
Aktie von GameStop geht durch die Decke: Was steckt dahinter?

Der rasante Kursanstieg der GameStop-Aktie (GME) setzt Leerverkäufer großer Hedgefonds massiv unter Druck und lässt Kleinanleger eines Reddit-Forums jubeln.

GameStop führt aktuell die Trends unter den Suchbegriffen bei Google an und auch bei Twitter trendet der Hashtag #GameStop. Der Grund: Der Aktienkurs des US-amerikanischen Videospiel-Einzelhändlers GameStop Corporation mit dem Kürzel GME ist zuletzt von etwa 18 US-Dollar zu Beginn des Monats auf einen zwischenzeitlichen Höchststand von über 400 US-Dollar am Donnerstag angestiegen, bevor er bis Börsenschluss wieder knapp unter 200 US-Dollar fiel. Die rasanten Kurssprünge bei der GameStop-Aktie führten laut Reuters dazu, dass der Handel unter anderem am Montag neunmal und am Dienstag weitere fünfmal ausgesetzt werden musste. Diese Maßnahme tritt bei starken Kursschwankungen (Volatilität) in Kraft. Doch wie entstand überhaupt der Börsenboom um die GameStop-Aktie?
GameStop: Das ist das Unternehmen hinter der GME-Aktie
Die Geschichte von GameStop mit Hauptsitz im US-Bundesstaat Texas beginnt 1984, seit 2000 wird das Unternehmen unter dem heutigen Namen geführt. Aktuell vertreibt der US-Händler seine Produkte aus der Gaming-Branche in über 5000 Geschäften in insgesamt zehn Ländern, zu den Standorten zählen Deutschland, Österreich und die Schweiz. Seit 2002 ist die GameStop Corporation unter dem Kürzel GME an der weltgrößten Wertpapierbörse New York Stock Exchange (NYSE) gelistet. Der niedrigeste Kurs der GME-Aktie innerhalb des vergangenen Jahres, das sogenannte 52-Wochen-Tief, liegt bei 2,57 US-Dollar - das 52-Wochen-Hoch dank des rasanten Kursanstiegs bei 483 US-Dollar.
Eine überraschende Wende für den zwischenzeitlich stark angeschlagene Händler von Unterhaltungsprodukten, Computerspielen und dazugehöriger Hardware. Die steigende Nachfrage nach Spielkonsolen durch die Corona-Pandemie in der Gamingbranche sorgte bereits für einen deutlichen Kursanstieg seit dem Aktienkurs-Rekordtief im Frühjahr 2020, wie einer aktuellen Unternehmensmitteilung zu entnehmen ist. "Insgesamt bleiben wir zuversichtlich, was die positiven Wachstumsaspekte für 2021 angeht, die durch unsere Strategie, neue und aufregende Produkterlösströme in allen Bereichen der Spiele und Unterhaltung hinzuzufügen, und die starke Nachfrage nach der neuen Generation von konsolenbasierten Videospielprodukten angetrieben werden", erklärte CEO George E. Sherman in der Mitteilung vom 11. Januar - nichtsahnend, dass der Aktienkurs seines Unternehmens kurz darauf explodieren würde. Bisher schweigt GameStop zu den jüngsten Ereignissen an der Wall Street.
Umstrukturierungsprozess bei GameStop: Investor Ryan Cohen sitzt nun im Vorstand
Gemeinsam mit den Umsatzergebnissen aus dem Weihnachtsgeschäft gab GameStop am 11. Januar noch eine weitaus entscheidendere Meldung heraus: Der aktivistische Investor Ryan Cohen, der laut Reuters über seine private Investmentgesellschaft RC Ventures LLC aktuell mit 13 Prozent am Unternehmen beteiligt ist, hat einen Sitz im Vorstand von GameStop erhalten. Aktuell arbeitet Cohen gemeinsam mit zwei weiteren Neuzugängen im Vorstand an einer Umstrukturierung des Unternehmens hin zu verstärktem Online-Vertrieb.
Cohen, selbst Gründer eines inzwischen für 3,35 Milliarden US-Dollar verkauften Online-Händlers für Tiernahrung namens "Chewy", erklärte in einem Statement optimistisch: "Wir glauben, dass das Unternehmen den Wert für seine Aktionäre steigern kann, indem es die Möglichkeiten, Kunden zu begeistern, ausweitet und zur ultimativen Anlaufstelle für Gamer wird." Der Investor hatte laut Recherchen von Forbes Ende vergangenen Jahres etwa 76 Millionen US-Dollar für den Kauf von mehr als 9 Millionen GameStop-Aktien ausgegeben. Durch den um mehr als 800 Prozent in die Höhe schnellenden Kurs der GameStop-Aktie stieg der Wert seines Unternehmensanteils laut Forbes auf etwa 825 Millionen US-Dollar.
