Studieren aus dem Kinderzimmer
Zwischen Teenieposter und Statistikbuch: Wegen der Corona-Pandemie sind viele Studierende wieder in ihr Elternhaus gezogen. Sie müssen kräftig improvisieren. Das hat auch für den Wohnungsmarkt Folgen.
Wenn Louisa eine Vorlesung hat, steht sie 15 Minuten vorher auf. Einen Kaffee getrunken, Zähne geputzt - die Leggins können bleiben, sieht ja eh niemand.
Schon geht es vor den Laptop in die Vorlesung. Während die Professorin ihrer niederländischen Uni auf dem Bildschirm über Marketing doziert, knabbert Louisa in ihrem alten Kinderzimmer in Bielefeld noch an einem Brötchen und macht sich nebenbei Notizen.
Auch Erik bereitet sich zu Hause im westfälischen Halle auf seine Vorlesungen vor. Für den Erstsemester beginnt der Studienbetrieb unter Corona-Bedingungen allerdings erst noch, er zieht nach Köln. "Ich hatte mich schon auf die Uni gefreut. Besonders als Ersti, denn ich gehe komplett alleine nach Köln und bin darauf angewiesen, Freunde zu finden", erzählt der 19-Jährige. Viele seiner Freunde wollen das Semester von zu Hause aus durchziehen - für ihn keine Option. "Ich will ein neues Kapitel anfangen mit dem Studium, da gehört der Auszug für mich dazu."
Mischung aus Vor-Ort- und Online-Studium
Studierende müssen weiter kräftig improvisieren, wenn am 26. Oktober nach den Semesterferien der Vorlesungsbetrieb an den nordrhein-westfälischen Hochschulen beginnt. Überall wird es eine Mischung aus klassischen Vor-Ort-Veranstaltungen unter Corona-Bedingungen und einem Online-Betrieb geben.
"Wie genau Vorlesungen und Seminare stattfinden, wissen wir ehrlich gesagt noch nicht. Das kann sich immer wieder ändern, je nachdem, wie hoch die Infektionszahlen dann sind", sagt ein Sprecher der Technischen Universität in Dortmund. Es werde jedoch versucht, besonders für die Erstsemester möglichst viele Präsenzveranstaltungen anzubieten. Einige Unis lassen vorsichtshalber auch ihre Bibliotheken noch geschlossen.
Das hat Folgen - für das Leben in der Uni, und für den Wohnungsmarkt in den Studentenstädten. Zahlreiche Studierende sind wegen der Pandemie erstmal wieder zurück zu den Eltern gezogen - so wie die 21-jährige Louisa aus Bielefeld. "Ich war alleine in einer Wohnung ohne Mitbewohner und habe mich sehr unwohl gefühlt", erzählt sie. Seit mehreren Monaten lebt sie nun wieder in ihrem Kinderzimmer. "Ich war froh, hier meine Familie und Freunde zu haben. Alleine in Holland hätte ich durch Corona keine Chance gehabt, mir ein soziales Netzwerk aufzubauen."
"Wir haben viele Anfragen von Studierenden, die fragen, ob sie ihre Wohnung kündigen und bei Eltern wohnen bleiben sollen", berichtet Martin Rothenberg von der Technischen Universität in Dortmund. Schließlich seien auch hohe Kosten mit einer eigenen Wohnung verbunden.
Weniger Mieter in Studentenwohnheimen
Einen Rückgang der Mieter erkennen auch die Studierendenwohnheime. So waren Mitte September an den Standorten Bielefeld, Minden und Detmold rund sechs Prozent der Zimmer nicht vermietet. "Dies ist für uns eine völlig neue Situation, da wir in den vergangenen Jahren so gut wie keinen Leerstand hatten", sagt Helga Fels vom Studierendenwerk Bielefeld.
In den Studentenwohnheimen an der Ruhr-Universität in Bochum gab es zwischenzeitlich sogar 20 Prozent mehr Leerstand als normalerweise. Laut einer Sprecherin liegt dies auch an den fehlenden internationalen Studierenden, die nicht gekommen sind oder nicht einreisen durften. Mittlerweile habe sich die Situation wieder eingependelt.
Denn viele Studenten wollen eigentlich wieder raus aus ihrem Hotel Mama. Robert zieht deshalb zum Wintersemester mit zwei Kommilitonen nach Münster. Der Wunsch, wieder unabhängig von den Eltern zu wohnen, sei groß, sagt der 21-Jährige. "Ich glaube, es hat zu Hause vor allem gut funktioniert, weil es die Perspektive gab, dass es nur zeitlich begrenzt ist. So nach dem Motto: Ich bin in fünf Monaten wieder weg."
Das geht Marina, Lehramtsstudentin an der Uni Paderborn, ähnlich. Mit Mitte 20 wieder unter einem Dach mit der Familie zu leben, sei eine Herausforderung gewesen. "Wenn man einmal alleine gewohnt hat, ist es schon anstrengend, plötzlich wieder zu Hause zu sein. Auf einmal muss man wieder alles absprechen." Sie trifft allerdings noch ein anderes Problem: Durch Corona sind vielen Studierenden ihre Nebenjobs weggebrochen. Von zu Hause auszuziehen könne sie sich deshalb im Moment einfach nicht leisten, sagt die 26-Jährige.
© dpa-infocom, dpa:201009-99-884218/3 (dpa)
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