Eine kriminelle Organisation sammelt Bargeld von Drogenhändlern in der gesamten EU und lässt es von Kurieren in einen Mitgliedstaat schaffen, in dem es keine Obergrenze für Cash-Zahlungen gibt. Dort kauft eine Briefkastenfirma Gebrauchtwagen, schwere Maschinen und Baugeräte, die sie in den Irak exportiert und dort wieder verkauft. Das Geld war gewaschen.
Das Beispiel stammt aus den Akten der europäischen Polizeibehörde Europol. Die EU-Kommission zitiert es in einem bisher unveröffentlichten Papier über eine Reform ihrer Bemühungen gegen Geldwäsche. Das Fazit der EU-Behörde: „Wegen seiner Anonymität und mangelnden Rückverfolgbarkeit erleichtert Bargeld das Waschen illegaler Gelder. Wenn es um Strafverfolgung geht, ist es schwierig, eine Verbindung von Bargeld und krimineller Aktivität nachzuweisen.“
EU will eine Obergrenze von 10.000 Euro für Zahlungen mit Bargeld
Mairead McGuinness, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und die Bankenunion, will diesen Aktivitäten nun einen Riegel vorschieben. Spätestens im Juli soll der nunmehr sechste Anlauf zur Verschärfung des Kampfes gegen Geldwäsche vorgelegt werden. McGuinness: „Das neue Paket wird der Big Bang sein.“ Geplant ist eine EU-Behörde, die diese Finanzierungsströme aufdecken kann und dann auch mit den Kompetenzen ausgestattet ist, Ermittlungen aufzunehmen. Zudem soll eine Obergrenze bei 10.000 Euro für Bargeldzahlungen gezogen werden. Die EU-Kommissarin sagte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „So viel Geld in den Taschen herumzutragen, ist ganz schön schwer. Die meisten Menschen machen das nicht.“ 18 der 27 EU-Mitgliedstaaten haben Obergrenzen, die aber völlig unterschiedlich sind. Neun Länder, darunter auch Deutschland, erlauben Bargeldzahlungen in nahezu unbegrenzter Höhe.
Sven Giegold, Finanzexperte der Europafraktion der Grünen, zitiert gegenüber unserer Redaktion aus Gesprächen mit ausländischen Fahndern, die sich darüber beklagen, dass „Deutschland als attraktiv gilt, um dort Geld zu waschen“. Mit hohen Summen würden teure Mode, hochwertiger Schmuck und Antiquitäten sowie Fahrzeuge und Immobilien der Extraklasse gekauft. Die Finanzkriminalität sei nur mithilfe einer Spezialbehörde und einer Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft zu bekämpfen.
EU-Politiker betonen: keine Attacke auf das Bargeld
Auch Markus Ferber (CSU), Finanzexperte und EU-Parlamentarier, betonte gegenüber unserer Redaktion die Wichtigkeit einer zentralen schlagkräftigen Institution. „Der Informationsaustausch der Finanzbehörden untereinander funktioniert nicht, grenzüberschreitende Verdachtsfälle werden nicht konsequent genug verfolgt.“
Nach fünf Anläufen für eine Geldwäsche-Richtlinie will Kommissarin McGuinness nun die Mitgliedstaaten mit einer Verordnung zwingen, ihr nationales Recht anzupassen und endlich aktiv zu werden. Immerhin schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF) den Umfang der globalen Geldwäsche auf pro Jahr vier Billionen Dollar (3,29 Billionen Euro).
Europol selbst räumt ein, dass die bisherigen Fahndungsergebnisse gegen die Kriminellen wenig erfolgreich seien: Lediglich ein Prozent der Gelder, die gewaschen werden, konnte konfisziert werden. Doch die EU-Kommissarin wie die Abgeordneten wissen, dass sie ein sensibles Thema anpacken. „Es geht nicht um eine Attacke auf das Bargeld“, betont Ferber und Giegold ergänzt: „Niemand will den Bürgern ihr Bargeld wegnehmen. Diese Hysterie wird geschürt.“ Tatsächlich dürfte eine Obergrenze für Bargeldgeschäfte die normalen Verbraucher kaum betreffen. Das zeigen auch die Erfahrungen der EU-Staaten, die bereits aktiv geworden sind. Die Zahl derer, die diese oder höhere Summen im Köfferchen mit sich herumtragen, ist begrenzt.
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