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  4. Schwebheim: Pflege: So ist es, in einem Job zu arbeiten, den heute kaum mehr jemand machen will

Schwebheim
04.02.2023

Pflege: So ist es, in einem Job zu arbeiten, den heute kaum mehr jemand machen will

Pflege ist kein Beruf wie jeder andere. Distanz ist schwer, wo es um das Menschsein geht.
Foto: Anand Anders

Einen Tag lang hat unsere Autorin in einem Seniorenzentrum mitgearbeitet. Und dabei erfahren, was der Notstand in der Pflege vor Ort für die Menschen heißt.

Ausgerechnet heute. Es schneit. Im Akkord prasseln die Flocken aus dem Dunkeln auf die Windschutzscheibe, Pendler kriechen im Schritttempo über die Straßen. In Schwebheim im Landkreis Schweinfurt ist noch kein Mensch unterwegs. 6.01 Uhr zeigt die Uhr im Foyer des AWO Seniorenzentrums. Die Frühschicht beginnt, aber ein Mitarbeiter fehlt. Die stellvertretende Pflegedienstleiterin Katja Eckert umklammert ihren Kaffee. "Wenn der Christian nicht durch den Schnee kommt, haben wir ein Problem." Ersatz für den Leiharbeiter aus Bad Brückenau gibt es nicht, auffangen müssten es die wenigen, die da sind. Seufzen. Ärmel hochkrempeln. Der Pflegealltag beginnt.

Im zweiten Stock sind die Gänge hell erleuchtet. Geschirr klappert, es riecht nach frisch aufgebrühtem Kaffee, im Schwesternzimmer übergibt der Nacht- an den Frühdienst. Christian Bollow rauscht in den Raum. Erleichterung macht sich breit. Zusammen mit der Wohnbereichsleiterin Bettina Manuth und Dafina Dragoti bildet er die Frühschicht. Sie müssen 29 Bewohnerinnen und Bewohner fit fürs Frühstück machen: waschen, duschen, anziehen und an die Tische im Speiseraum bringen. Dann Betten frisch beziehen, lüften, desinfizieren, abstauben.

Schnell schlüpfe ich in einen Schwesternkittel. Für einen Tag darf ich dabei sein, mitarbeiten, pflegen, soweit das möglich ist. Katja Eckert warnt: "Bis kurz nach 10 geht es jetzt ohne Pause".

Echte Intimsphäre kann es in der Pflege nicht geben

Bettina Manuth steht bereits am Bett einer Seniorin. Sie spricht extra laut durch ihre Corona-Maske, damit die über 90-Jährige ihre Worte versteht. Manuth taucht den Waschlappen in eine Wanne mit warmem Wasser. Vorsichtig, aber bestimmt dreht sie den Körper auf die Seite, streicht über die Beine. Das Handy klingelt, ein anderer Bewohner ist aufgewacht und hat den Alarmknopf gedrückt. Ihre Kollegin übernimmt den Notruf, Manuth wäscht mit routinierten Bewegungen weiter.

Ich weiß zunächst nicht, wohin mit mir im Zimmer und wie umgehen mit dem Moment. Echte Intimsphäre gibt es in der Pflege nicht, kann es nicht geben. Wenn sich ein Mensch nicht mehr um sich kümmern kann, bleibt kein Platz für Scham. Er ist auf Hilfe angewiesen – bei allem. Für den, der pflegt, ist das eine enorme Verantwortung.

Es bewegt, die pergamentdünne Haut zu berühren, die Hilflosigkeit zu spüren. Und sofort ist da der Gedanke: Irgendwann sind es die eigenen Eltern. Irgendwann bist du es selbst.

"Es ist mein Traumberuf – ich würde niemals etwas anderes machen wollen."
Katja Eckert, stellvertretende Pflegedienstleiterin im AWO Seniorenzentrum Schwebheim

"Man hängt hier mit dem Herzen drin", sagt Bettina Manuth. Auch nach gut zehn Jahren als Pflegerin nehme sie vieles abends mit nach Hause. Distanz ist schwer, wo es um das Menschsein geht. Manuth richtet die Seniorin auf. Plötzlich greifen die faltigen Finger nach ihrer Hand. Halten sie fest. Ein Lächeln erscheint in dem Gesicht, das die Spuren eines Schlaganfalls zeigt. "Ich mag Sie so gerne", sagt die alte Dame. Manuth hält inne. "Das ist der Lohn, dafür macht man das."

