Italienische Gerichtsposse: Zählt ein Sturz im Café als Arbeitsunfall?
Kaffeepausen folgen in Italien eigenen Regeln. Sie finden ritualisiert in der Bar des Vertrauens statt. Die so fast eine Art betrieblicher Dependance wird. Allerdings nur fast.
Die Kaffeepause gehört zu jedem richtigen Job dazu, sie wirkt in manchen Fällen geradezu wie der tiefere Sinn aller Beschäftigung. Je nach Chef, Chefin und Tätigkeit kann sie ausgedehnt oder muss unangenehm verkürzt werden. Manche Existenzen wirken gar wie eine einzige Kaffeepause, angesichts derer man nicht weiß, wer sich mit seiner Daseinsform irrt. Die Fleißigen, Pflichtbewussten oder die stets nach Espresso duftenden Müßiggänger und Müßiggängerinnen.
Wenn man sie einmal genauer beobachten würde, könnte man bemerken, dass eine Kaffeepause nach streng eingeübten Ritualen abläuft. Diese können sich bereits beim Einwurf des Kleingelds in den Kaffeeautomaten oder erst bei der Wahl der Gesprächspartner manifestieren. Kaffeepausen sind ein eigenes Universum, die Wissenschaft sollte sich ihnen widmen.
Frau stürzt in Kaffeebar und gibt Verletzung als Arbeitsunfall an
Angeblich werden weltweit täglich 2,6 Milliarden Tassen Kaffee getrunken, in bekanntlich ganz verschiedenen Formen. In Italien, wo die Kaffeekultur den Alltag umrahmt, heißt der Espresso „Caffè“ und kostet in der Bar manchmal noch weniger als einen Euro. Kaffeepausen werden hier nicht am Automaten oder in der Kaffeeküche durch einen Melitta-Filter ermöglicht, sondern in der Bar. Sie ist nach dem Selbstverständnis der Italiener und Italienerinnen eine Art institutionalisierte Kaffeeküche im öffentlichen Raum.
Diese Denkweise hat Konsequenzen. Rosana, eine Florentinerin, fiel im Jahr 2010 in Florenz zu Boden und brach sich – auf dem Weg von ihrem Arbeitsplatz zur Kaffeepause in der nahe gelegenen Bar – das Handgelenk. Ihrer Argumentation, bei der Bar handelte es sich um eine Art Dependance ihres Arbeitsplatzes, da die Kaffeepause schließlich eine Art unumgängliches Naturgesetz sei, folgten zwei Gerichte in erster und zweiter Instanz. Die Folge: Der italienische Staat in Form der gesetzlichen Unfallversicherung zahlte der Frau eine Entschädigung.
Der Oberste Gerichtshof in Rom hatte eine andere Rechtsauffassung
Nun aber landete der Fall nach fast zwölf Jahren vor dem Obersten Gerichtshof in Rom. Und der entschied eher nordisch-rational, dass eine Kaffeepause eben eine Kaffeepause sei und eine Bar eine Bar und kein Arbeitsplatz. Beim Kaffeegenuss während der Arbeitszeit handelte es sich den höchsten Richtern zufolge also um „kein natürliches Recht“, das sich vom Büro bis hin zur Bar und auf den dorthin führenden Weg ausdehne. Die Folge: Rosana bekommt keine Entschädigung mehr und muss die Gerichtskosten in Höhe von 5300 Euro übernehmen. Aus Florenz ist zu hören, dass die Italienerin ob des Urteils zwar einigermaßen angefressen sei, auf den Barbesuch in der Kaffeepause jedoch auch in Zukunft auf keinen Fall verzichten will.
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Und was hilft diese Meldung uns jetzt? In Deutschland ist bereits der Gang zu Toilette Privatvergnügen und daher kein Arbeitsunfall