Deutsche arbeiten selten von zu Hause
Viele Bürger würden gerne in den eigenen vier Wänden arbeiten. Homeoffice hat Vorteile, wird aber selten umgesetzt. Sind die Chefs zu misstrauisch?
Während sich die meisten Angestellten durch den morgendlichen Verkehr quälen, setzt sich der Heimarbeiter gemütlich an seinen Rechner und schlürft seinen Kaffee. Als sein Kollege im Büro ankommt, hat er schon die ersten E-Mails geschrieben und nebenbei die Katze gestreichelt. Heimarbeit klingt schön – doch sie ist nur für wenige Realität.
Gerade mal 7,4 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten manchmal oder überwiegend zu Hause. Das ist weit unter dem EU-Durchschnitt von 10,1 Prozent. Und die Tendenz in Deutschland geht sogar zu noch weniger Heimarbeit. 2008 lag der Wert noch bei 9,5, seitdem sinkt er. Dabei bietet die Arbeit zu Hause viele Vorteile, wie Volkswirt Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung erklärt. Der Angestellte spart Zeit und Geld, weil er nicht zur Arbeit fahren muss. Wenn er dank Homeoffice Beruf und Familie unter einen Hut bekommt, ist er zufriedener und produktiver. Er arbeitet auch mehr, was die Arbeitgeber freuen dürfte.
Homeoffice bietet Chancen, ist aber verpönt
Eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung belegt, dass Angestellte, die frei über ihre Arbeitszeit bestimmen, mehr arbeiten als Kollegen mit festen Arbeitszeiten. Auch die Industrie- und Handelskammer Schwaben sieht im Homeoffice eine gute Möglichkeit für Firmen, um Fachkräfte zu gewinnen, die sonst nicht infrage kämen, etwa weil sie weit weg vom Büro wohnen. Warum also ist das Homeoffice hierzulande so verpönt?
So richtig weiß es niemand, sagt Wissenschaftler Brenke. Zu dieser Frage gebe es bisher so gut wie keine Studien. Klar ist, dass in vielen europäischen Ländern viel mehr Angestellte zu Hause arbeiten. 26,3 Prozent sind es in Schweden, 17,2 in der Schweiz, 15,6 in Österreich – mehr als die 7,4 Prozent in Deutschland. Da diese Länder wirtschaftlich ähnlich entwickelt sind, liege der Schluss nahe, dass die deutsche Unternehmenskultur mehr Heimarbeit verhindert, sagt Brenke. In sehr vielen Firmen herrsche eine traditionelle Präsenzkultur. Chefs setzen häufig Präsenz mit Leistung gleich, erläutert Brenke. Viele Chefs können auch nicht formulieren, welche Leistung sie vom Mitarbeiter erwarten. Zudem gebe es noch viele „Kontrollfreaks“, die den Angestellten eine eigenverantwortliche Arbeit nicht zutrauen. Dass sich Vertrauen aber auszahlt, zeigt Fujitsu in Augsburg.
Der Computerhersteller Fujitsu bietet in Augsburg schon seit langer Zeit Homeoffice an. Allerdings nicht in der Fertigung, wo die Menschen in den Werkhallen an den Maschinen arbeiten müssen. Pressesprecher Michael Erhard erzählt, dass die Erfahrung mit dem Homeoffice positiv sei. Die Mitarbeiter seien zufriedener und produktiver, wenn sie diese Option haben. Einen großen Vorteil des Homeoffice sieht er darin, dass man in Ruhe konzentriert arbeiten kann. Vor allem bei größeren Projekten sei das sehr gut, sagt Erhard. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles glaubt, dass immer mehr Angestellte solche Möglichkeiten haben wollen, wie sie Fujitsu anbietet.
Manche Forscher warnen vor der Arbeit von zu Hause
Doch lediglich etwa ein Drittel der Unternehmen bietet das Homeoffice an. Nahles fordert deswegen Firmen dazu auf, die Möglichkeit der Heimarbeit anzubieten. Sie glaubt auch, dass die deutsche Präsenzkultur die weitere Verbreitung des Homeoffice verhindert. Zudem mache die mangelnde Breitbandversorgung in manchen Regionen die Heimarbeit schwierig. Doch vielleicht ist die Arbeit zu Hause für Angestellte gar nicht so vorteilhaft, wie es oft heißt.
Der Forscher Martin Braun vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation macht darauf aufmerksam, dass die Arbeit im Homeoffice eine sehr prekäre Beschäftigungsform sein kann. Es gebe viele „Click-Worker“. Diese digitalen Fließbandarbeiter erledigen zu Hause am Computer eintönige Arbeiten für wenig Geld, beispielsweise geben sie für Firmen Daten in Formulare ein.
Er warnt davor, sich zu viel vom Homeoffice zu erwarten. Zu Hause arbeiten und nebenher die Kinder betreuen, das funktioniere seiner Erfahrung nach nicht. Das gehe höchstens für ein paar Tage gut, wenn zum Beispiel das Kind krank ist.
Trotzdem könne das Homeoffice dazu beitragen, Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bringen. Es hilft bei der Organisation des Familienalltags, wenn man beispielsweise in der Nähe des Kindergartens wohnt und zu Hause arbeitet. Homeoffice biete die Chance, die Arbeit individueller zu gestalten. Heimarbeit sei vor allem sinnvoll, wenn die Angestellten Präsenzzeiten mit der Arbeit im Homeoffice abwechseln.
Auf die Frage, warum wenige so arbeiten, sagt auch Braun, es gebe hierzulande viele traditionelle Mittelständler, die ungern die enge Kontrolle über die Angestellten abgeben. Und für die es bequemer ist, die Mitarbeiter zu koordinieren, wenn sie alle im Büro sind. Außerdem arbeiten manche Angestellte mit sensiblen Daten, etwa bei Banken. Diese Daten sind auf heimischen Rechnern weniger sicher. Und es gebe administrative Hürden, sagt Braun. Der Arbeitgeber muss beispielsweise klären, wie er den Heimarbeiter versichert.
Oft seien es aber die Angestellten, die das Homeoffice ablehnen, sagt Braun. Viele wollen nach einer Weile zurück ins Büro, um soziale Kontakte zu pflegen, Informationen zu bekommen und sich präsentieren zu können. Während der Arbeit die Katze zu streicheln mag ganz angenehm sein. Doch für die Karriere und angenehme Arbeitsbeziehungen ist der persönliche Kontakt mit Kollegen wichtig.
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