Das – damit meint sie die Pflege. Den Beruf, der zu Beginn der Pandemie beklatscht und schnell wieder vergessen wurde. Den Beruf, den keiner mehr machen will und der so mit Ansage auf den Kollaps zusteuert. Doch Bettina Manuth und Katja Eckert sagen beide: "Es ist mein Traumberuf – ich würde niemals etwas anderes machen wollen."

Sicher, Pflege betrifft jeden. Im Alter, aber auch viel früher, bei Erkrankungen, als Angehöriger bei den Großeltern und Eltern. Nur will daran niemand denken. Pflegebedürftigkeit erschreckt. Wir besuchen unsere Angehörigen im Heim, wenn sie gewaschen und angezogen am Tisch sitzen. Halten das Gefühl der Bedrückung ein, zwei Stunden aus – und gehen wieder. Was dahinter steckt, die Pflege, sehen wir nicht. Oder wollen wir nicht sehen. Weil das weh tut.

Das "Danke" der Bewohner für die Hilfe berührt zutiefst

Es klingelt wieder. "Ich gehe", sagt Katja Eckert. Sie hastet den Gang hinunter, betritt das Zimmer von zwei hochbetagten Seniorinnen. Die Luft ist nach der Nacht leicht abgestanden. Buntstiftzeichnungen hängen über dem Kopfende des Bettes von Antonia Schneider (Name von der Redaktion geändert), auf dem Nachttisch stehen ein Trinkbecher und eine Uhr. Es ist kurz nach sieben und die 92-Jährige möchte raus, aufstehen.

Eckert stützt die alte Dame beim Gang ins Badezimmer, hilft ihr beim Ausziehen, Waschen, Zähne putzen. Plötzlich rollt eine Träne über die Wange. Eckert beugt sich vor, streichelt die Schulter. "Tut dir etwas weh, Antonia? Du hast schlecht geschlafen, oder?" Die Seniorin nickt, in das Duzen haben sie und ihre Angehörigen eingewilligt. Eckert zeigt ihr einen Strickpulli, langsam hebt Schneider den Blick. "Den habe ich selbst gestrickt." Genau richtig für heute, sagt Eckert: "Es hat geschneit – ich hole dir nachher einen Schneeball." Behutsam führt sie die 92-Jährige in den Frühstücksraum.

Sobald Antonia Schneider vor ihrem Croissant sitzt, eilt die stellvertretende Pflegedienstleiterin zurück ins Zimmer, hilft der zweiten Bewohnerin ins Bad und auf den Duschstuhl. Sie prüft die Wassertemperatur, übernimmt all die Handgriffe, die sonst vergessen würden.

Ich soll eincremen und föhnen. Nur wie fest cremt man einen fremden Menschen ein? Wie heiß darf die Luft sein? Worte helfen über die Verlegenheit. Wir ziehen gemeinsam die Socken und Schuhe an, zuletzt den Pullover. Beim Aufstehen umgreift die Hand der Seniorin meinen Arm. Das "Danke" trifft ins Herz.

Pflege ist kein Job wie jeder andere. "Wir sind 24/7 für die Bewohner da", sagt Katja Eckert. Offiziell endet ihr Dienst um 14 Uhr. Meldet sich der Spätdienst krank, bleibt sie länger. Oft genug hat die 39-Jährige schon in Zwölf-Stunden-Schichten oder sieben Tage am Stück gearbeitet, vor allem während der Corona-Pandemie. Da habe sie manchmal "verzweifelt" beim Gesundheitsamt angerufen. Weil zu viele Mitarbeiter infiziert waren, weil Bewohner erkrankten, weil sie alles schaffen sollte. Und am Ende ihrer Kraft war.

Im Zwiespalt zwischen den Bedürfnissen der eigenen Familie und denen der Heimbewohner

Eckert ist seit mehr als 20 Jahren Pflegerin und, so heißt es von den Kollegen, eigentlich immer da. Zuhause aber warten ihre Kinder, ein ewiger Zwiespalt. Ihre Mutter arbeitet im Heim als Hauswirtschafterin mit, ehrenamtlich. Eckerts Großvater wurde früher selbst hier gepflegt.

