Chef der Bundesagentur für Arbeit: Wir brauchen mehr Zuwanderung
Exklusiv Detlef Scheele ist Chef der Bundesagentur für Arbeit. Er beklagt, dass sich der Fachkräftemangel wegen zu geringer Zuwanderung in Corona-Zeiten verschärft.
Herr Scheele, können Sie Menschen, die durch Corona ihren Job verloren haben, Mut machen, dass sie nach Corona wieder einen Arbeitsplatz finden?
Detlef Scheele: Ja, ich kann ihnen Mut machen, dass sie wieder einen Arbeitsplatz finden, wenn sie qualifiziert sind. Im Moment liegt die Zahl der Arbeitslosen um 475.000 höher als vor einem Jahr. Diese Zahl geht auf Corona zurück. Nach Corona werden wir jedenfalls keine Rückkehr zu schlimmen Zeiten mit vier Millionen Arbeitslosen erleben.
Zuletzt gab es noch 2,26 Millionen Kurzarbeiter. Wie viele Jobs wurden durch Kurzarbeitergeld gerettet?
Scheele: Mit dem Kurzarbeitergeld haben wir im November rechnerisch immer noch eine Million Arbeitsplätze gesichert. Man darf sich gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn all diese Kurzarbeiter arbeitslos wären.
Wie viele Arbeitslose hätten wir dann?
Scheele: Da hätten wir schon 2020 im April rechnerisch über fünf Millionen Arbeitslose gehabt. Denn: In der Spitze haben wir mit der Kurzarbeit drei Millionen Arbeitsplätze gesichert. Die Kurzarbeit ist ein Segen für Deutschland. Und es ist ein Segen für Deutschland, dass die Bundesagentur für Arbeit Rücklagen aus Versichertengeldern von knapp 26 Milliarden Euro hatte.
Doch diese stattliche Summe dürfte ja aufgebraucht sein.
Scheele: Deswegen ist es gut und richtig, dass Bundestag und Bundesregierung beschlossen haben, dass die Bundesagentur zur Weiterfinanzierung der Kurzarbeit einen Zuschuss aus dem staatlichen Haushalt bekommt. Das werden nach der jetzigen Planung insgesamt knapp zehn Milliarden Euro sein.
Steigt nun der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung?
Scheele: Gegenwärtig wäre eine Beitragssatzsteigerung kontraproduktiv. Aber die Krise hat sehr deutlich vor Augen geführt, welchen hohen stabilisierenden Wert eine ordentliche Reserve hatte. Der Beitrag ist gesetzlich auf 2,6 Prozent festgelegt. Er ist seit letztem Jahr und befristet bis Ende 2022 auf 2,4 Prozent abgesenkt. Dann geht er zurück auf 2,6 Prozent. Wie es weitergeht, werden wir sehen.
Kommen wir am Arbeitsmarkt 2021 mit einem blauen Auge davon?
Scheele: Wir gehen im Moment davon aus, dass wir auch beim zweiten Lockdown, was die Zahl der Entlassungen betrifft, mit einem blauen Auge davonkommen. Wenn 2022 ein normales Jahr wird, hoffen wir, dass wir spätestens 2023 eine neue Rücklage erwirtschaften können.
Man kann nicht ewig auf Kurzarbeit setzen, also kaum über 2021 hinaus.
Scheele: Nein, das kann man nicht. Kurzarbeit ist kein Geschäftsmodell. Wichtig ist, dass wir in Deutschland sobald wie möglich die Qualifizierung der Mitarbeiter hochfahren. Denn wenn wir die Pandemie überstanden haben, wird sich der Mangel an Fachkräften verstärkt zurückmelden. Wir dürfen also Beschäftigte nicht verlieren, weil sie, was etwa Digitalisierung und Elektrifizierung betrifft, noch nicht ausreichend qualifiziert sind. Denn sowohl im vergangenen als auch in diesem Jahr geht die Zahl an zur Verfügung stehenden Arbeitskräften zurück. Corona verschärft die demografische Entwicklung: Unserer alternden Gesellschaft stehen noch weniger Fachkräfte zur Verfügung.
Was hat das für Konsequenzen?
