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Foto: Rolf Vennenbernd, dpa
Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

Kritischer Blick, ehrliche Worte: Frank Thelen sagt den Gründern, die in die Sendung „Die Höhle der Löwen“ kommen, auch schon mal ungeschönt seine Meinung.

"Höhle der Löwen"
05.09.2018

Frank Thelen: "Hätte Schweizer nicht aufgehört, wäre ich ausgestiegen"

Von Sarah Schierack

Exklusiv Er investiert bei „Die Höhle der Löwen“ in Start-ups. Nun veröffentlicht Frank Thelen seine Biografie und spricht über den größten Fehler seines Lebens.

Herr Thelen, stehen Sie eigentlich noch ab und zu auf dem Skateboard?

Frank Thelen: Viel zu selten, leider. Und ehrlicherweise meistens nur noch für Fernsehaufnahmen. Aber gerade gibt es einfach zu viele andere wichtige Themen für mich. Ich hoffe, dass ich irgendwann wieder mehr Zeit habe – und meine Knochen dann noch mitspielen.

Sie schreiben in Ihrer Biografie, beim Skateboarden viel fürs Leben gelernt zu haben. Die wichtigste Lektion?

Thelen: Gerade am Anfang fällt man immer wieder ordentlich hin. Das gehört dazu. Aber man lernt auch, die Zähne zusammenzubeißen und wieder aufzustehen.

Mit Anfang 20 sind Sie – um im Bild zu bleiben – als Unternehmer ziemlich auf die Nase gefallen. Wie kam es dazu?

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Thelen: Mit meiner Firma habe ich damals einen Router entwickelt, der lokale Netzwerke mit dem Internet verbunden hat. Ich habe wie wild programmiert, aber dabei irgendwie vergessen, mein Produkt zu verkaufen. Als die Bank auf mich zukam und mir einen großen Kredit angeboten hat, habe ich den einfach blind unterzeichnet, obwohl ich persönlich dafür bürgen sollte.

Ganz schön leichtsinnig...

Thelen: Das war sicherlich der größte Fehler in meinem Leben. Aber es war die Zeit des Neuen Marktes. Da herrschte Partystimmung, manche Gründer brachten ihr Geld wie wild durch. Ich habe zwar nicht so viel Party gemacht, mich aber trotzdem von dieser Stimmung anstecken lassen. Das Geld habe ich dann in Mitarbeiter und neue Produkte investiert, ohne mich zu fragen, ob ich mir das leisten kann. Als die New-Economy-Blase platzte, ging die Firma pleite und ich stand plötzlich mit fast einer Million D-Mark Schulden da.

Mit 25 Jahren saßen Sie plötzlich wieder in Ihrem Kinderzimmer. Wie fühlt man sich da?

Thelen: Wie ein echter Verlierer. Ich hatte Nasenbluten, Hautausschläge und so weiter. Damals dachte ich: Meine Freunde fangen jetzt ihre Karriere an und ich stehe vor dem Scheiterhaufen meines Lebens.

Am Ende haben Sie einen Deal mit der Bank geschlossen, viel Geld zurückgezahlt und wieder Startups gegründet. Versuchen Sie heute, junge Gründer in „Die Höhle der Löwen“ vor solchen Fehlern zu bewahren?

Thelen: Auf jeden Fall. Ich verlange zwar, dass der Gründer alles gibt und hart arbeitet. Aber ich erlaube nicht, dass er einen Schuldenberg anhäuft, den er nicht mit einem normalen Job innerhalb von drei bis vier Jahren wieder abzahlen könnte.

Reden wir über die Sendung. Am ersten Drehtag sind Sie – ich zitiere – ins Studio gestapft „wie ein schlecht angezogener IT-Geek in die Oscar-Verleihung“. So schlimm?

Thelen (lacht): Das ist natürlich ein bisschen Storytelling. Ich habe einfach die gleichen Klamotten wie immer angezogen. Ich hatte keine Style-Berater wie die anderen, und schon gar keinen Maßanzug. Noch mehr geschockt hat mich aber der Trubel im Studio.

Was war da los?