Um 10 Uhr sitzen alle Bewohner im Frühstücksraum. Durchatmen. Katja Eckert holt sich ein Glas Wasser und einen weiteren Kaffee. Pflege ist anstrengend, körperlich und psychisch. Drei Kräfte pro Frühschicht, das bedeutet, dass jeder rund zehn Senioren versorgt. Begleitet wird die Arbeit vom stetigen Piepsen der Alarmknöpfe. Das erzeugt Stress.

"Wenn ich eine Bewohnerin in der Dusche sitzen habe und ein Notfall klingelt – was soll ich tun?", fragt Eckert. Die Seniorin im Bad sich selbst überlassen oder den Klingelnden ignorieren? Solche Momente seien eine Zerreißprobe. Immer frage man sich, ob man richtig entschieden habe, ob man so pflege, wie es die Menschen verdienen. Ist das aus Zeitdruck nicht möglich, belastet es.

Bettina Manuth kommt mit zwei Flaschen Eierlikör ins Schwesternzimmer, ein Geschenk von einem Bewohner. Die Freude ist groß. Das ist die andere Seite, das Gegengewicht zum Stress und der Überforderung.

"Wir werden immer wieder mit dem Tod konfrontiert. Hier sterben Menschen und wir weinen mit den Angehörigen."
Bettina Manuth, Wohnbereichsleiterin und seit mehr als zehn Jahren Pflegekraft

Im Nebenraum sitzt Christian Bollow vor dem Laptop. Der 37-Jährige arbeitet für eine Zeitarbeits-Firma. Dafür habe er sich bewusst entschieden, sagt Bollow. Zwölf Jahre sei er zuvor in einem Heim angestellt gewesen und "fast bis zum Burnout" gegangen. In der Leiharbeit verdiene er besser und könne flexibler arbeiten. Den Beruf zu wechseln, komme für ihn nicht in Frage. "Es macht mir Spaß, der Job gibt mir viel. Die Gespräche, die ich mit älteren Menschen führen kann, sind toll."

Zugegeben, in manchen Heimen schlage ihm Neid und Unmut der festangestellten Kollegen entgegen. In Schwebheim gehöre er zum Team, sagt Eckert. Wenngleich das nicht selbstverständlich sei. Häufig würden sich die Kräfte auf Zeit nicht einfügen und Sonderregeln fordern. Andererseits wäre die Personallücke ohne Leiharbeiter noch größer. Christian Bollow sagt schlicht: "Ich mache alles." Sein Umgang mit den Senioren ist herzlich und wertschätzend.

Die Dokumentation braucht Zeit, die keine Pflegekraft hat

"Man braucht in diesem Job Empathie", sagt Bettina Manuth. Und die Bereitschaft, Emotionen zuzulassen, positive wie negative. "Wir werden immer wieder mit dem Tod konfrontiert. Hier sterben Menschen und wir weinen mit den Angehörigen." In der Pause beobachte sie manchmal die Bewohner, wie sie im Aufenthaltsraum sitzen. "Was denken sie? Geht es ihnen gut? Kann ich noch etwas für sie tun? Wollen sie so leben?" Ihre Fragen bleiben unbeantwortet.

Jetzt, am späten Vormittag, ist Betreuungszeit. Singen, Basteln, Gedächtnistraining, das Programm variiert. Heute wird die Zeitung vorgelesen, Meldungen aus der Wirtschaft. Bettina Manuth dreht sich zum Computer und beginnt zu tippen. Alle Abläufe müssen dokumentiert werden, etwa eine Stunde braucht sie dafür, an Tagen mit Arztvisiten länger.

Für Katja Eckert ist das einer der größten Kritikpunkte. Die penible Dokumentation raube Zeit, sagt die 39-Jährige. Zeit, die angesichts der dünnen Personaldecke kein Mitarbeiter habe. Da ist es wieder, das Seufzen. Eine Mischung aus Frust und Sorge, vielleicht auch Resignation.

