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Foto: Marco Bertorello und Loic Venance, afp
Foto: Marco Bertorello und Loic Venance, afp

Bei Fiat träumt man von einer Fusion mit dem französischen Hersteller Renault.

Autobau
28.05.2019

Experten: Weshalb eine Fusion von Renault und Fiat sinnvoll sein kann

Von Michael Kerler

Fiat-Chrysler schlägt eine Fusion mit Renault vor. Bleibt auch Partner Nissan an Bord, könnte man sogar Branchenprimus VW überholen.

Mit Fusionen muss sich der US-Hersteller Chrysler mittlerweile auskennen. Als eine „Hochzeit im Himmel“ pries Manager Jürgen Schrempp einst den Zusammenschluss von Daimler in Stuttgart und Chrysler in Detroit. Das war im Jahr 1998. Wenige Jahre später scheiterte das Abenteuer krachend. Chrysler bekam bei Fiat eine zweite Chance. Jetzt könnte der Marke eine neue Fusion bevorstehen: Am Montag preschte Fiat-Chrysler damit vor, Interesse an einem Zusammenschluss mit dem französischen Hersteller Renault zu haben. Entstehen könnte ein Auto-Riese, der Volkswagen und Toyota mächtig Konkurrenz macht.

Renault verkaufte im Jahr 2018 rund 3,9 Millionen Fahrzeuge, Fiat-Chrysler rund 4,8 Millionen – wären zusammen also rund 8,7 Millionen Autos. Diese Zahlen nennt Branchenfachmann Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen. Renault ist zudem in einer Allianz mit Nissan verbunden. Mit den Japanern würde der neue Konzern mehr als 15,6 Millionen Autos verkaufen und damit die derzeitige Nummer eins – Volkswagen – mit 10,9 Millionen Fahrzeugen weit hinter sich lassen. Entstehen würde der größte Autobauer der Welt.

Fiat-Chrysler schlägt vor, die eigenen Aktionäre und die von Renault zu je 50 Prozent am neuen Unternehmen zu beteiligen. „Der Zusammenschluss würde einen globalen Autohersteller schaffen, herausragend in Bezug auf Umsatz, Volumen, Rentabilität und Technologie“, warb Fiat-Chrysler für die Pläne. Es habe schon Gespräche gegeben, bei welchen Produkten und in welchen Regionen man zusammenarbeiten könnte. Der Vorstoß ist also mehr als ein Versuchsballon, den man einfach mal so steigen lässt: „Der Fusionsvorschlag klingt bereits sehr konkret, kaum vorstellbar, dass die Unternehmensführung von Renault nicht schon im Vorfeld eingebunden war“, meint Frank Schwope, Analyst der NordLB.

Renault signalisiert Interesse

Renault signalisierte prompt Interesse: Der Verwaltungsrat will die Möglichkeit einer solchen Annäherung untersuchen. Das Angebot werte man als einen „freundschaftlichen Vorschlag“. Frankreichs Regierung, die mit 15 Prozent an Renault beteiligt ist, reagierte fast elektrisiert: „Wir brauchen heute Giganten, die sich in Europa bilden“, sagte die französische Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye.

Branchenkenner führen den Vorstoß auf einen massiven Umbruch in der Autoindustrie zurück. „Die Autowelt ändert sich derzeit radikal“, schreibt Dudenhöffer in einer Blitzanalyse. Die Konzerne hätten zu kämpfen mit hohen Ausgaben für Elektromobilität, schwächeren Märkten, einem unberechenbaren US-Präsidenten und den Vorbereitungen für die Welt des autonomen Fahrens.

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Vor allem Fiat sei auf einen Partner dringend angewiesen, meint Dudenhöffer: „Fiat-Chrysler ist in Europa schwach aufgestellt, hat eine überalterte Modellpalette und keine Elektroautos in der Pipeline“, sagt er. „Man lebt bei Fiat mehr oder weniger vom in die Jahre gekommenen Fiat 500.“ Und Chrysler mit seinen Marken wie Dodge oder Jeep erwirtschafte zwar in den USA mit SUVs und Pickups hohe Gewinne, sei aber wenig innovativ. In Europa drohten zudem bald hohe Strafzahlungen, wenn Hersteller strengere CO2-Grenzwerte für ihre Flotte nicht einhalten. Das ist gerade ohne Elektroautos nur schwer möglich. Analyst Schwope sieht es ähnlich: „Mit Blick auf die hohen Investitionskosten für Zukunftstechnologien wie das autonome Fahren und die Elektromobilität macht eine Fusion oder eine enge Kooperation der beiden Automobil-Hersteller durchaus Sinn, zumal Fiat-Chrysler im Bereich der Elektromobilität deutlich hinterherhinkt.“

Ferdinand Dudenhöffer: Verhältnis zwischen Renault und Nissan abgekühlt 

Auch Renault ist für Dudenhöffer auf Neuorientierung angewiesen: Denn nach der spektakulären Verhaftung und dem Sturz von Renault-Chef Carlos Ghosn sei das Verhältnis zum Partner Nissan „abgekühlt“: „Ghosn wollte aus der Allianz eine Fusion machen, was offensichtlich bei den Japanern wenig Gegenliebe fand und findet“, hat der Autoexperte beobachtet. „Es sieht eher danach aus, als würde Renault seinen eigenen Weg mit Fiat-Chrysler gehen“, vermutet er.

Alles in allem, meint Dudenhöffer, könnte die Fusion zwischen Fiat-Chrsyler und Renault durchaus sinnvoll sein. „Natürlich wird die Fusion kein einfacher Weg“, schränkt er ein. Fiat könnte es gehen wie kürzlich Opel in der Fusion mit Peugeot-Citroën – „was sicher nicht vergnügungssteuerpflichtig wäre“. Opel musste Werke schließen und Jobs streichen.

Fiat-Chrysler beschäftigt weltweit fast 200.000 Menschen, Renault rund 183.000. Bisher schließt Fiat-Chrysler Werksschließungen in dem Vorstoß noch aus. (mit dpa)

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