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Energiewende
05.09.2014

Ein Leben nach der Atomkraft

Biblis und das Atomkraftwerk, das war über viele Jahre eins. Jetzt sagt Bürgermeister Felix Kusicka: „Wir befinden uns im freien Fall.“ Im Jahr 2011 wurden die beiden Reaktoren in Hessen stillgelegt.
Foto: Boris Roessler, dpa

Nach der Katastrophe von Fukushima 2011 wurden in Deutschland die ältesten Reaktoren stillgelegt, darunter zwei in Biblis in Hessen. Wie die Gemeinde versucht, sich neu zu erfinden.

Hinter dem kugelrunden Reaktorgebäude, im Maschinenhaus von Block A, rattert ein riesiger Generator. Draußen neben der Halle, im Umspannwerk des Kraftwerks, summt und knistert der Strom in den Trafos. Ein paar Arbeiter mit Helmen und Schutzbrillen eilen geschäftig vorüber, als sei alles wie immer. „Sie können hier draußen nicht erkennen, dass der Leistungsbetrieb Vergangenheit ist“, sagt Strahlenschützer Reinhold Gispert. Ein Großteil der Stammbelegschaft sei weiterhin nötig, um die Anlage mit ihren abklingenden Brennelementen zu überwachen, notwendige Inspektionen zu machen und den Rückbau zu planen, erklärt der Betriebsratschef. „Der große Unterschied ist, dass der Strom seit dem 18. März 2011 nicht mehr aus dem Kraftwerk ins Netz fließt, sondern aus dem Netz ins Kraftwerk.“ An jenem Freitagabend ereignete sich aus Sicht vieler Bibliser die Katastrophe nach der Katastrophe.

Nach Fukushima: Kernkraftwerk wird abgeschaltet

Das Reaktorunglück von Fukushima lag eine Woche zurück, als das hessische Umweltministerium vom Betreiber RWE Power verlangte, das Kernkraftwerk Biblis abzuschalten. Die Bundesregierung hatte zuvor eilig ein Atommoratorium beschlossen. Alle deutschen Kraftwerke sollten auf ihre Sicherheit überprüft, die ältesten Reaktoren vorübergehend stillgelegt werden. Keiner davon wurde nach der zunächst geplanten Auszeit von drei Monaten wieder hochgefahren. So begann der deutsche Atomausstieg. Und der Abstieg der Gemeinde Biblis.

Es gab Zeiten, da lief der Ort förmlich über

Als die Brennstäbe in den Blöcken A und B noch Strom erzeugten, arbeiteten im AKW mehr als 700 Beschäftigte in Festanstellung. Weitere 300 Mitarbeiter waren für Fremdfirmen tätig. Wenn einmal im Jahr für drei Monate die große Revision anstand, fielen zusätzlich 1500 Monteure und Sachverständige in Biblis ein. In Spitzenzeiten arbeiteten also 2500 Menschen in den Anlagen. Biblis lief förmlich über.

Für eine Gemeinde mit knapp 9000 Einwohnern war das Atomkraftwerk eine Goldgrube. Bäcker, Restaurants, Friseure und Hotels lebten gut vom Geld der Arbeiter, wahrscheinlich besser als in jeder anderen Gemeinde dieser Größe. Es ist kein Geheimnis, dass auch viele Familien in Biblis mitverdienten, indem sie den „Gastarbeitern“ schwarz ein Bett vermieteten. Die örtlichen Sportvereine wurden stets großzügig von RWE bedacht, die Gemeinde bekam von ihrem größten Arbeitgeber neben den Gewerbesteuern eine jährliche Spende von einer halben Million Euro. Es heißt, RWE habe mit den beiden Reaktorblöcken von Biblis täglich eine Million Euro Gewinn gemacht.

Atomkraftwerk war Goldgrube für Gemeinde

Seit der endgültigen Stilllegung ist es mit der Herrlichkeit vorbei. RWE plant den Rückbau der Anlage und macht in Biblis nun Millionenverluste. Als Erstes mussten die Mitarbeiter der Fremdfirmen gehen, Beschäftigung gibt es heute nur noch für 20 von ihnen. Große Revisionen finden nicht mehr statt. Die Stammbelegschaft ist bereits auf 450 reduziert worden, bis Ende des Jahres werden noch einmal 50 ihren Arbeitsplatz verlieren.

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Anders als auf dem Kraftwerksgelände sind die Auswirkungen im Rest von Biblis zu sehen. Zimmer in Hotels und Gasthöfen bleiben leer, weil sich Monteure nicht einfach durch Touristen ersetzen lassen, wenn in der Nachbarschaft ein Atommeiler steht. Mehrere Bäckereien haben dichtgemacht, ebenso ein Modehaus. Einige, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, sind weggezogen. Schon seit 2009 sinkt die Einwohnerzahl, knapp hundert gingen allein im Jahr 2012.

„Wir befinden uns noch immer im freien Fall“, sagt Bürgermeister Felix Kusicka. Seit dem Frühjahr ist der parteilose Maschinenbauingenieur im Amt. Kusicka ist 51, ein großer Mann mit Schnauzer und einer ruhigen Stimme, der sich von seiner undankbaren Aufgabe nicht die Laune verderben lässt. Er ist nun der oberste Aufräumer von Biblis.