Thelen: Es war einfach unfassbar, wie viele Leute da rumgerannt sind. Ich bin es gewohnt, in kleinen Teams zu arbeiten, wo jeder alles macht. Aber bei „Die Höhle der Löwen“ waren 100 Leute am Set und einer war zum Beispiel nur dafür zuständig, das Feuer im Kamin anzuzünden. Wenn ich darüber nachdenke, kriege ich einen Herzinfarkt. Aber gut, der Sender ist noch nicht insolvent, das scheint zu funktionieren.

Die Jurymitglieder haben seit der ersten Staffel der Sendung ein paar Mal gewechselt. Jochen Schweizer ist mittlerweile nicht mehr dabei. Traurig scheinen Sie über den Abgang nicht gewesen zu sein.

Thelen: Ich bin ein Typ, der Frieden mag und in Ruhe arbeiten will. Jochen hat viel erreicht und ein tolles Unternehmen aufgebaut. Aber bei unseren Aufnahmen stand er sich manchmal selbst im Weg, das war zumindest mein persönlicher Eindruck.

Frank Thelen (Mitte) in der Jury für „ Die Höhle der Löwen“ - zusammen mit  Carsten Maschmeyer (von links nach rechts), Judith Williams, Dagmar Wöhrl und Ralf Dümmel. Rolf Vennenbernd, dpa false  

Was meinen Sie?

Thelen: Er hat sich, soweit ich mich erinnere, auf Fotos plötzlich nach vorne gedrängt. Oder meinte schlafen zu müssen, obwohl das ganze Team weiterdrehen wollte. Mir hat das irgendwann einfach keine Freude mehr gemacht. Hätte Jochen nicht aufgehört, wäre ich ausgestiegen. Darüber habe ich auch Vox und Sony informiert. Aber dann ist Jochen ja von selbst gegangen und alles war gut. Ich will aber auch noch mal sagen, dass ich großen Respekt vor seinem Lebenslauf und Erfolgen haben, nur in der täglichen Zusammenarbeit hat es für mich nicht gepasst.

Im September geht „Die Höhle der Löwen“ in die fünfte Staffel. Was sind das für Leute, die heute dahin kommen?

Thelen: Im Vergleich zum Anfang hat sich die Sendung sehr gut entwickelt. In der ersten Staffel gab es zum Teil unfassbaren Blödsinn. Heute kommen die Gründer auf den Punkt und haben ihren Kram drauf. Wir haben mittlerweile echte Unternehmerpersönlichkeiten da, mit denen das Diskutieren Spaß macht.

Ein neuer Mark Zuckerberg oder Elon Musk war aber noch nicht dabei?

Thelen: Nein, aber da muss man auch realistisch bleiben. Ein hochkomplexes technisches Produkt kann man nicht innerhalb einer Stunde einschätzen. Wenn jemand also einen neuen Energiespeicher oder ein fliegendes Auto baut, dann müssten wir als Investoren eigentlich in Baupläne oder Software-Architektur hineinschauen. Das kann die Show nicht liefern.

Visionäre wie Zuckerberg oder Musk kommen meist aus den USA. Fehlt den deutschen Unternehmern die nötige Portion Größenwahn?

Thelen: Viele deutsche Gründer denken eher klein und versuchen, Lösungen für alltägliche Probleme zu entwickeln. Da geht es dann um Futter für Haustiere oder so etwas. Tatsächlich brauchen wir aber Unternehmer, die größer denken und sich Themen wie Mobilität oder Energie annehmen – so wie die am Anfang oft als verrückt bezeichneten Gründer aus den USA. Aber in Deutschland fehlen nicht nur die mutigen Gründer, sondern auch mutige Investoren.

Denken die ebenfalls zu klein?

Thelen: Unsere Wagniskapital-Szene ist für solche Investitionen heute nicht bereit. Die Investoren wollen lieber BWLer mit Excel-Tabellen und klaren Businessplänen. Also müssen wir auf der einen Seite wieder lernen, groß zu denken. Auf der anderen Seite muss aber das Venture Capital mitziehen und revolutionären Ideen eine Chance geben.

Sie rühmen sich, mit Ihrer Investmentfirma Freigeist genau das zu tun. Haben Sie keine Angst, jede Menge Geld in den Sand zu setzen?

