Droht ein Brezn-Streik zum Wiesn-Finale?
Die bayerischen Bäcker wollen verhindern, dass sie weniger Urlaub bekommen und häufiger an Sonntagen arbeiten müssen. Kommt es ausgerechnet zum Oktoberfest zu Streiks?
Am 19. September beginnt das 182. Münchner Oktoberfest. Brezn spielen dabei eine zentrale Rolle. Wer ein zünftig gesalzenes Exemplar verdrückt, hat gleich noch mehr Durst. Bier und Backwerk gehen in Bayern eine für Brauereien und Wirte optimale Gemeinschaft ein. Ausgerechnet zum Wiesn-Finale vom 1. bis 4. Oktober könnte es aber zu Störungen des bajuwarisch-symbiotischen Bundes kommen. Denn dann herrscht keine Friedenspflicht mehr im Bäckerhandwerk des Freistaats.
Streiks sind nicht ausgeschlossen
Nach Informationen unserer Zeitung schließen Vertreter der für die Branche zuständigen Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Warnstreiks nicht aus, fühlen sie sich doch durch Forderungen der Arbeitgeberseite massiv provoziert. So könnte ab 1. Oktober der Brezn-Nachschub für das Oktoberfest durch Arbeitsniederlegungen bei Groß-Bäckereien gebremst werden.
NGG-Landessekretär Johannes Specht ist empört: „Die Arbeitgeber machen da ein Fass auf.“ Angezapft wurde es vom Landes-Innungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk. Die Organisation hat die Regelung zur Altersvorsorge und den Manteltarifvertrag gekündigt. Letztere Vereinbarung ist deshalb so wichtig, weil sie wesentliche Bestimmungen wie etwa zur Arbeitszeit oder zu Urlaubstagen enthält und für allgemein verbindlich erklärt wurde.
Mehr Sonntagsarbeit und kein Urlaubsgeld
Auch Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, müssen also bestimmte Mindeststandards einhalten. Was dem schwäbischen NGG-Geschäftsführer Tim Lubecki sauer aufstößt: „Das Urlaubsgeld von bis zu 142 Euro soll komplett gestrichen und die Sonntagsarbeit ausgeweitet werden.“ Der Gipfel sei jedoch die geplante neue Urlaubsregelung.
Gewerkschafter wie Lubecki würden den Arbeitgebern deshalb passend zur Wiesn am liebsten den Marsch blasen. Sie kritisieren: „Von 30 Urlaubstagen sollen bis zu zehn mit einzelnen Krankentagen verrechnet werden.“
Für die Arbeitgeber kommt das alles eher einem Sturm im Maßkrug gleich. Unternehmensvertreter Wolfgang Filter wünscht sich mehr Sachlichkeit und verweist darauf, die jetzige Urlaubsregelung sei nicht mehr zu halten, weil sie den Betrieben zusätzliche Kosten auferlegen würde.
Im Bäckerhandwerk brachte eine Klage die Praxis zu Fall, dass sich die Zahl der Urlaubstage nach dem Alter der Beschäftigten bemisst. Die Arbeitgeber argumentieren seitdem: Wird das Thema nicht neu geregelt, müssen die Betriebe Mitarbeitern insgesamt mehr Urlaubstage einräumen.
Arbeitergeber verstehen die Kritik nicht
Verbandsgeschäftsführer Filter versteht die NGG-Kritik nicht: Nach seiner Lesart wird das noch verbliebene Urlaubsgeld nicht gestrichen, sondern voll dazu genutzt, die zusätzliche, also tarifliche Altersvorsorge auf dann 500 Euro pro Jahr zu erhöhen. „Das sichert den Mitarbeitern im Alter eine höhere Rente“, wirbt er für den von Gewerkschaftern mit Unverständnis betrachteten Plan.
Setzen sich die Unternehmer in der Tarifrunde durch, könnte es für viele Beschäftigte ans Eingemachte gehen. Die Arbeitgeber-Repräsentanten dürsten schließlich danach, etwas für Bäckereien mit Cafés zu tun. Demnach sollen Beschäftigte in diesen Gastronomie-Betrieben nur noch ein Anrecht auf mindestens zehn statt bisher 15 arbeitsfreien Sonntagen haben, wenn das auf Betriebsebene ausgehandelt wird.
Werden Krankentage vom Urlaub abgerechnet?
Was die Gewerkschafter besonders erzürnt, ist eine Formulierung der Gegenseite: Demnach sei es angemessen, den über den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen hinausgehenden Urlaub anteilig zu kürzen, wenn die Krankentage einen erheblichen Umfang erreichen. Lubecki schüttelt den Kopf: „Gerade wenn man junge Leute für die Ausbildung gewinnen will, muss der Job in der Bäckerei attraktiv bleiben.“ Dabei haben viele Betriebe Probleme, Nachwuchs zu finden.
Die Branche befindet sich in einem rasanten Wandel hin zu größeren Unternehmen mit vielen Verkaufsstellen. Gab es in Bayern 2011 noch 3039 handwerkliche Bäckereibetriebe, waren es zuletzt 2692. Die Beschäftigtenzahl ging in diesem Zeitraum von 49000 auf 47590 zurück. Deshalb sagt Lubecki: „Wir sollten uns lieber Gedanken machen, wie man gutes Fachpersonal gewinnen kann.“ Für die Gewerkschaft dürfte sich der Tarifkonflikt auszahlen. Es locken neue Mitglieder, etwa durch einen medienwirksamen Brezn-Streik zum Wiesn-Finale.
Die Diskussion ist geschlossen.