Dispozins, Inflation oder Rendite?
Der Umgang mit Geld fällt nicht jedem leicht. Oft fehlt es schlicht an Wissen. Häufige Folge: Schulden. Diese Falle lässt sich mit einfachen Mitteln umgehen.
Hand aufs Herz: Wissen Sie, was passiert, wenn ihr Konto ins Minus rutscht? Oder welche Versicherung wirklich wichtig ist? Nein? Damit sind Sie nicht allein. Aktuelle Studien zeigen: Geht es um praktisches Finanzwissen, haben Verbraucherinnen und Verbraucher hierzulande große Lücken.
"Wir haben genau solches Finanzwissen erfragt, das nötig ist, um ganz alltägliche Finanzprodukte richtig zu beurteilen", erklärt Hermann-Josef Tenhagen zu einer Studie der Finanztip-Stiftung. Das Ergebnis ist ernüchternd: Bei einem großen Teil der über 3000 befragten Verbraucherinnen und Verbraucher fehlen wesentliche Grundlagen, um Finanzprodukte wirklich zu verstehen.
Dispotzinsen fallen sofort an, wenn das Konto im Minus ist
So weiß der Studie zufolge zum Beispiel jeder Zweite nicht, dass Dispozinsen sofort anfallen, wenn das Girokonto ins Minus rutscht. Rund 25 Prozent sind stattdessen der Meinung, dass der Dispokredit kostenlos ist, wenn das Konto am Monatsende wieder ausgeglichen wird. Insgesamt 12 solcher Fragen mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beantworten. Nur etwa knapp die Hälfte (48,4 Prozent) lag bei mehr als 6 davon richtig.
Auch eine Jugendstudie des Bundesverbandes deutscher Banken zeigt: Jugendlichen und jungen Erwachsenen fehlt oft Wissen über Wirtschaft. 86 Prozent der Teilnehmenden wussten demnach nicht, wie hoch die derzeitige Inflationsrate in Deutschland ist. 83 Prozent konnten die Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht benennen. Im Vergleich zur letzten Erhebung im Jahr 2018 hat sich das Ergebnis verschlechtert. Damals konnten mehr als die Hälfte der jungen Leute die Funktion der EZB benennen.
Viele legen kein Geld für die Zukunft zurück
"Es ist schon erschreckend, welche Bildungslücken es gibt", sagt Sally Peters, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg. "Das betrifft nicht nur junge Menschen, sondern eigentlich alle Altersgruppen." Das Problem: Fehlendes Wissen kann schnell zu handfesten praktischen finanziellen Problemen führen.
So zeigt der Überschuldungsreport des iff: Oft hätten Betroffene ihre finanziellen Probleme vermeiden können. Denn Auslöser für die Schwierigkeiten waren in fast 19 Prozent der Fälle vermeidbare Fehler, unter anderem das Konsumverhalten oder eine unwirtschaftliche Haushaltsführung.
"Es ist ein typisches Denkmuster, dass Menschen das 'Hier und Jetzt' wichtiger bewerten als die die Zukunft", sagt Gudrun Scheller-Hesch von der Stiftung "Deutschland im Plus". "Das führt dazu, dass manche Verbraucher kein Geld für die Zukunft zurücklegen."
Die Stiftung leistet regelmäßig Bildungsarbeit in Schulen. In den Unterrichtsstunden zeigt sich oft: "Viele Schüler denken nicht an die Zukunft und legen deshalb auch kein Geld zurück." Den meisten Schülerinnen und Schülern fehlt Wissen darüber, wie sie ihr eigenes Budget im Blick behalten können oder wo sich Kostenfallen verstecken.
Wissen von Eltern geerbt - Finanzbildung muss früher ansetzen
Die Defizite werden den meisten von uns bereits in die Wiege gelegt. "Wie wir mit Geld umgehen, lernen wir in der Regel von unseren Eltern", sagt Susanne Krehl. In vielen Haushalten werde ein traditioneller Umgang mit Geld gepflegt. "Offen geredet wird darüber aber selten", sagt die Organisatorin des Fintech-Stammtisches und Mitgründerin der Budgetplaner-App "Fabit".
Oft hätten Eltern selbst nur wenig Wissen über Finanzen und könnten ihren Kindern daher auch kaum etwas beibringen. Oder sie setzen auf traditionelle Produkte wie ein Sparbuch, was schon lange keine Rendite mehr bringt. "Solches Wissen ist veraltet und heute gar nicht mehr relevant."
"Finanzbildung muss deshalb so früh wie möglich ansetzen", findet Philipp Blomeyer, Vorstand der Stiftung "Deutschland im Plus". "Am besten schon im Kindergartenalter."
Seriöse Quellen nutzen
Bis es entsprechende Angebote in den Schulen gibt, ist allerdings jeder und jede erst einmal selbst gefragt. "Finanzwissen kann man sich erarbeiten, wenn man es braucht", sagt Prof. Hartmut Walz von der Hochschule Ludwigshafen am Rhein. "Sozusagen als just-in-time-Bildung." Wichtig dabei: Seriöse Quellen anzapfen.
Nicht immer sind Bildungsangebote nämlich so gut, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Eine Untersuchung von Prof. Walz zeigt: An vielen Volkshochschulen geben Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter von Finanzvertrieben Kurse zu Themen rund um Finanzwissen.
Verboten ist das zwar nicht. Allerdings: "Solche Dozenten haben in der Regel auch ein Interesse daran, in ihren Kursen neue Kunden zu gewinnen", sagt Prof. Walz. Vermeintliche Bildungsangebote werden damit zu Verkaufsveranstaltungen.
Haushaltsbücher oder digitale Budgetplaner helfen beim Umgang mit Geld
Wer Informationen sucht, sollte das Angebot immer hinterfragen, rät Sally Peters. "Sie müssen sich immer fragen: Warum gibt es das Angebot und welches Interesse steckt dahinter?" Auch wenn ein Anbieter vermeintlich objektive Informationen anbietet, stehe dahinter womöglich auch das Interesse, Kunden zu gewinnen.
Weiterer wichtiger Punkt: den Überblick über seine Finanzen behalten. Hierzu bieten sich Haushaltsbücher oder digitale Budgetplaner an. Wer aufschreibt, wie viel Geld er für was ausgibt, läuft seltener Gefahr, Schulden zu machen. "Buy now, pay later ist zwar bequem", sagt Philipp Blomeyer. Dadurch wachse aber auch die Gefahr, zu viel Geld auszugeben. "Fragen Sie sich am besten immer vor jedem Kauf: Brauche ich das wirklich?" (tmn)
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