Facebook lenkt ein
Nach all der Kritik will das soziale Netzwerk die Privatsphäre seiner Nutzer besser schützen. Der neue Kurs wirft Fragen auf
Wer hätte nach all den Datenskandalen gedacht, dass man diesen Satz ausgerechnet von Facebook-Chef Mark Zuckerberg hören wird: „Privatsphäre gibt uns die Freiheit, wir selbst zu sein.“ Vom Prügelknaben der Datenschützer und Politiker will Facebook also zum Vorreiter in Sachen Privatsphäre werden. Wie ernst kann das gemeint sein, von einem Unternehmen, dessen milliardenschweres Geschäftsmodell darauf basiert, so viel wie möglich über seine Nutzer zu wissen und Werbekunden den Zugang zu den passenden Zielgruppen zu verkaufen?
Berechtigte Zweifel räumt selbst Zuckerberg ein. „Wir haben derzeit nicht den besten Ruf, was den Schutz der Privatsphäre angeht, um es freundlich zu formulieren“, sagt er bei der Vorstellung der neuen Strategie. Die Dimension des Umbaus über alle Facebook-Apps hinweg zeugt immerhin davon, dass es um viel mehr als Kosmetik geht.
Der Chatdienst Messenger wurde von Grund auf erneuert, nicht nur um ihn viel schneller zu machen, sondern um ihn auf Komplett-Verschlüsselung umzustellen. Zudem bekommt er einen prominent platzierten Knopf, hinter dem die Kommunikation mit Familie und engen Freunden gebündelt wird. In der Haupt-App von Facebook werden stärker Gruppen hervorgehoben, in denen sich Nutzer nach Interessen organisieren können. Ein Facebook-Manager nach dem anderen wiederholt Zuckerbergs neues Mantra: „Die Zukunft ist privat.“
Der neue Kurs wirft viele Fragen auf. Zum Beispiel: Wenn Inhalte mit der sogenannten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geschützt sind, sodass nur Absender und Empfänger sie sehen können, wie soll Facebook dann Terrorpropaganda oder Hassrede finden und löschen? Stiehlt sich das Unternehmen damit aus der Verantwortung – und wird die Politik das zulassen? Und was bedeutet eine konsequente Umsetzung eines Neuanfangs mit dem Fokus auf Privatsphäre für das Geschäftsmodell von Facebook? Werden die öffentlich geteilten Informationen noch ausreichen, um weiterhin zielgenaue Werbeanzeigen zu schalten? Wird sich Facebook neue Geschäftsideen suchen? Ein mögliches Zeichen dafür: Facebooks Online-Flohmarkt Marketplace wird um eine eigene Bezahlfunktion ergänzt. Und auch bei Instagram und WhatsApp soll es mehr Möglichkeiten für kommerzielle Anwendungen geben. Zuckerberg hat als Facebook-Chef immer wieder fantastische Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Er wird es wieder tun müssen. (dpa)
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