100 Jahre Betriebsräte: Die Mitbestimmung macht Deutschland stark
Betriebsräte sind nicht nur ein Gewinn für Arbeitnehmer, sondern für die Unternehmen selbst. Das zeigte sich eindrucksvoll während der Finanzmarktkrise.
Dass Deutschland wirtschaftlich trotz aller globalen Verwerfungen noch gut dasteht und Einbrüche besser als andere Länder übersteht, liegt an klugen Weichenstellungen. In der Finanzmarktkrise der Jahre 2008 und 2009 – und damit der größtmöglichen Belastungsprobe für ein Gemeinwesen – erwies sich, dass Deutschland elementare Vorzüge gegenüber anderen Volkswirtschaften genießt.
Dazu zählt die duale Ausbildung, also Lehrberufe, die sowohl auf praktischer wie theoretischer Qualifikation – und das auf hohem Niveau – fußen. Diese Säule ist die Basis für stetigen Facharbeiter- und Handwerkernachwuchs. Zudem wirkte sich unser von Brüssel zu Unrecht immer wieder gescholtenes dreigliedriges Bankensystem stabilisierend aus, denn während private Geldhäuser wankten, erwiesen sich Sparkassen und Genossenschaftsbanken als Fels in der Brandung eines international außer Rand und Band geratenen Kapitalismus.
Unternehmen profitieren von Betriebsräten
Der wesentliche Pfeiler des deutschen Erfolgsmodells ist jedoch die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern, ob in Betriebs- oder Aufsichtsräten. Insofern dürften sich beide Mitspieler des bewährten deutschen Modells der Sozialpartnerschaft heute anerkennend gegenseitig auf die Schulter klopfen. Denn vor 100 Jahren wurde mit dem Betriebsrätegesetz die Tradition einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe in vielen Firmen begründet.
Inzwischen ist auch wissenschaftlich belegt, wie segensreich Mitbestimmung für Betriebsinhaber ist. Unternehmen gedeihen oft dann gut, wenn die Anliegen der Beschäftigten Gehör finden. Das wurde während der Finanzkrise offenbar, wie die beiden Betriebswirtschaftsprofessoren Marc Steffen Rapp von der Uni Marburg und Michael Wolff von der Uni Göttingen untersucht haben. Demnach haben mitbestimmte Firmen in der Krise besser abgeschnitten als Unternehmen ohne Partizipation. Was erstaunlich ist und allen Unternehmern, die Betriebsräte lästig finden oder gar blockieren, zu denken geben sollte: Firmen mit Betriebsrat haben das Fiasko von 2008 mit besseren Renditen und Bewertungen am Kapitalmarkt überstanden.
Vor allem gelang es in einem gesellschaftlichen Kraftakt, an dem Betriebsräte maßgeblich beteiligt waren, die befürchteten Massenentlassungen zu verhindern. Dabei war es nicht allein die Ausweitung der Kurzarbeit durch die Bundesregierung, die ein Job-Desaster verhindert hat. Dank des Effekts konnten nach Untersuchungen zwar rund 250.000 Entlassungen verhindert werden. Aber durch vernünftiges und rasches Handeln auf Betriebsebene – also den Abbau von Arbeitszeitkonten und Überstunden sowie verkürzte Arbeitszeiten – konnten noch viel mehr Stellen gerettet werden. Forscher sprechen von bis zu 750.000.
Nur 42 Prozent der Firmen im Westen Deutschlands haben einen Betriebsrat
Überall im Land zahlte sich die Kooperation von Betriebsräten und Arbeitgebern aus. Deutschland kam schneller aus der Krise als andere Länder heraus. Daher ist es ein Unding, dass seit Mitte der 90er Jahre weniger Menschen von der Mitbestimmung profitieren. Der Anteil sank in Westdeutschland von 51 auf 42 Prozent, im Osten von 43 auf 35 Prozent. Der Erosionsprozess vollzieht sich gerade in Firmen zwischen 51 und 500 Mitarbeitern. Und das, obwohl Mitbestimmung in den nächsten Jahren wiederum zum Standortvorteil werden könnte, schließlich müssen die Beschäftigten angesichts von Digitalisierung, Elektrifizierung und Dekarbonisierung weiterqualifiziert werden. Das funktioniert besser mit engagierten Betriebsräten, deren Augenmerk der gesamten Belegschaft – also auch älteren Mitarbeitern – gilt. Wiederum geht es um den Erhalt hunderttausender Arbeitsplätze.
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Arbeitet ein Betriebsrat verantwortungsvoll mit der Unternehmensführung zusammen mag eine win-win-Situation entstehen. Das ist aber manchmal oder auch öfters nicht so der Fall. Es ist also ein zweischneidiges Schwert.
Auch wenn ich Ihren Ausführungen durchaus etwas Positives abgewinnen kann, spiegelt ihr Resumee keinesfalls die Wirklichkeit wider.