Der Minister und die Krise
Berlin - Peer Steinbrück war sich sicher: Ein staatlichesMilliardenpaket, wie die US-Regierung es für ihre gebeutelten Bankenschnürt, sei in Deutschland weder nötig noch sinnvoll.
Von Rudi Wais
Berlin - Peer Steinbrück war sich sicher: Ein staatliches Milliardenpaket, wie die US-Regierung es für ihre gebeutelten Banken schnürt, sei in Deutschland weder nötig noch sinnvoll.
Als käme er direkt aus einem kapitalismuskritischen Proseminar, attackierte er die amerikanische Administration, ihren naiven Glauben an die Freiheit der Märkte und den fehlenden Mut zur Regulierung: "Einmal mehr scheint es so zu sein, dass sich ein System, das maßlose Übertreibungen ermöglicht und geduldet hat, letztlich selbst aufhebt." In der Bundesrepublik dagegen, suggerierte der Finanzminister, "sind die Verhältnisse anders".
Keine zwei Wochen später hat die Realität auch Peer Steinbrück eingeholt - und das schon zum zweiten Mal. Nur wenige Stunden nach seinem temperamentvollen Auftritt vor dem Bundestag, bei dem er zwar enorme konjunkturelle Risiken einräumte, sich aber jeden Vergleich mit den USA verbat, erreichte ihn am Donnerstag vorvergangener Woche die Nachricht vom drohenden Kollaps der Hypo Real Estate.
Am Samstagabend schließlich war auch die von Steinbrück eingefädelte Milliardenbürgschaft des Bundes für Europas größten Immobilienfinanzierer ihr Papier nicht mehr wert: Die Risiken dort übersteigen die bislang angenommenen 35 Milliarden bei Weitem.
Bis tief in die Nacht hinein verhandelten der Finanzminister und seine Spitzenbeamten gestern über ein neues, noch größeres Rettungspaket. Ob Steinbrück selbst dabei ein Teil der Lösung oder womöglich sogar ein Teil des Problems ist, ist allerdings noch unklar. Recherchen des Spiegel jedenfalls werfen kein vorteilhaftes Licht auf das Krisenmanagement des selbstbewussten Sozialdemokraten: Danach hatte der Finanzminister es nicht einmal für nötig gehalten, zu den Gesprächen über die Rettung des angeschlagenen Dax-Konzerns in Frankfurt einen Vertreter seines Ministeriums zu entsenden, obwohl schon früh klar war, dass die Bundesregierung vermutlich mit einer Bürgschaft würde einspringen müssen.
Selbst nach einem Brandbrief von Bundesbankpräsident Axel Weber und Jochen Sanio, dem Chef der Bankenaufsicht, habe es damals noch einen ganzen Tag gedauert, ehe Steinbrücks Staatssekretär Jörg Asmussen in Frankfurt auftauchte. Das Scheitern des ersten Rettungspaketes, sagt der FDP-Haushälter Jürgen Koppelin, sei so gesehen auch "ein Scheitern der politisch Verantwortlichen".
Wie vom Milliardendebakel bei der Düsseldorfer IKB-Bank wurde der Finanzminister nun offenbar auch vom Zerplatzen des ersten Rettungspaketes für die Hypo Real Estate überrascht. Noch am Samstagnachmittag hatte sein Sprecher Torsten Albig versichert, ihm sei nicht bekannt, dass das Paket gefährdet sei. Später musste er zerknirscht einräumen, der Bund sei vom Vorstand des gefährdeten Institutes nicht vorab über die neue Sachlage informiert worden.
Steinbrück selbst sagt, das neuerliche Liquiditätsloch und das Vorgehen der Bank hätten ihn "entsetzt". Mitverantwortlich allerdings fühlt er sich nicht. Im Gegenteil: Vor Beginn der Krisenrunde gestern ließ er seinen Vertrauten Albig bereits ausrichten: "Wir müssen sehen, wie wir die Scherben, die die uns vor die Tür gekippt haben, wieder zusammenkehren."
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