Banken in Nullzins-Sackgasse - Warnung vor Strafzins für Sparer
Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon sieht seine Institute trotz der Nullzinspolitik gut gerüstet. Wie die Banken auf die schwierige Situation des Finanzsektors reagieren.
Dem Fahrer bringt es nichts, weiter auf das Gaspedal zu drücken, wenn er sich in die Sackgasse manövriert hat. Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon vergleicht die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) genau mit diesem Problem. Er verlangt von EZB-Chef Mario Draghi, „dringend das Signal zu senden, dass die EZB den Rückwärtsgang noch einlegen kann“. Sparer erhalten inzwischen kaum noch Zinserträge. Deshalb fehle aus Sicht von Fahrenschon der Anreiz, überhaupt Geld zur Seite zu legen.
Bald könnte sich die Lage in Deutschland zuspitzen: „Der Tag wird kommen, an dem der erste Strafzins für Sparer berechnet wird“, versichert Fahrenschon. Die Sparkassen allerdings – und das macht er deutlich – würden „alles geben“, dass es nicht so weit komme. Fahrenschon stellte sich bei einer Veranstaltung des Augsburger Presseclubs am Montagabend den Fragen von Stefan Stahl, Leiter der Wirtschaftsredaktion dieser Zeitung.
Sparkassenpräsident Fahrenschon zeigt sich alarmiert über die Geldpolitik der EZB
Der Sparkassen-Präsident war früher Finanzminister in Bayern. In Augsburg zeigte er sich alarmiert über die Geldpolitik der EZB. Auch wenn es bei vielen Banken in Europa kriselt: Das Geschäftsmodell Sparkasse sieht Fahrenschon nicht gefährdet. „Die Sparkassen haben den Vorteil, dass sie nicht blind in diese Situation hineingegangen sind“, sagt der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes zum Thema Nullzins. Die Geschäftsabschlüsse der Sparkassen sind „hervorragend, die Sparer suchen gerade jetzt das Gespräch mit den vertrauten Bankmitarbeitern“, so Fahrenschon.
Als Marktführer sieht der Verbandspräsident die Sparkassen in der Lage zu handeln. Sie hätten die Probleme seit Längerem kommen sehen. „Die Institute sind stabil“, meint Fahrenschon, „weil sie von der örtlichen Wirtschaft profitieren“. Gerade in Schwaben gebe es wirtschaftlich starke Unternehmen. Er verweist auf die mittelständischen Betriebe, die weltweit erfolgreich sind, die sogenannten „Hidden Champions“. In Deutschland gibt es davon 1307, eine Zahl, die Fahrenschon auswendig weiß.
„Trotzdem lassen sich Umstrukturierungen bei den Sparkassen auf Dauer nicht vermeiden“, ist Fahrenschon überzeugt. Und er fügt hinzu: „Wir sehen ja den Zinsertrag, da geht es uns genauso wie den Kunden.“ Am Ende müsse klar sein, dass auch die Sparkassen leiden. Ohne Umstrukturierungen gehe es nicht. Schon im März wurde bei der Bilanzpressekonferenz der Sparkassen-Dachorganisation bekannt gegeben, dass 2015 ganze 6427 Stellen bundesweit nicht neu besetzt wurden. „Die Fluktuation müssen wir nutzen, es sind Unternehmensentscheidungen gefordert“, sagt der 48-jährige Verbandspräsident.
Fahrenschon: "Nullzinsen setzen komplett falsche Anreize"
Fahrenschon begründet die Schließung von Sparkassen-Filialen, vor allem auf dem Land. Demnach liege eine solche Entscheidung auch am Service, der inzwischen im Internet genutzt wird. „Viele Nutzer haben ihre Filiale in der Hosentasche“, meint Fahrenschon mit Blick auf das Online-Banking per Smartphone. Die Einstellung zum Kunden werde sich aber nicht ändern, verspricht der Verbandschef. Dieser müsse weiter im Vordergrund stehen. Dennoch spricht sich Fahrenschon gegen eine Zentralisierung der Banken aus und verwendet dafür eine weitere Metapher: „Ein Ozeanriese fährt nicht ohne Schotten, sonst geht im Ernstfall das ganze Schiff unter.“
Unter der Politik der EZB leiden immer mehr Kommunen, Krankenversicherungen, Bausparkassen, Lebensversicherungen und Sparer. „Nullzinsen setzen komplett falsche Anreize“, warnt Fahrenschon. Und: „Zinsen belohnen eigentlich Menschen für den Verzicht auf Konsum und warnen vor zu riskanten Entscheidungen.“ Doch in der Nullzinsära stagniere das Sparen. Deshalb fordert Fahrenschon von der EZB Anreize, sodass es sich für Bürger wieder lohne, Geld zurückzulegen.
Dabei macht er folgende Rechnung auf: 60 Prozent der Sparkassenkunden hätten am Ende des Monats nichts übrig, nur 14 Prozent seien in der Lage, 100 Euro auf die hohe Kante zu legen. Diese Kunden könne man auch nicht mit Aktiengeschäften locken. Sie müssten gut informiert werden, wo sie ihr Geld anlegen sollten und welches Risiko für sie sinnvoll sei.
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