Er erfand das blaue L auf gelbem Grund - Langenscheidt-Urenkel wird 95
Er ist der Urenkel von Verlagsgründer Gustav Langenscheidt: Karl Ernst Tielebier-Langenscheidt. In gut 40 Jahren an der Verlagsspitze hat er viele neue Trends gesetzt.
Generationen von Schülern haben aus den Büchern mit dem blauen L auf knallgelbem Grund etwa Englisch und Französisch, Griechisch oder Latein gepaukt. Karl Ernst Tielebier-Langenscheidt, Urenkel des Verlagsgründers, hat das Logo erfunden. Am Mittwoch (27. Juli) wird der Verleger, der stets bescheiden im Hintergrund blieb, 95 Jahre alt.
1956 hatte Tielebier-Langenscheidt zum 100-jährigen Bestehen des Verlages das Logo eingeführt. Vielleicht war es sein Gespür für Formen, das den gelernten Betriebswirtschaftler und Ingenieur, der ursprünglich Architekt werden wollte, das Markenzeichen wählen ließ. Das L, so hoffte er, werde den Verlag wie ein "Anker" durch immer schwierigere Zeiten tragen.
Der gebürtige Berliner hatte das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Unternehmen wieder aufgebaut. Nach dem Mauerbau 1961 gründete er eine Niederlassung in München und trug zur Entwicklung der Verlagsstadt bei.
Langenscheidt stellte 1983 das erste elektronische Wörterbuch der Welt vor
Weitblick bewies Tielebier-Langenscheidt schon Ende der 1950er Jahre, als er den Massentourismus voraussah und Reise- und Sprachführer verlegte. In den 1970er Jahren brachte er angesichts zunehmender Migration frühzeitig Werke für Deutsch als Fremdsprache heraus. Internationale Kooperationen machten den Verlag, der bis vor wenigen Jahren Familienbetrieb war, im europäischen Raum bekannt.
Bei den damals neuen Medien Fernsehen und Computer war Langenscheidt als einer der ersten dabei. 1960 startete er in Zusammenarbeit mit der BBC und dem Bayerischen Rundfunk die ersten Fernsehsprachkurse. "Da hatten wir überall die Nase vorne", sagte er vor ein paar Jahren, nicht ohne Stolz.
Als die ersten Taschenrechner auf den Markt kamen, trieb er die Idee voran, diese Technik für ein elektronisches Wörterbuch zu nutzen. Seine Vorstöße bei Firmen in den USA und Deutschland waren ohne Erfolg. In Japan endlich fand er in dem Elektronikkonzern Sharp einen Partner. 1983 stellte er mit "alpha 8" das erste elektronische Wörterbuch der Welt vor.
Immer wieder wurden in der Familie Langenscheidt neue Techniken entwickelt
Die Entwicklung neuer Techniken hat Tradition in der Familie. Urgroßvater Gustav Langenscheidt, mit 18 Jahren quer durch Europa unterwegs, schrieb sich zum Lernen französische Wörter so auf, wie man sie spricht - und erfand damit Mitte des 19. Jahrhunderts eine erste praktikable Lautschrift. Als er dafür keinen Verlag fand, gründete er kurzerhand selbst einen. Sein Sohn Carl Langenscheidt brachte 1905 die ersten Sprachkurse auf Grammophonplatten heraus.
Sein Leben hat Tielebier-Langenscheidt, den seine Angestellten kurz "TL" nannten, den Büchern gewidmet. Doch ohne Bedauern konnte er sich eine Zukunft vorstellen, in der das gedruckte Buch eine immer geringere Rolle spielt. "Wenn man langfristig denkt, ist vorauszusehen, dass wir im digitalen Bereich landen", sagte er zu seinem 90. Geburtstag. Smartphone, Navigationsgerät und Internet gehörten für ihn da schon längst zum Alltag. Die Möglichkeit, Information kostenlos abzurufen, sei kulturell eine riesige Chance, sagte er. "Es ist eine Möglichkeit, Wissen in das breite Volk zu bringen, die es nie vorher gab."
Karl Ernst Tielebier-Langenscheidt hat nie die große Bühne gesucht
Seit dem Verkauf des Verlages 2011 hat sich der ehemalige Seniorchef, der unter anderem den Bayerischen Verdienstorden und den Chevalier des Arts et des Lettres (Orden des Ritters für Kunst und Literatur) bekam, zurückgezogen. Öffentliche Auftritte hat er inzwischen eher selten; im April war er bei Eröffnungsfeier in der neuen CSU-Parteizentrale in München-Schwabing dabei. Die große Bühne hat er nie gesucht - den Geburtstag will er jenseits der Öffentlichkeit verbringen, im Kreis seiner Familie, mit den Kindern, Enkeln und Urenkeln. dpa/AZ
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