Scheele: Wegen Corona ist die EU-Zuwanderung deutlich zurückgegangen. Auch das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz kann noch nicht greifen. Es kommen viel zu wenige Arbeitskräfte nach Deutschland. Es wird dauern, bis wir die Lücke schließen.
Auf uns wartet nach Corona also nicht Massenarbeitslosigkeit, sondern ein sich verschärfender Fachkräftemangel.
Scheele: Davon gehe ich aus. Deutschland braucht langfristig netto jährlich eine Zuwanderung von 400.000 Menschen, damit der Arbeitsmarkt im Gleichgewicht bleibt. Im vergangenen Jahr dürften wir mit 200.000 bis 250.000 Menschen deutlich darunter liegen.
Für welche Beschäftigten-Gruppen wird die Lage nach Corona kritisch?
Scheele: Die Leidtragenden werden an- und ungelernte Kräfte sein. In guten Zeiten haben viele ausgebildete Fachkräfte aus dem Hotel- und Gaststättenbereich oder anderen Branchen einen gut bezahlten Helferjob in der Industrie angenommen. Für solche Beschäftigten sehe ich Gefahren: Denn die weggefallenen Arbeitsplätze für Helfer werden nach Corona nicht mehr in dem Umfang wieder kommen. Dadurch wird die Arbeitslosigkeit unter dem Strich steigen, auch wenn die Nachfrage nach qualifiziertem Personal wieder deutlich nach oben geht.
Wie sicher sind in Corona-Zeiten die Jobs der bei uns lebenden Flüchtlinge?
Scheele: Diese Geflüchteten mussten wie viele Ausländer während der Corona-Zeit mit die größten Einbußen am Arbeitsmarkt hinnehmen. Denn viele von ihnen gehören zu den un- und angelernten Kräften und Zeitarbeitern. Auch ihre zum Teil schlechten Sprachkenntnisse stellen ein enormes Beschäftigungsrisiko dar. In den ersten Monaten der Pandemie haben vor allem ausländische Kräfte ihren Arbeitsplatz verloren. Das ist zum Glück etwas besser geworden.
Die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die also ein Jahr oder länger ohne Job sind, soll im Februar wieder über eine Million steigen. Wie sehr schmerzt Sie das?
Scheele: Wir lagen bei der Zahl Ende 2019 schon mal unter 700.000. Das ist jetzt ein großer Rückschlag. Es tut weh. Wir haben uns in den vergangenen Jahren enorm angestrengt und Erfolge verzeichnet. Es wird dauern, bis wir da wieder anknüpfen können. Es ist zumindest kurzfristig nicht auszuschließen, dass sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen weiter nach oben entwickelt.
Warum sind Sie so skeptisch?
Scheele: Die Unternehmen stellen derzeit schlicht wenig ein. Für uns sind nicht die Zahl der Entlassungen, sondern die zu wenigen Neueinstellungen ein Problem. Hier zeigt sich auch eine Schattenseite der Kurzarbeit, schließlich muss ein Unternehmen erst die Kurzarbeit abbauen, ehe es neue Beschäftigte einstellen kann.
Wie kritisch sieht die Lage am Ausbildungsmarkt aus?
Scheele: Der Ausbildungsjahrgang 2021/2022 zeigt Probleme auf: Denn es gibt weniger Bewerber und weniger Ausbildungsplätze. Wir befürchten, dass wir in diesem Jahr Jugendliche für die duale Ausbildung verlieren, weil sie Alternativen suchen. Es wird voraussichtlich keine Generation Corona geben, aber einen schwierigen Corona-Ausbildungsjahrgang. Die Arbeitgeber dürfen bei der Ausbildung nicht nachlassen. Das ist mein Appell.
Die Zahl der Mini-Jobs ist in einem Jahr um rund eine halbe Million dramatisch zurückgegangen. Fallen deshalb Menschen in Armut zurück?
