Im Kampf gegen Dumpingpreise geht es wirklich um die Wurst
Bei einem Gipfel im Kanzleramt will die Kanzlerin Lebensmittelhändler zu faireren Preisen etwa für Fleisch bewegen. Aber bewegen müssten wir uns alle.
Der Lebensmittelgipfel, zu dem die Bundesregierung Vertreter von Supermarktketten und Discountern geladen hat, darf nur ein Ergebnis kennen: fairere Preise für Landwirte und ihre Erzeugnisse. Es geht um die Existenz vieler Bauernhöfe – aber zugleich um weit mehr.
Verkommen Lebensmittel zur Ramschware, leiden nämlich zugleich Verbraucher, Umwelt und Klima. Die Bauernproteste überall im Land sind Ausdruck der Verzweiflung. Wenige große Einzelhandelsketten diktieren die Preise. Immer weniger davon kommt bei den Landwirten an, zugleich werben die Discounter mit immer günstigeren Sonderangeboten. Zudem steigt der Druck auf die Landwirte auch in anderen Bereichen. Sie sollen immer billiger produzieren, gleichzeitig aber Tiere gut behandeln, Bienen und das Klima retten, die Landschaft pflegen und allerhöchste Qualitätsmaßstäbe erfüllen. Nur kosten darf es natürlich nichts.
Faire Preise für Lebensmittel zu bezahlen, ist für den Handel nicht existenzgefährdend
Auch die Besserwisserei ist beachtlich. So wie gefühlt jeder deutsche Fußballfan besser als der Bundestrainer weiß, wie die Nationalmannschaft auszusehen hat, glauben viele besser als die Bauern zu wissen, wie Felder bestellt und Tiere gehalten werden sollten. Und dann ist da noch die Lebensmittelindustrie. Sie steht oft zwischen Bauern und Handel und ebenfalls unter Preisdruck. Doch bei vielen weiterverarbeiteten Nahrungsmitteln macht der Anteil der Rohware nur einen geringen Anteil aus, im Brot steckt etwa meist lediglich Getreide für wenige Cent. Es wäre also nicht existenzgefährdend, würden die Erzeuger fairer bezahlt. Das gilt genauso für den Handel, der in einem unbarmherzigen Preiskampf steht, den er freilich selbst befeuert. Werden Fleisch, Obst und Gemüse zu Preisen angeboten, die nicht einmal die Kosten der Erzeuger decken, ist deren Empörung über solche Form des Dumpings durchaus verständlich.
Diese verfahrene Situation zu entschärfen wird für Agrarministerin Julia Klöckner, Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (alle CDU) beim Gipfeltreffen in Berlin nicht leicht. Dreht die Politik an den falschen Stellschrauben, können die Folgen fatal sein. Wird etwa alle Verantwortung für Klimaschutz im Lebensmittelsektor einseitig bei den Bauern abgeladen, ohne dass diese dabei unterstützt werden, beschleunigt sich das Sterben der Höfe weiter.
Regional erzeugtes Essen ist hierzulande bisher kein Statussymbol
Faire Wettbewerbsbedingungen schaffen, in Deutschland, in Europa und der Welt – das muss das Ziel sein. Wenn von deutschen Erzeugern Nachhaltigkeit verlangt wird, hat das auch für die internationale Konkurrenz zu gelten. Wie bei der Energie muss bei den Lebensmitteln künftig die Klimabilanz zählen. Regionale Erzeugnisse sind da im Vorteil. Für faire Erzeugerpreise stehen die Verbraucher mit in der Pflicht. Lebensmittel sind im europäischen Vergleich ziemlich günstig in Deutschland. Italiener und Franzosen etwa lassen sich ihr Essen deutlich mehr kosten – was sich in Vielfalt und Qualität des Angebots niederschlägt. Zwar ist wahr, dass viele Haushalte in Deutschland über wenig Geld verfügen und auf den günstigen Einkauf bei den Discountern angewiesen sind. Doch auf deren Parkplätzen stehen durchaus auch teure Karossen von Besserverdienern.
Gutes, regional erzeugtes und handwerklich verarbeitetes Essen ist hierzulande leider bislang eben kein Statussymbol. Vielleicht ändert sich das ja in Zukunft. Werden Flugreisen weniger und die Autos kleiner, bleibt mehr im Geldbeutel für gesunde, nachhaltige und hochwertige Lebensmittel. Davon hätten alle etwas: die Bauern, der Handel, die Kunden – und natürlich die Umwelt.
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Denkt auch mal an die Sozial schwachen Leute.
Mini Rente, Hartz 4, die sind froh wenn man noch billig einkaufen kann.
Problem ist unsere Regierung.
Gier nach Geld und nichts zurück geben wollen !!
Will man jetzt noch mehr zur Tafel treiben ???
"Bienen und das Klima retten, die Landschaft pflegen und allerhöchste Qualitätsmaßstäbe erfüllen. Nur kosten darf es natürlich nichts."
