste in Bayerisch-Schwaben
Was er über das Augsburger Volksfest erzählt, passiert im Sommer wöchentlich – immer woanders. Zum Beispiel 25 Kilometer südlich auf einem Parkplatz in Schwabmünchen, auf gesperrten Kreuzungen in der Innenstadt von Memmingen oder vor den Hotels an der Hafenpromenade Lindaus. Kempten überbaut zur Allgäuer Festwoche eine Tiefgarage. Wie Diebold sagt: „Jedes Mal eine neue Herausforderung!“
Dieser Beitrag stammt aus unserer Verlagsbeilage "Regional genial".
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