Ein weiterer Gewinner des Börsenbooms von GameStop ist Michael Burry, der durch seine Gewinne während der Finanzkrise 2008 bekannte wurde. Der Hedgefonds-Manager kaufte laut Forbes im vergangenen April 5,3 Prozent des angeschlagenen Videospiel-Einzelhändlers zu einem Preis zwischen zwei US-Dollar und 4,20 US-Dollar pro Aktie. Auf Drängen von Investoren wie Burry habe GameStop zudem Aktien im Wert von rund 200 Millionen US-Dollar zurückgekauft und damit die Anzahl der freien Aktien gesenkt, berichtet Forbes weiter. Auch diese Rückkäufe von Aktien spielen in der aktuellen Lage eine entscheidende Rolle.
Short Squeeze und Kleinanleger treiben Kurs der GameStop-Aktie in die Höhe
Als weiterer wichtiger Spieler mischten sich schließlich Hedgefonds ein – diese spekulierten mit Wetten an der Börse gegen das Unternehmen. So setzte etwa Gabe Plotkins Melvin Capital Management auf einen fallenden Aktienkurs bei der GameStop Corporation und erhoffte sich durch Leerverkäufe (short selling) Profite. Leerverkäufe sind gerade unter Spekulanten sehr beliebt und sehr riskant. Die Hedgefonds wetten dabei darauf, dass die Kurse eines Wertpapiers bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fallen.
Das funktioniert so: Sie leihen sich Aktien und versprechen, sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzugeben. Die geliehenen Aktien verkaufen sie dann sofort an der Börse. Vor Ablauf der Leihfrist müssen sie die Papiere natürlich wieder zurück kaufen. Die Spekulanten hoffen nun darauf, dass der Kurs innerhalb dieser Zeit sinkt. Dann können sie die Titel zu einem geringeren Preis wieder einkaufen als sie sie verkauft haben. Die Differenz aus teurem Verkauf und billigerem Rückkauf ist dabei (abzüglich der Leihgebühr) ihr Gewinn. Das Risiko dabei: Fällt der Aktienkurs nicht wie erwartet, sondern steigt er deutlich an, gerät der Leerverkäufer unter Zugzwang: Er muss seine geliehene Aktie zum aktuellen Marktpreis zurückkaufen, um nicht noch mehr Verlust zu machen. Da der GME-Aktienkurs entgegen der Erwartungen einiger Leerverkäufer anstieg, versuchten diese nun schnell ihre Wertpapiere zurückzukaufen und so den Verlust ihres Geschäfts möglichst gering zu halten. Die gestiegene Nachfrage ließ den Aktienkurs von GameStop jedoch weiter in die Höhe schnellen – ein Short Squeeze genanntes Börsenphänomen.
Die Angebotsknappheit von GameStop-Aktien verstärkte sich zudem durch den organisierten Kauf von Aktien durch Kleinanleger. Mit dem Eintritt von Investor Ryan Cohen in den Vorstand von GameStop und der Mitteilung über steigende Verkaufszahlen witterte eine Gruppe von Amateurspekulanten, die seit Monaten versucht, die Aktie des Unternehmens in die Höhe zu treiben, ihre Chance. Die Kleinanleger vernetzen sich maßgeblich über das derzeit 5,1 Millionen Mitglieder umfassende Forum "r/wallstreetbets" in dem sozialen Netzwerk Reddit. Besonders in den USA tauschen zahlreiche private Kleinanleger über Internetforen Strategien und Erfahrungen beim Aktienhandel aus und verabreden zum Teil gemeinschaftliche Aktienkäufe. So geschehen im Fall GameStop. Der tatsächlichen Marktwert des Unternehmens wurde dabei zur Nebensache. Das Motto lautet vielmehr: Wir Kleinen gegen die Hedgefonds. GameStop wurde zum Spielball von Spekulationen und es entstand eine Aktienblase. Diese wird platzen, sobald sich das Blatt wendet und die Anleger mehrheitlich ihre Aktien verkaufen wollen und somit das Angebot wieder die Nachfrage übersteigt.