Auch Herr Junginger sollte mal zur Kenntnis nehmen, dass die Erzeugerpreise der Landwirte z. B. bei Getreideprodukten mit den Ladenpreisen, die der Konsument zu bezahlen hat, wenig zu tun haben. Bei Semmeln, Brot und dgl. liegt der Anteil der Erzeugerpreise am VK bei etwa 7%. Jeder Verbraucher weiß, dass z. B. die Brotpreise an der Ladenkasse z. B. seit 1990 um ein Vielfaches erhöht wurden, während die Erlöse der Landwirte bestenfalls stagnierten bzw. sanken. Selbst wenn die Bäckereien wie in diesen Tagen wieder einmal ohne die Qualität zu steigern, an der Preisschraube drehen, werden die Landwirte wenig davon haben.
Der einzige Ausweg besser gesagt die Sackgasse die den Bauern blieb, um wirtschaftlich zu überleben, war immer mehr und noch mehr zu Lasten von Natur und Umwelt zu erzeugen. Damit schufen sie sich den Druck auf ihre Erzeugerpreise auch noch selbst. Ca. 40% der deutschen Fleischproduktion geht in den Export und zerstört hochsubventioniert in vielen z. B. afrikanischen Ländern die heimische Landwirtschaft und über die erforderl. Futtermittelimporte auch noch die Regenwälder.
Warum wird nicht endlich klar geregelt, dass die Tierhaltung wie es einmal die Regel war im richtigen Verhältnis zur landw. Nutzfläche stehen muss? Warum geht man nicht an die kontraproduktiven, schädlichen nur Agrarfabriken und Investoren aller Couleur begünstigenden Flächensubventionen? Warum sieht die Politik zu wie die begrenzte Ressource Grund und Boden zum Spekulationsobjekt für weltweit vagabundierendes Kapital wird? Warum schafft man nicht ein Vorkaufsrecht bei Agrarland für bäuerliche Betriebe? Z. B. auch um die ständig steigenden Pachtpreise zu dämpfen. Die Probleme und Sorgen von Landwirten und Mietern sind auf diesem Gebiet sehr ähnlich. Warum sorgt die Politik nicht für Maßnahmen und Regeln, die Verbraucher auch in die Lage versetzen, Qualität, Herkunft und Produktionsweg von Lebensmitteln zuverlässig zu beurteilen? Z. B. u. a. ein verpflichtendes Tierwohl-Label.
Stattdessen leiert die einstige "Lieblingspartei" der Bauern eine Kampagne gegen Tempo 130 an!
Tut mir leid, die haben Sie nicht mehr alle . . .
Das ständige einseitige Verbraucher-Bashing geht am Kern des Problems vorbei und langweilt auch mit der Zeit, Herr Junginger.
Das schreibt Herr Junginger doch explizit, Herr KR:
>>Doch bei vielen weiterverarbeiteten Nahrungsmitteln macht der Anteil der Rohware nur einen geringen Anteil aus, im Brot steckt etwa meist lediglich Getreide für wenige Cent. Es wäre also nicht existenzgefährdend, würden die Erzeuger fairer bezahlt.<<
Genau so ist es doch. Ebenso bei der Milch. Kein Mensch kann mir erzählen, dass nicht auch ein einkommensschwächerer Verbraucher einen fairen Preis für die Milch zahlen könnte.
Und bei Fleisch müsste man ggf. eben den Konsum reduzieren. Würde bekanntermaßen den meisten auch nicht schaden und für die Umwelt wäre es sehr förderlich.
Ich stimme Ihnen aber insofern zu, dass die Politik versucht andere in die Pflicht zu nehmen, weil sie selbst vor der Lobbyarbeit einknickt. Andererseits ist der Ansatz aus diesem Grund vllt. gar nicht so schlecht. Die Handelsketten machen ja seit einiger Zeit auf 'gesellschaftsbewusst'. Tun weniger Salz und Zucker in ihre Produkte, verbannen Plastiktüten etc. pp. Wenn auch in anderen Punkten ein Umdenken einsetzen würde, DANN könnte die Politik auch leichter mit gesetzlichen Maßnahmen unterstützend tätig werden.
Ohne Einsicht beim Verbraucher wird es allerdings kaum gehen.
@ MAJA S.
Ich fürchte, eine fairere Bezahlung allein der Erzeuger nach good will der Konzern-Einkäufer wird an den zerstörerischen, z. T. tierquälerischen Produktionsbedingungen, an der Überproduktion nichts ändern. Im Gegenteil - unter den derzeitigen globalisierten, unregulierten Märkten, vermutlich sogar eher das "Weiter so" unterstützen.
Allzuviel Vertrauen in die Einsicht der Verbraucher ist m. E. nicht angebracht. Darauf war schon beim Rauchverbot in Gaststätten kein Verlass.
Was zwingend erforderlich wäre, sind verbindliche Richtlinien für eine nachhaltige Produktion, die auch für Importe gelten müssen und eine daran ausgerichtete Subventionspolitik - die ruhig auch zu einer Angebotsverknappung mit dem Ziel höherer Erzeugerpreise und einer deutlichen Qualitätssteigerung führen darf.