Börsenexperte: „Herr Trump schießt sich ins eigene Bein“
Börsenfachmann Frank Lehmann erklärt, weshalb Privatanleger trotz des Handelsstreits mit den USA gelassen bleiben sollten. Wo er sein Geld jetzt anlegen würde.
Herr Lehmann, die ganze Wirtschaftswelt spricht über den Handelskonflikt mit den USA. Droht da eine Eskalation und damit ein Einbruch an der Börse?
Frank Lehmann: Die Lage ist unsicher und das verunsichert die Börse. Aber ich denke nicht, dass US-Präsident Donald Trump noch weiter Öl ins Feuer kippen wird. Herr Trump schießt sich ja ins eigene Bein. Er wird sich noch umschauen, wie seine Bürger reagieren, wenn durch die Einfuhrzölle zum Beispiel die Waschmaschinen teurer werden...
Wie stark haben die Zölle denn die Börsianer verunsichert?
Lehmann: Klar, die Börsianer warten ab. Grund ist neben der US-Politik auch der Aufstieg der Autokraten – von Russlands Präsident Putin bis zum türkischen Präsidenten Erdogan. Bisher hält sich die Börse aber relativ stabil. Der Dax lag im Januar bei 13500 Punkten, jetzt sind es über 12500 Punkte, also gerade 1000 Punkte weniger. Politische Börsen, sagt man, haben kurze Beine. Das bestätigt sich hier. Was für die Börse viel wichtiger ist, sind die Gewinne der Unternehmen.
Wie sieht es bei den Gewinnen aus?
Lehmann: Die US-Wirtschaft zum Beispiel wächst gut – um rund vier Prozent. Jetzt bekommt sie durch Trumps Steuerreform noch ein Sahnehäubchen oben „druff“. Solch ein Wachstum ist längst ungesund, weil es mit einer massiven Verschuldung der USA einhergeht. Die US-Notenbank wird deshalb bald ihre Zinsen erhöhen müssen.
Auch mit China tragen die USA einen Handelskonflikt aus. Zölle über 34 Milliarden Dollar hat Trump bereits durchgesetzt, weitere werden geprüft. Läuft das etwas aus dem Ruder? China ist ja zentral für die Weltwirtschaft...
Lehmann: Die chinesische Wirtschaft wächst und ist relativ stabil. Das größere Problem in China könnte eines Tages die massive Verschuldung des Landes werden. Was den Handel betrifft, gehen nur 20 Prozent der chinesischen Exporte in die USA, der Rest nach Europa und andere Regionen. Und jetzt wird es interessant: Die EU hat diese Woche in der Handelspolitik Deals mit China gefunden und unterzeichnet. Europäischen Firmen wird gestattet, dass sie chinesische Firmen komplett übernehmen können statt nur einen Minderheitsanteil. Die Wirtschaftsbeziehungen mit China werden also tiefer. Jetzt dampft die EU auch nach Japan und macht dasselbe... Die Weltwirtschaft orientiert sich neu. Für Herrn Trump werden die Zölle zum Bumerang! Und was bei seinem Treffen mit Putin rauskam, ist ja erbärmlich.
Also muss Europa stärker nach Asien schauen als nach Amerika?
Lehmann: Die Wirtschaft ist hochflexibel. Wenn man merkt, dass es in den USA nicht mehr funktioniert, macht man andere Märkte auf. Das passiert gerade zwischen Europa und Asien. Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel hat dies als eine drastische Änderung der Weltordnung beschrieben, wie sie nur alle hundert Jahre vorkommt. Es wird drei große Blöcke geben: Nordamerika, Europa und Asien. Die Börse sagt bereits seit Jahren, dass man überall vertreten sein muss. Die Weltwirtschaft wächst um 3,8 Prozent. Das ist sehr stabil!
Sie sehen also keine Gefahr eines Börseneinbruchs?
Lehmann: Wenn die Unternehmen massiv betroffen wären von der amerikanischen Politik, wird es eng. Bisher sehe ich das nicht. Oder schotten sich die Chinesen massiv ab? Machen sie nicht. Schotten sich die Japaner massiv ab? Machen sie nicht. Wenn dann noch die Amerikaner die Zinsen massiv erhöhen würden, dann hätten wir einen Einbruch an den Börsen. Das aber wird nicht passieren.
Welche Chancen bietet ein japanisch-europäisches Freihandelsabkommen?
Lehmann: Da gehen Zollgrenzen herunter. Die Japaner empfangen uns mit offenen Armen. Das ist doch toll! Was die Amerikaner an Zöllen einführen, wird dort abgebaut. Selbst deutsche Unternehmen wie Bayer orientieren sich inzwischen anders, Richtung Asien. Die Unternehmen werden einen Teufel tun und wegen Trump die Hände in die Taschen stecken. Sie sind flexibel, das ist das Tolle an der Wirtschaft.
Wie soll sich derzeit der Anleger verhalten, der zum Beispiel einen Fonds-Sparplan laufen hat?
Lehmann: Die Unsicherheit hält die Börse natürlich gefangen. Einen laufenden ETF-Sparplan würde ich um Gottes Willen nicht kündigen! Wenn man aber gerade neu abschließt, würde ich nicht in ETFs gehen, sondern lieber nachsehen, welche Aktien von einem Handelskrieg weniger betroffen wären, aus dem Konsumbereich zum Beispiel. Man kann auch nach speziellen Fonds schauen. Macht also Rosinenpickerei!
Die Situation ist also kein Grund, an der Aktien zu zweifeln?
Lehmann: Nein, ein konservativer Anleger sollte 30 bis 40 Prozent Aktien halten, der offensive 60 Prozent. Und das breit gestreut! Dazu attraktive Unternehmensanleihen und ein bisschen Gold... Der Goldpreis ist gerade etwas angeknackst. Daran sieht man, dass die Leute nicht so verängstigt sind, wie man denken könnte. Bei einer richtigen Krise müsste der Goldpreis stark steigen.
Hatten Sie selbst denn auch Glück mit Aktien?
Lehmann: Ich bin ja einer, der nicht spekuliert und nach 14 Tage die Papiere wieder verkauft. Ich investiere. Das sind ganz langfristige Dinge. Ich bin ja Familienvater. Ab und zu gucke ich dann „druff“ und freue mich. Das Schöne an Aktien ist ja nicht der Kursgewinn, der ist das Sahnehäubchen. Das Schöne ist die Dividende. Die Dax-Firmen werden dieses Jahr zwischen 36 und 38 Milliarden Euro an Dividenden ausschütten. Liebe Leute, investiert doch die Dividende gleich wieder in neue Papiere! Dann baut man Vermögen auf! Auch wenn ich selbst das nicht mehr machen muss, weil ich, Entschuldigung, über 70 bin...
Vermissen Sie eigentlich das Fernsehgeschäft?
Lehmann: Nö. Ich bin ja viel unterwegs und halte zum Beispiel auch an Schulen Vorträge über Marktwirtschaft... Das macht Spaß! Und dann spiele ich mit meinen Enkeln.
Zur Person Frank Lehmann, 76, moderierte lange die „Börse im Ersten“ in der ARD. Der Wirtschaftsjournalist und studierte Betriebswirt lebt in Hanau.
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