Nur wenige Städte verfügen über eine so gut erhaltene Spitalanlage wie die ehemalige Freie Reichsstadt Nördlingen. Um 1200 von bisher unbekannter Hand gestiftet, wird das Nördlinger Spital 1233 erstmals urkundlich erwähnt. 1254 kam die Anlage unter städtische Verwaltung, in der Folgezeit entwickelte sie sich durch zahlreiche Zustiftungen zu einer vermögenden, in vielen Orten des Rieses und des Härtsfeldes begüterten Institution.
Die Spitalstiftung ist die älteste Stiftung der 1829 durch Zusammenfassung von über 900 Einzelstiftungen entstandene „Vereinigte Wohltätigkeitsstiftung Nördlingen“. Um 1340 erfolgte der im Kern heute noch erhaltene Neubau der Kirche. Diese Kirche als Zentrum des weiträumigen Spitalareals stellt somit den ältesten erhaltenen Baubestand der Gesamtanlage dar, deren einzelne Gebäude im 15. und 16. Jahrhundert erneuert worden sind. Die Kirche selbst wurde 1563 nach Südwesten verlängert und damals erfolgte auch die Errichtung des Turms an der Westfassade der Kirche. Unterhalb des noch erhaltenen Stadtwappens findet sich die Jahreszahl „1563“ und die Namen der Auftraggeber: Marix Grambos, Spitalmeister und Wilhelm Protzer, Spitalschreiber.
Die 1939 im Kirchenschiff entdeckten Wandmalereien aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts gelten als die frühesten bekannten Beispiele der damals bedeutenden Nördlinger Malerei, deren Wirkungskreis sich über die Reichsstadt hinaus erstreckt hat. In eine andere Zeit weist dagegen der heutige Hochaltar. Er ist 1579 von Hieronymus Wehinger geschaffen worden und gilt als „Weiterbildung des frühesten protestantischen Altartyps“, wie es der Kunsthistoriker Dr. Georg Paula formulierte.
Die Einweihung der nun in neuem Glanz dastehenden Spitalkirche fällt in eine schwierige Zeit. Corona gibt keinen Spielraum für groß angelegte Feierlichkeiten. Dieser Gedanke findet sich auch in der kurzfristig geöffneten und nun wieder verschlossenen „Zeitkapsel“ der Turmspitze. Die dort vorgefundenen historischen Dokumente wurden ergänzt mit Exemplaren der Rieser Nachrichten und einem vom Stadtarchiv verfassten Schriftsatz.
Von der Befunduntersuchung zur Sanierung
Im angrenzenden Gerberviertel zählt das Heilig-Geist-Spital mit der Kirche zu den prägendsten Gebäuden und ist ein bedeutender Teil des Altstadt-Ensembles. Der schlechte Bauzustand des Fundamentes, der Außenmauern und vor allem des Daches machte eine grundlegende Sanierung erforderlich. In enger Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege begannen im April 2018 zunächst die Arbeiten am Fundament und den Außenmauern. Bei den Grabungen im Sockel und Fundamentbereich fanden die Archäologen Überreste und Gebeine der im angrenzenden Friedhof bestatteten Personen. Daraus ergeben sich Einblicke in die Geschichte von Stadt und Kirche zur Zeit des hohen Mittelalters bis weit in die Neuzeit hinein. Mit den Malerarbeiten im Innenraum wurden Risse geschlossen, Hohlstellen verfestigt und ein neuer Anstrich ausgeführt.
Die Ausstattungsgegenstände waren vor Sanierungsbeginn ausgelagert und sind jetzt wieder an ihrem ursprünglichen Ort. Gleiches gilt für Gestühl und Ausstattung der Sakristei. Die bestehende Fußbodenheizung wurde belassen, musste jedoch im Bereich des Turmes erneuert werden. Auch sämtliche Heizkörper im Chor und der Sakristei wurden ebenso erneuert, wie die Elektroinstallationen inklusive einer neuen Beleuchtung. Eine Höranlage mit neuer Induktionsschleife ist eingebaut. Der vorhandene Glockenstuhl aus Stahl wurde durch einen Holzglockenstuhl ersetzt. Ebenfalls ausgetauscht wurde die Glocken- und Uhrsteuerung. Alle Fenster und Türen wurden überarbeitet und saniert. Die 1989 eingeweihte Orgel der Firma Deininger und Renner wurde gereinigt und überarbeitet. Einige Pfeifen waren eingeknickt und mussten repariert werden. Auch im Bodenbelag wurden defekte Platten des Solnhofner Natursteinbelages ausgetauscht. Auf der 700 Quadratmeter großen Dachfläche war eine Neueindeckung mit 25 000 Dachplatten notwendig. In Abstimmung mit dem Evangelisch-Lutherischen Dekanat, dem Bürgerheim und dem Stadtmuseum werden die Außenanlagen wieder in Stand gesetzt und durch eine zusätzliche Sitzfläche für die Bewohner des Bürgerheims erweitert.
Die Generalsanierung verursachte Kosten von rund 2,75 Millionen Euro. Allein für den denkmalpflegerischen Mehraufwand entstanden Kosten in Höhe von 1,225 Millionen Euro. Verschiedene Zuschüsse und Förderungen ermöglichten, dass für die Stadt bzw. die Vereinigten Wohltätigkeitsstiftungen ein Eigenanteil von lediglich 852 000 Euro zu schultern war. Ein besonderer Dank gilt dabei den Fördergebern von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, dem Freistaat Bayern für die Förderung aus dem Entschädigungsfond, dem Bezirk Schwaben, dem Landkreis Donau-Ries, der Bayerischen Landesstiftung und der Evangelischen Landeskirche. Nun erstrahlt die Spitalkirche in der Baldinger Straße in neuem Glanz und wird mit einem Gottesdienst am kommenden Sonntag, 13. September, wieder eingeweiht.