Gemeinde Biblis lebte über ihre Verhältnisse - Kredite nach Abschaltung

„Die Gemeinde hat in den RWE-Jahren über ihre Verhältnisse gelebt“, findet der Bürgermeister. Um den Haushalt auszugleichen, müsse die Gemeinde 2015 vier Millionen Euro an Krediten aufnehmen. Biblis war lange Zeit eine reiche Kommune. Dreieinhalb Jahre nach der Abschaltung des AKW ist der Ort ein roter Punkt auf der Karte der strukturschwachen Regionen. Kusicka hat bereits die Kindergartenbeiträge um die Hälfte angehoben und den Grundsteuerhebesatz von 230 auf 275 Prozent erhöht. Die Friedhofsgebühren sind gestiegen. „Wir werden noch an einigen Schrauben drehen müssen“, kündigt Kusicka an und weiß doch am besten, dass auch das niemals reichen wird.

Mit Entschädigungen vom Land Hessen oder von RWE könne Biblis nicht rechnen, sagt der Bürgermeister, auch wenn das Bundesverwaltungsgericht das Stilllegungsprozedere für unrechtmäßig erklärt hat. Das hessische Umweltministerium hatte RWE seinerzeit keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sollte der Energieriese mit seiner gerade eingereichten Zivilklage gegen Bund und Land Erfolg haben und die erwarteten 200 Millionen Euro Schadenersatz zugesprochen bekommen, dürfte der Konzern diese Einnahmen gegen seine immensen Verluste verrechnen. Mit einem Bruchteil dieses Steuergeldes hätte man Biblis erfolgreich beim Strukturwandel helfen können. Dazu wird es nicht kommen.

Imagekampagne soll Gemeinde attraktiv machen

In ihrer Verzweiflung versucht sich die Gemeinde neu zu erfinden. Für eine entsprechende Imagekampagne gab es vom Land und dem Kreis immerhin 150 000 Euro an Fördermitteln. In Absprache mit Gemeindevertretern erfand eine Beratungsfirma das neue Biblis und verkaufte es in einer neunseitigen Broschüre. Das Kraftwerk sei Geschichte, heißt es darin so lapidar, als lasse sich Biblis’ Atomkraft-Stigma einfach wegwischen, als seien die Reaktoren schon zurückgebaut und die strahlenden Brennstäbe nicht mehr da. Die Bilder zeigen Kinder beim Fußballspielen, eine Familie in ihrem Garten oder eine Mutter beim Einkaufen. Alles erscheint so willkürlich austauschbar, dass nach dem Durchblättern nicht klar ist, was das neue Biblis eigentlich von anderen Gemeinden unterscheidet.

Golf, Seen und Reitanlage in der Umgebung von Biblis

Dabei erstreckt sich zwischen Rathaus und Atomkraftwerk eine Seenlandschaft samt Badesee, auf dem an diesem sonnigen Tag einige Windsurfer unterwegs sind. Zwei Autominuten weiter, im Ortsteil Wattenheim, liegt ein bestens gepflegter 27-Loch-Golfplatz. Auf dem gut gefüllten Parkplatz stehen Autos aus Frankfurt, Mainz, Mannheim oder Stuttgart. Im Jägersburger Wald, der noch auf der Gemarkung von Biblis liegt, steht mit dem Jägerhof eine imposante Reitanlage im Fachwerkstil. Von all diesen Trümpfen ist in der Broschüre über das neue Biblis nichts zu sehen.

„Wir haben hier lauter Perlen um den Schornstein herum und bringen es nicht fertig, uns zu verkaufen“, ereifert sich Motel-Betreiber Peter Fischer in breitem Hessisch. Die Auslastung seiner 20 Zimmer und Appartements sei mit der Stilllegung des Atomkraftwerks von 100 auf 60 Prozent gesunken. Dass es ihn nicht schlimmer erwischt hat, verdankt er der guten Lage an der Bundesstraße. Da schon lange keine Monteure mehr kommen, wollte Fischer reagieren und weitere Appartements bauen, um zukünftig ganze Busreisegruppen unterbringen zu können. Die Gemeinde habe ihn jedoch nicht finanziell unterstützen wollen, also habe er seine Pläne verworfen. Das einst so verwöhnte Biblis tut sich schwer damit, seinen Stolz aufzugeben und Kompromisse einzugehen.

Eine neue Schutzwand für das Zwischenlager

Auf dem AKW-Gelände ist Reinhold Gispert neben einem Bagger stehengeblieben. „Wir bauen hier eine neue Schutzwand für unser Standortzwischenlager“, erklärt der Betriebsratschef. „Dazu sind wir aus Sicherheitsgründen verpflichtet.“ In der großen weißen Halle neben dem Bagger lagern Castorbehälter mit abgebrannten Brennstäben. Während Gisperts Kollegen den Rückbau des Kraftwerks planen, wird hier aufgebaut. „Da es in Deutschland auf absehbare Zeit kein Endlager für hoch radioaktiven Müll geben wird, werden wir die Castoren mit unseren Brennstäben weiterhin hier lagern müssen“, sagt Gispert. So wie es an allen anderen AKW-Standorten üblich ist.

Steht der Rückbau des Kraftwerks dann an, wird die Anlage der Gemeinde wohl noch einmal zu einer zwischenzeitlichen Blüte verhelfen. Zehn bis fünfzehn Jahre würde der Rückbau laut RWE dauern, hunderte Arbeiter wären dafür nötig. Wo heute die beiden kugelförmigen Druckwasserreaktoren, die Kühltürme und die Maschinenhäuser stehen, soll eines Tages wieder eine grüne Wiese wachsen. Auf unabsehbare Zeit wird darauf noch die weiße, gut bewachte Halle stehen, die an die strahlende Vergangenheit von Biblis erinnert. Für das neue Biblis ist das eine Katastrophe.

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