Dirk Müller in Gersthofen: "Mr. Dax" und die Lust am Crash
Dirk Müller war einst „Mr. Dax“. In seinen Büchern reiht der Finanzexperte heute mitunter krude Theorien aneinander. Auf der Bühne gibt Müller sich zahmer.
Dirk Müller steht noch nicht auf der Bühne, da ist der Ton des Abends schon gesetzt. Aus den Boxen dröhnt „We’re Not Gonna Take It“, ein Rock-Song der 80er-Jahre-Band Twisted Sisters, die ewige Hymne aller Ungehorsamen und Enttäuschten. „We’re Not Gonna Take It“, ruft Müller noch einmal, als er kurz darauf auf der Bühne der Stadthalle Gersthofen steht, zu Deutsch: Wir lassen uns das nicht gefallen. Der Börsenexperte, den die meisten nur als „Mr. Dax“ kennen, meint damit die Medien, die Parteien, das, was er „die Eliten“ nennt.
In seinen Büchern geht es regelmäßig um diese Dinge: Geheime Netzwerke, Verschwörer und abgehobene Zirkel, gegen die man sich wehren muss. Manch einem verärgerten Zuschauer dürfte die Wir-haben-es-satt-Hymne aber auch unabhängig davon aus dem Herzen gesprochen haben: Die Show fängt wegen eines Ticket-Problems 40 Minuten später an. Statt Jubel und Begeisterung gibt es erst mal Grummeln und Augenrollen.
Müller entschuldigt sich brav, dann geht es weiter im Programm. „Lasst den Bullen los“ heißt die Bühnen-Show, mit der Mr. Dax seit dem vergangenen Herbst durch Deutschland tourt. Müller macht darin das, was er seit Jahren macht: die Welt der Aktien erklären. Er spricht über Wertpapiere, referiert über Anlagestrategien und erklärt, warum Gefühle im Börsengeschäft fehl am Platz sind. Müller steht an einem Casino-Tisch und spricht übers Zocken. Er tänzelt vor einem Fußballtor auf und ab, vergleicht die Nokia-Aktie mit Lothar Matthäus und das Apple-Papier mit dem Fußballer Neymar. Infotainment nennt sich diese Art der Veranstaltung: Es geht um Zahlen, um Fakten, aber eben auch um Unterhaltung.
Dirk Müller fing einst als Börsenhändler an
Müller beherrscht diese Form. Er kann auf der Bühne gut erzählen, er ist nahbar, eine Mischung aus Atze Schröder und Reiner Calmund. Das ist wohl auch das Geheimnis seines Aufstiegs vom einfachen Börsenmakler zum gefragten Aktienexperten. Müller, der gelernte Banker, hatte einst als Händler auf dem Parkett der Frankfurter Börse angefangen, Anfang der 90er war das. Auf der Bühne präsentiert er den Zuschauern die roten Hosenträger, die er an seinem ersten Arbeitstag getragen hat. Er habe aussehen wollen wie sein Idol Gordon Gekko, der gierige Börsenhai aus dem Film „Wall Street“. Letztlich, erzählt Müller, sei er aber „der einzige Idiot“ gewesen, der sich so angezogen hatte.
Müllers Glück war damals, dass sein Schreibtisch genau unter der großen Anzeigetafel stand, auf dem die Dax-Kurve nach oben oder nach unten ausschlug. Die Fotografen lichteten den Aktienkurs ab – und Müller, der sich bereitwillig fotografieren ließ, gleich mit. Die Bilder aus jenen Jahren zeigen Müller, der die Hand vor den Mund schlägt, der skeptisch auf die Anzeigetafel blickt oder sich an den Kopf fasst. Er wurde zu jenem Mann, der all den abstrakten Aktiengeschäften ein menschliches Gesicht verlieh, „Mr Dax“, einige ausländische Journalisten schrieben sogar von „Dirk of the Dax“. Immer öfter gab Müller danach Interviews, saß als Börsenerklärer in den Talk-Shows von Anne Will und Markus Lanz.
Müller will kein Verschwörungstheoretiker sein
Bei diesen Gelegenheiten kann sich Müller auch schon mal in Rage reden. Er wettert dann gegen den Euro, gegen Griechenland. Er spricht über komplizierte Geheimdienst-Pläne, auf seinem YouTube-Kanal beschwört er „Die Gefahr eines 3. Weltkriegs“, er skizziert eine „Welt in Flammen“ oder referiert über „Lügengeflechte in der Politik“. Er vermutet hinter 9/11 eine Verschwörung und glaubt, dass sich die USA riesige Gasvorkommen im Mittelmeer sichern wollen.
Regelmäßig wehrt sich Müller gegen den Vorwurf, ein Verschwörungstheoretiker zu sein. Er beruft sich dann auf Recherchen und Fakten, auf seine Meinungsfreiheit. Seine Anhänger goutieren diese Gegen-den-Strom-Haltung. Die drei Bücher, die Müller in den vergangenen zehn Jahren geschrieben hat, wurden allesamt zu Bestsellern.
Auf der Bühne in Gersthofen gibt sich Müller zahmer als im Internet oder in seinen Büchern. Er beschränkt sich vor allem auf seine Witze, beschwört keinen Crash und keinen Untergang. Nur einmal klingt der Verschwörungstheoretiker durch: Die USA, sagt Müller, würden alles tun, um amerikanische Technik-Unternehmen wie Apple zu schützen – weil sie über deren Handys Zugang zu den Daten und Informationen der Eliten hätten. Es ist ein Exkurs, der nicht viel mit seinem eigentlichen Thema zu tun hat. Aber ganz lassen kann Dirk Müller das Zündeln offenbar nicht.
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