Zum Schutz der Berge: Was hinter dem bayerischen Alpenplan steckt
Vor 50 Jahren verabschiedete der bayerische Landtag den Alpenplan zum Schutz der Berge. Die Ziele sind aktueller denn je - doch Experten fordern mehr.
Es war vor mehr als fünf Jahren der überaus heftig diskutierte Plan für eine Skischaukel zwischen den Wintersportgebieten Grasgehren und Balderschwang über das Riedberger Horn: Dieses Projekt rückte den Alpenplan des Freistaats in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit. Denn um den Weg für das Vorhaben zu ebnen, hatte die CSU-geführte Staatsregierung im Jahr 2017 trotz massiver Proteste die Änderung des Alpenplans angestoßen und mit ihrer Mehrheit im Landtag durchgesetzt. Die Grenze der im Plan definierten strengen Schutzzone C wurde so verlegt, dass eine Skischaukel am Riedberger Horn genehmigungsfähig gewesen wäre.
Doch diese Entscheidung hatte nicht lange Bestand: Im Jahr 2018 wurde die Änderung zurückgenommen – nicht zuletzt, weil sich viele Bürgerinnen und Bürger sowie Naturschutzverbände vehement für den Erhalt des Alpenplans eingesetzt hatten, den es nun schon seit 50 Jahren gibt. Im September 1972 hatten ihn die bayerische Staatsregierung und der Landtag beschlossen. Seitdem soll der Plan den bayerischen Alpenraum vor unkontrollierter Erschließung schützen.
Der Alpenplan teilt Bayerns Berge in drei Zonen
Grob gesagt unterteilt das Regelwerk die bayerischen Alpen in drei unterschiedlich Bereiche: Die sogenannte Entwicklungszone A (35 Prozent der Alpenfläche im Freistaat) lässt Baumaßnahmen entsprechend der üblichen Regelungen zu. In Zone B (22 Prozent) ist die Zulässigkeit von Erschließungen eine Einzelfallentscheidung. In der Ruhezone C (43 Prozent) sind Verkehrserschließungen nicht erlaubt.
Und ein Teil der benötigten Flächen für die Skischaukel am Riedberger Horn lag in eben jener Zone C. Längst hat sich am Riedberger Horn alles in eine ganz andere Richtung entwickelt. Nachdem Ministerpräsident Markus Söder das Projekt überraschend gekippt hatte, sollten 20 Millionen Euro für die Stärkung eines naturverträglichen Tourismus im südlichen Oberallgäu bereitgestellt werden. So wurde 2020 das Alpinium – Zentrum Naturerlebnis Alpin (ZNAlp) – gegründet. Mehrere Mitarbeiter kümmern sich unter anderem um gefährdete Tiere und Pflanzen und sind in der Umweltbildung tätig. Rangerinnen informieren im Sommer wie im Winter vor Ort. Sie versuchen, die Besucherströme zu lenken.
Zum 50-jährigen Bestehen des Regelwerks ziehen Umweltverbände und Alpenverein eine positive Bilanz: „Dem Plan verdanken wir, dass es immer noch Berge ohne Seilbahnen, Speicherteiche oder Funpark-Elemente gibt“, sagt beispielsweise Hanspeter Mair, Leiter des Geschäftsbereichs Alpine Raumordnung beim Deutschen Alpenverein (DAV).
Ein Allgäuer machte den Anfang
„Der Alpenplan ist im internationalen Vergleich ein vorbildliches Instrument“, sagt der Oberallgäuer Diplom-Biologe Henning Werth vom Alpinium. Die Thematik sei heute „aktueller denn je“. Werth ist überzeugt: Diesem Regelwerk sei es zu verdanken, dass es in den bayerischen Alpen heute nicht so aussieht wie beispielsweise in manchen französischen Skigebieten, in denen regelrechte Retortenstädte nur im Winter bewohnt sind.
Was heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist: Es war ein Allgäuer, der bereits Mitte der 1960er Jahre die Untergliederung des Alpenraums in unterschiedliche Schutzzonen vorgeschlagen hatte. Dr. Fritz März (1927-2003), langjähriger Vorsitzender der DAV-Sektion Kempten und später Bundesvorsitzender des Bergsportverbands, gilt als der Ideengeber. Hintergrund der damaligen Überlegungen war die zunehmende Erschließung vieler Berge durch Bahnen und Lifte. So war beispielsweise geplant, eine Seilbahn auf den Watzmann zu bauen und auch das Koblat im Nebelhorn-Gebiet in den Allgäuer Hochalpen zu erschließen.
DAV: Seilbahnen müssen nachhaltig sein
„Der Alpenplan muss sich für die nächsten 50 Jahre unbedingt rüsten“, schreibt Professor Hubert Job von der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gesellschaft zum Jubiläum des Regelwerks. Als Herausforderung nennt er insbesondere den Klimawandel und die damit zunehmenden Hangrutschungen. Eine Ausweitung der Zone C diene dabei der Sicherheit von Siedlungsgebieten und Infrastruktur sowie dem Klima- und Naturschutz.
Der Alpenverein macht sich zudem dafür stark, die Regeln für den Bau und den Betrieb von Seilbahnen in den bayerischen Alpen zu ändern. Die Staatsregierung plane, die Förderrichtlinien unverändert fortzuschreiben, kritisiert Mair. Aus Sicht des DAV wäre es jedoch notwendig, die Förderung an Nachhaltigkeitskriterien zu knüpfen. So sollte beispielsweise geprüft werden, ob der Skibetrieb an dem jeweiligen Standort mittelfristig überhaupt noch möglich ist. Auch Aspekte wie Mobilitätskonzepte und die Belastung der Natur müssten künftig eine größere Rolle spielen als bisher, fordert der Alpenverein.
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