Schon heute fehlen bundesweit Zehntausende Fachkräfte in der Altenpflege, Pflegeverbände gehen sogar von einer Lücke von rund 100.000 Vollzeitstellen aus. Mit Blick auf den demografischen Wandel und die steigende Zahl an pflegebedürftigen Menschen könnte sich dieser Engpass deutlich verschärfen. Der Deutsche Pflegerat etwa rechnet für 2035 mit einem Mangel von einer halben Million Pflegenden insgesamt.

Jede Woche müssen Anfragen von Angehörigen nach Pflegeplätzen abgelehnt werden

In Schwebheim ist bereits eines von drei Stockwerken geschlossen, alle Betten dort stehen leer – weil Personal fehlt. Katja Eckert macht das wütend. Fünf bis acht Anfragen von weinenden Angehörigen, die verzweifelt nach einem Pflegeplatz suchen, müssten sie pro Woche ablehnen. "Bei uns gibt es nur ein Bett, wenn ein Bewohner stirbt."

Was helfen würde? Mehr junge Menschen, die bereit sind, wirklich zu pflegen. Die auch mal ihr Privatleben hintenanstellen, sagt Eckert. Oder wenn sich mehr Ehrenamtliche finden würden, die stundenweise vorbeikommen und mit den Senioren reden, puzzeln, spielen. "Das würde uns entlasten."

So wie Eckerts Mutter, die gerade anfängt, Essen aus großen Behältern auf die Teller zu schöpfen. Der Duft heißer Frikadellen zieht ins Schwesternzimmer, an der Wand davor werden die Rollatoren geparkt. 11.30 Uhr: Zeit fürs Mittagessen. "Die Mahlzeiten sind zentraler Bestandteil des Tagesablaufs", sagt Bettina Manuth. Routine und Höhepunkt zugleich. Die Senioren kennen den Wochenplan genau, "da darf nichts durcheinanderkommen".

Beim Essen brauchen einige Bewohner Unterstützung. Zum Beispiel eine weißhaarige Dame, die ihren rechten Arm nicht mehr nutzen kann. Ihre Tischnachbarn rücken freundlich für mich zur Seite, ich zerkleinere die Frikadelle und häufe den Löffel voll. Zu voll, zu schnell, zu unsicher. Dann lerne ich: Die Seniorin führt mich, sie zeigt mir mit dem Finger an, wann sie für den nächsten Bissen bereit ist. Wir finden unseren Rhythmus.

Plötzlich wird es am Nebentisch laut. Ein Bewohner blockiert mit seinem Stuhl den Gang, eine ältere Dame kommt nicht vorbei. Als Katja Eckert den Senior um Platz bittet, wird er wütend, schimpft. Sie weist ihn ruhig zurück. Das gehöre dazu, sagt die 39-Jährige. "Manchmal fliegen hier auch Gläser." 

"Wenn die Politik nichts ändert, werden noch mehr Heime schließen und ambulante Dienste Touren streichen."
Monika Müller, Leiterin des AWO Seniorenzentrums Schwebheim

"Uns ist allen klar: Wir sind kein Hotel. Keiner der Bewohner ist freiwillig und gerne hier", sagt Eckert. Niemand wolle in ein Pflegeheim. Und ja, es gebe Missstände in der Pflege und Qualitätsmängel. Nicht überall und immer ist die Betreuung so, wie sie sein soll. Das erzeugt Wut, Ärger und Unverständnis bei den Angehörigen. All das müssten sie und ihre Kollegen aushalten, sich manchmal beschimpfen lassen. "Aber wir versuchen hier, einen guten Job zu machen."

Eckerts Blick geht nach draußen. Der Schnee. Ihr Versprechen an Antonia Schneider. Sie öffnet die Balkontür, formt flink einen Schneeball und zeigt ihn den Bewohnern. Die kalte Kugel wird herumgereicht. Antonia Schneider streicht mit dem Finger über das Weiß. Alle lachen, als Eckert zum Spaß einen Wurf auf einen der Senioren andeutet.

Nach dem Essen wollen sich einige Bewohner hinlegen. Ich begleite eine Seniorin in ihr Zimmer, versuche Halt zu geben, wenn die Beine zittern und die Schritte schwanken. Langsam erreichen wir das Bett. Die 81-Jährige sinkt auf die weiche Matratze, dreht sich auf die Seite, so dass sie aus dem Fenster das Schneetreiben beobachten kann. Ich breite die Decke über den müden Körper.