Scheele: Allein die Gastronomie hat im vergangenen Jahr 200.000 Mini-Jobber verloren. Hier ist für einige Menschen ein existenzsicherndes Zubrot weggefallen. Ich verstehe, dass Menschen Angst haben, in Armut zurückzufallen. Für manche ist der Gang zum Jobcenter ein wirksamer Ausweg. Es ist völlig in Ordnung, dorthin zu gehen, auch wenn das manchen widerstrebt. Sie haben einen Anspruch auf die Leistung, zumal der Zugang leichter ist. Menschen müssen derzeit ihre Vermögenslage nicht aufdecken.
Aber ist der Hartz-IV-Satz, wie Kritiker sagen, nicht zu niedrig bemessen?
Scheele: Wir stehen mit unserer Grundsicherung im oberen Drittel in Europa. Aber ich bin der Meinung, dass Grundsicherungsempfänger in der Situation einen Einmalbetrag vom Staat bekommen sollten. Es ist gut, dass die Koalition sich darauf geeinigt hat. Allein dadurch, dass das Schul- und Kita-Essen wegfällt, wenn Kinder nicht zur Schule gehen, geraten sicher manche Grundsicherungsbezieher in Sorge, nicht mit ihrem Geld auszukommen.
Doch noch einmal: Ist der Hartz-IV-Satz nicht zu niedrig?
Scheele: Man muss aufpassen, dass Steuerzahler mit geringerem Einkommen, die letztlich auch mit ihrem Geld die Grundsicherung finanzieren, nicht den Eindruck gewinnen, dass die Ausgaben für die Grundsicherung sie über Gebühr belasten. Der Regelsatz für eine alleinstehende Person liegt bei 446 Euro. Zudem werden die Kosten für die Wohnung beglichen und die Krankenversicherung gezahlt. Das entspricht in etwa einer Summe von 1100 Euro netto. Jene, die das bezahlen, dürfen nicht glauben, es würde zu großzügig mit ihren Steuergeldern umgegangen. Und ich bin fest überzeugt: Die Grundsicherung darf nicht zu einem ewig dauernden Leistungsbezug werden.
Was machen Sie Mitte 2022 mit 65 Jahren, wenn Sie als Chef der Bundesagentur für Arbeit gehen? Zieht es Sie als SPD-Mitglied und Ex-Staatssekretär zurück in die Politik?
Scheele: Das kann ich mir nicht vorstellen. Dann ist es auch mal gut.
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Meines Erachtens brauchen wir nicht noch mehr Zuwanderung. Bisher hatten und haben wir durch das Asylrecht nur eine massive Zuwanderung in die Sozialsysteme, die wir trotz vielfacher Bildungsangebote und -maßnahmen nicht merklich reduzieren. Das liegt auch massiv an der Mentalität und Einstellung der überwiegenden Zahl der Zugewanderten selbst. Auch die 3. Generation der damaligen "Gastarbeiter" haben sich durch Bildungsverweigerung und Abschottung großteils bis heute nicht integriert und sind im Arbeitsmarkt immer noch nicht wirksam angekommen. Wenn wir diese Probleme wirksam angehen, dann benötigen wir nicht noch mehr Zuwanderung aus dem Ausland. Zudem haben wir keinen bezahlbaren Wohnraum für unsere eigene Bevölkerung. Bevor man nach mehr Zuwanderung schreit, sollte man erst diese vorhandenen Probleme im eigenen Land zu lösen versuchen und eben direkt vor der eigenen Tür wirksam kehren! Sofern diese Probleme gelöst werden, haben wir genügend Potential an künftigen Fachkräften!
Gebe Ihnen vollkommen Recht.
Noch mehr Zuwanderung bedeutet noch knapperen Wohnraum und die Preise steigen.
Kann eh schon keiner mehr bezahlen ( auch nicht der normale Arbeiter ).
Aber auch in den anderen Punkten bin ich vollkommen Ihrer Meinung.
"Chef der Bundesagentur für Arbeit: Wir brauchen mehr Zuwanderung"
Am besten eine Zuwanderung mit Mutations Hintergrund.
Richtig, wir brauchen mehr Zuwanderung, aber nicht wie in der Vergangenheit, eine größtenteils unkontrollierte Emigration von Unqualifizierten, Wirtschaftsflüchtlingen, Asozialen und Kriminellen, die sich mit Nichtstun ein kostenlose und staatlich subventionierte Konsumentenzukunft erhoffen.