Melvin Capital hat seine Leerverkäufe inzwischen mit einem großen Verlust abgeschlossen. Nach einer ganzen Reihe von Spekulationen mit Leerverkäufen hat der Hedgefonds dem Wall Street Journal zufolge zuletzt 30 Prozent der von ihm verwalteten 12,5 Milliarden US-Dollar verloren. Am Montag griffen schließlich zwei weitere Hedgefonds, Citadel und Point72 Asset Management, der angeschlagenen Melvin Capital finanziell unter die Arme.
Kleinanleger gegen Leerverkäufer: Elon Musk und Chamath Palihapitiya mischen mit
Die steigende Nachfrage durch die Reddit-Community trieb die Preisspirale an, setzte die Hedgefonds unter Rückkauf-Druck und erregte somit die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit und des Silicon Valley. Kein geringerer als Tesla-Chef Elon Musk feuerte den Run auf die Aktie am Dienstag weiter an, indem er den Reddit-Link zu "Wallstreetbets" auf Twitter teilte und damit die Aufmerksamkeit seiner 43,5 Millionen Follower auf das Thema lenkte.
Am Donnerstagabend positionierte sich Elon Musk dann in einem weiteren Tweet explizit gegen Leerverkäufe. "Du kannst keine Häuser verkaufen, die du nicht besitzt. Du kannst keine Autos verkaufen, die du nicht besitzt. Aber man *kann* Aktien verkaufen, die man nicht besitzt!? Das ist Blödsinn - Leerverkäufe sind Betrug", echauffierte sich der Tesla-Chef.
Der kanadisch-amerikanische Unternehmer und Investor Chamath Palihapitiya handelte aktiv in den Squeeze hinein und trieb laut Forbes den Kurs am Dienstag weiter in die Höhe. Inzwischen ist der Milliardär nach eigenen Angaben wieder aus dem GME-Handel ausgestiegen und kündigte an, seinen erzielten Gewinn und die ursprüngliche Investition zu spenden. Insgesamt 500.000 US-Dollar sollen somit an den Barstool Fund gehen, der kleine Unternehmen in den USA während der Corona-Pandemie finanziell mit Spenden unterstützt.
Börsenaufsicht und US-Finanzministerium verfolgen den GME-Hype an der Wall Street
Der Leerverkäufer Andrew Left von Citron Research hält unterdessen weiterhin an seiner These fest, wonach der Aktienkurs fallen wird - zumindest langristig. Am Dienstag kritisierte er gegenüber Reuters: "Jeder ist der Meinung, dass diese Aktie scheiße ist und der einzige Grund, warum die Leute sie kaufen und besitzen, ist, dass es für sie ein Spiel ist." Der Leerverkäufer veröffentlicht regelmäßig Berichte über Firmen, die in seinen Augen an der Börse überbewertet sind oder aber Betrug begehen.
Left hatte die Aktie des Unternehmens genauso wie einige Hedgefonds geshortet - also geliehene Aktien verkauft und dabei gewettet, dass der Preis fallen wird und er die Aktien auf einem niedrigeren Preisniveau zurückkaufen kann. Er prognostizierte öffentlich bei Twitter, dass der zu diesem Zeitpunkt noch bei 40 US-Dollar pro Aktie liegende Wert auf 20 US-Dollar pro Aktie fallen würde. Das Reddit-Forum, dass den Leerverkäufern den Kampf angesagt hatte, fühlte sich durch diese öffentliche Einschätzung zusätzlich angestachelt. Wie Reuters mitteilt, hat Andrew Left inzwischen seine geliehenen Aktien mit Verlust zurückgekauft. In einem bei Twitter geteilten Video sagte Left am Mittwoch, es gehe ihm gut.
Die Börsenaufsicht SEC erklärte außerdem, die Situation im Blick zu haben und kündigte eine Untersuchung des Höhenflugs der GameStop-Aktie an. Die von Kleinanlegern viel genutzt Trading-App Robinhood schränkte den Handel mit GME und weiteren Aktien vorübergehend ein und begründete dies in einer Mitteilung am Donnerstag mit den jüngsten Kursschwankungen.
Da Hedgefonds die Aktie unterdessen weiterhin uneingeschränkt handeln konnten, forderte die US-amerikanische Abgeordnete der Demokraten, Alexandria Ocasio-Cortez auf Twitter: "Wir müssen jetzt mehr über die Entscheidung der Robinhood-App erfahren, Kleinanleger vom Kauf von Aktien zu blockieren, während Hedge-Fonds frei in der Lage sind, die Aktie zu handeln, wie sie es für richtig halten." Das US-Finanzministerium hat die Lage ebenfalls im Blick, wie eine Sprecherin des Weißen Hauses während des Presse-Briefing wissen ließ.
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