Gegen 13 Uhr steht der Schichtwechsel an. Dafina Dragoti und Suzana Mitro kommen ins Schwesternzimmer. Die beiden studierten Krankenpflegerinnen arbeiten seit 2020 in Schwebheim, für den Job sind sie von Albanien nach Deutschland gezogen. In ihrer Heimat würden sie nur 300 bis 400 Euro pro Monat verdienen, hier sind es deutlich über 3000.

Der Start in Unterfranken sei jedoch nicht einfach gewesen. Unzählige Formulare waren auszufüllen, Abschlüsse nachzuweisen. Unterstützung vom Staat hätten sie keine bekommen, aber "die Kollegen haben uns geholfen", sagt Dafina Dragoti. Vom ersten Tag an hätten sie Deutsch gelernt – und gepflegt. Ihre Familien konnten sie erst Monate später nachholen. "Oft war ich komplett kaputt", sagt Suzana Mitro. Sie ist mittlerweile stellvertretende Wohnbereichsleiterin im ersten Stock des Seniorenheims. Der Beruf sei anstrengend, ja. "Aber ich verstehe nicht, warum junge Leute Angst vor der Pflege haben – bei uns in Albanien sagt man, es gibt keine Arbeit ohne Mühen". Ohne die beiden jungen Frauen, sagt Katja Eckert, "wären wir aufgeschmissen".

Seit einigen Jahren werbe die AWO im Ausland gezielt Pflegekräfte an, sagt Einrichtungsleiterin Monika Müller. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) will Hürden dafür künftig abbauen. Reicht das? "Wir brauchen bessere Arbeitszeiten, die 35-Stunden-Woche, sowie höhere Zuschläge für Wochenenden und Feiertage", sagt Müller. "Aber Geld allein wird nicht reichen. Wenn die Politik nichts ändert, werden noch mehr Heime schließen und ambulante Dienste Touren streichen." Und dann? "Ich kann es nicht sagen."

Pflege ist körperlich fordernd und psychisch aufwühlend

Es ist 14 Uhr. Schichtende. Die acht Stunden in der Pflege waren lang und zu kurz zugleich. Lang, weil körperlich fordernd und psychisch aufwühlend. Zu kurz, weil sie doch nur eine Momentaufnahme des Pflegealltags zeigen. Ich ziehe den roten Kittel aus, wechsle von den Turnschuhen in die Schneestiefel. Die Füße sind müde, das Shirt ist verschwitzt. Im Kopf wirbeln die Gedanken.

Katja Eckert begleitet mich zum Ausgang, macht eine kurze Raucherpause. Die Luft ist kalt. In den umliegenden Gärten wachsen Schneemänner, auch Eckerts Kinder kommen aus der Schule. Feierabend aber hat sie längst noch nicht. Dienstpläne müssen gefüllt, Lücken gestopft werden. Die 39-Jährige zuckt mit den Schultern. Natürlich denke sie ab und zu daran, hinzuschmeißen.

Aber dann komme wieder so ein Moment, ein leises Lächeln aus grauen Augen, ein dankbarer Händedruck. Das ist der Grund, "deshalb stehen wir doch morgen wieder um 6 Uhr da".

Wie die Autorin die Recherche erlebt hat

Der Notstand in der Pflege beherrscht seit Jahren die Schlagzeilen. Als Journalistin schreibe ich regelmäßig über Pflegekräfte, Engpässe, Hilferufe – und bin doch zu weit weg. Das war der Anstoß für diese Geschichte. Hingehen und mitarbeiten, erfahren, wie es ist, zu pflegen – darum ging es. Ohne Filter, hautnah im Wortsinn. Für mich war es beklemmend, zu erleben, wie hilflos und verletzlich pflegebedürftige Menschen sind. Wie unwürdig es sein kann, wenn Körper oder Geist nicht mehr funktionieren. Und wie wichtig dann ein respektvoller Umgang ist, wie viel Würde ein Lächeln, eine Berührung und tröstende Worte zurückgeben können. Diese Eindrücke haben mich tief bewegt und noch lange beschäftigt. Danke an das gesamte Team in Schwebheim, dass das möglich war.
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