Thelen: Angst vielleicht, Respekt auf jeden Fall.. Wir gehen hohe Risiken ein und werden oftmals unser Geld verlieren. Aber darum geht es: Dass man sich traut. Also nicht mit Tempo 120 über die Autobahn fährt, sondern mal schaut, was bei Tempo 320 passiert. Ich halte das für extrem wichtig, denn wir haben die Entwicklung der großen technologischen Trends zuletzt ohne Ausnahme an die USA und China abgegeben.

Das klingt düster. Lässt sich ein solcher Rückstand überhaupt aufholen?

Thelen: Ja und nein. Bei den bestehenden Technologien haben wir keine Chance mehr. Aber es kommen neue Technologien: Quanten-Computing, künstliche Intelligenz, Robotik, E-Transportation, Flugtaxis. Wir müssen versuchen, diese neuen Technologie-Wellen mitzunehmen und endlich mal wieder Weltmarktführer zu werden.

Von Flugtaxis hat zuletzt auch Dorothee Bär geträumt – und viel Häme eingesteckt. Sie haben schon vor drei Jahren in Lilium Aviation investiert, eine Firma, die genau daran arbeitet. So übel kann die Idee also nicht sein?

Thelen: Ich glaube, Flugtaxis werden deutlich früher und umfassender starten, als fast alle das heute denken. Diese Häme regt mich auf. Das ist der gleiche Spott, den wir jetzt bei Elon Musk erleben, und der mich wirklich ärgert. Da sind wir endlich mal wieder führend bei einer neuen Technologie. Und dann nehmen die Leute jemanden wie Doro Bär auseinander und sagen: Mach doch erst einmal Breitband. Natürlich brauchen wir Breitband. Aber es kann doch nicht sein, dass jeder, der etwas nach vorne bringen will, immer so negativ behandelt wird.

Ist das typisch deutsch?

Thelen: Auf jeden Fall. Wir Deutschen sind die Weltmeister unter den Bedenkenträgern. Dabei bräuchten wir mehr Menschen wie Doro Bär, Christian Lindner oder Jens Spahn. Also Politiker, die aus sich heraus ehrlich und authentisch kommunizieren. Kaum ein Politiker traut sich noch, klare Kante zu zeigen ohne vorher alles mit seinem Beraterstab abzusegnen. Deshalb sind AfD und Linkspartei doch so stark in Deutschland.

Sie waren einige Zeit lang CDU-Mitglied. In Ihrer Biografie habe ich kein Wort darüber gefunden. Ist Ihnen das heute peinlich?

Thelen: Nein. Ich habe mich damals von Angela Merkel begeistern lassen, die ich bis heute sehr schätze. Ich hatte das Glück, sie mehrmals zu treffen und mit ihr zu diskutieren. Sie ist eine großartige Frau. Deshalb wollte ich Flagge zeigen und in die Partei eintreten. Das war aber zu kurz gedacht.

Warum?

Thelen: Ich will Deutschland voran bringen. Und das geht nur, wenn ich völlig frei Leute aus allen Parteien unterstützen kann. Ich möchte auch weiterhin immer klar sagen, wen ich für gut halte und wen nicht. Jeder Wähler von AfD und Linke tut mir zum Beispiel richtig weh, das finde ich grausam.

Siemens-Chef Joe Kaeser hat sich zuletzt sehr klar gegen die AfD und gegen Rassismus gestellt. Wie politisch darf ein Unternehmer sein?

Thelen: Noch viel politischer als die meisten heute sind. Wir alle sollten unsere Meinung sagen. Als Wirtschaftslenker genauso wie als Arzt, als Musiker oder als Krankenpfleger. Aber natürlich sollte man keine Stammtischparolen raushauen, sondern sich mit dem Thema befasst haben, über das man redet.

Wäre ein Wechsel in die Politik etwas für Sie – zum Beispiel als parteiloser Kandidat?

Thelen: So wie Macron? Okay, das würde mich jetzt wirklich reizen. Aber ich habe einen Plan für meine nächsten zehn Jahre, den will ich jetzt umsetzen. Vielleicht danach.

Steht auch im Raum, noch mal ein Unternehmen zu gründen?

Thelen: Kann ich nicht sagen. Bei Freigeist haben wir uns verpflichtet, zehn Jahre nur daran zu arbeiten. Möglicherweise im Anschluss noch mal. Gefühlt aber nein.

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