Tausende Senioren haben Minijobs
Immer mehr Rentner in Deutschland gehen einer bezahlten Beschäftigung nach. Über die Motivation streiten Forscher mit den Gewerkschaften und dem Sozialverband
In Deutschland wollen oder müssen immer mehr ältere Menschen arbeiten. Ende 2011 gingen mehr als 760000 Menschen über 64 Jahren einer geringfügigen Beschäftigung nach, knapp 120000 Minijobber waren sogar älter als 74. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervor, die am Dienstag bekannt wurde. Seit den Arbeitsmarktreformen von 2003, mit denen die Zahl der Minijobs ohnehin deutlich anstieg, war die Zahl noch nie so hoch. So gab es etwa Ende 2004 nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit lediglich rund 650000 Minijobber, die 65 Jahre oder älter waren.
Anstieg der Altersarmut oder Spaß an der Arbeit?
Die Ursache für den Anstieg ist allerdings umstritten. Die Linke, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Sozialverband VdK sehen darin ein Indiz für zunehmende Altersarmut. Viele Rentner könnten sich nur noch mit Minijobs finanziell über Wasser halten, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. „Sie üben diese wenig attraktiven Jobs aus, um ihre karge Rente aufzubessern.“ Nach Ansicht des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist materielle Not hingegen nicht das Hauptmotiv, weil unter den arbeitenden Senioren auch viele hoch qualifizierte seien. „Viele wollen arbeiten, weil sie sich noch fit fühlen“, sagte der IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer der Süddeutschen Zeitung. Das Bundesarbeitsministerium wies zudem darauf hin, dass zu der Gruppe der Über-64-Jährigen nicht nur Rentner gehörten, sondern auch weiter aktive Selbstständige und Freiberufler. Zudem sei in den vergangenen Jahren die Zahl der älteren Menschen ebenfalls deutlich gestiegen. Der Zuwachs bei den betagten Minijobbern bewege sich im Vergleich dazu in „sehr überschaubaren Dimensionen“.Viele Menschen im Rentenalter arbeiten sogar noch mehr als nur auf 400-Euro-Basis: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit hatten zuletzt gut 154000 Senioren eine sozialversicherungspflichtige Stelle – etwa doppelt so viele wie Ende 1999. Mehr als die Hälfte waren sogar in einer Vollzeitstelle.
Ministerium sieht positiven Trend in der Gesellschaft
Nach Ansicht des Arbeitsministeriums zeigen diese Zahlen: „Wir sind auf dem Weg in die Gesellschaft des längeren Lebens und Arbeitens.“ Die Zahlen heizen allerdings auch die Debatte um die für diesen Mittwoch geplante Kabinettsentscheidung zur Rente an. Die Beiträge zur Rentenversicherung sollen nach den Regierungsplänen von derzeit 19,6 auf voraussichtlich 19,0 Prozent sinken. Die Grünen halten dies allerdings für das falsche Signal. Am Vortag hatte bereits die SPD damit gedroht, einen entsprechenden Kabinettsbeschluss im Bundesrat zu blockieren. (dpa)
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