Warema-Chefin: "Erst durch die Frauenquote bewegt sich etwas"
Angelique Renkhoff-Mücke führt den Mittelständler Warema - und hält eigentlich wenig von Quoten. Ein Gespräch über starre Strukturen und Statussymbole.
Frau Renkhoff-Mücke, seit 18 Jahren sitzen Sie im Chefsessel von Warema. Was hat sich seitdem verändert?
Angelique Renkhoff-Mücke: Ich glaube, die Kultur im Unternehmen hat sich grundlegend gewandelt. Mein Vater hat Warema streng hierarchisch geführt. Er hatte diese Gründermentalität: Ärmel hochkrempeln und machen. Damit war er über Jahrzehnte erfolgreich. Ideen mussten – wie in einem Silo – erst nach oben getragen, abgesegnet und wieder nach unten delegiert werden. Allerdings haben sich seitdem die Rahmenbedingungen und die Ansprüche der Mitarbeiter an den Führungsstil dramatisch verändert. Die starre Struktur habe ich deshalb nach und nach aufgebrochen.
Gehen Frauen damit anders um als Männer?
Renkhoff-Mücke: So allgemein kann man das nicht sagen. Aber ich habe schon die Erfahrung gemacht, dass viele Frauen stärker sachorientiert denken und weniger Wert auf Statussymbole legen. Das hilft, Hierarchien aufzubrechen. Grundsätzlich gilt: Ein Unternehmen profitiert von Diversität – von unterschiedlichen Nationalitäten, Charakteren und Sichtweisen. In Schule und Studium sind Frauen häufig erfolgreicher, doch irgendwo versickert dieses Potenzial. Das haben auch viele Männer mittlerweile erkannt.
In den Vorstandsetagen bleiben sie trotzdem lieber unter sich.
Renkhoff-Mücke: Das stimmt. Leider sind Beförderungen nach wie vor Männersache. Eine Frau muss immer ihre Qualifikation unter Beweis stellen. Sie wird viel stärker abgeprüft. Bei Männern wird die Kompetenz einfach vorausgesetzt. Und das lassen sie einen spüren.
Haben Sie das auch erlebt?
Renkhoff-Mücke: Natürlich. Erst kürzlich habe ich mich auf einer Veranstaltung als Vorstandsvorsitzende vorgestellt. Eine der ersten Fragen meines Gegenübers war, ob ich auch wirklich jeden Tag arbeiten würde. Ich glaube nicht, dass einem Mann diese Frage gestellt worden wäre.
Und was haben Sie geantwortet?
Renkhoff-Mücke: (lacht) Ich habe geschmunzelt und mir gedacht: Das ist keine Diskussion, die ich jetzt führen möchte. Aber man sieht: Diese Denkmuster sind noch immer in den Köpfen verankert. Ich kenne Frauen, die große Projekte verantwortet haben. Die erzählen mir, dass sie vor Meetings durchaus schon gefragt wurden, ob sie nicht den Kaffee bringen könnten. Einem Mann passiert so etwas nicht. Ich erlebe aber, dass viele junge Mitarbeiterinnen damit zunehmend selbstbewusst umgehen. Viele Jahrzehnte wurden Mädchen bestimmte Rollenbilder anerzogen. Das hat sich in den letzten Jahren spürbar verändert.
Ihren Vater haben Sie eingangs als Patriarchen beschrieben. Wie war es für Sie, als Tochter und Frau die Geschäfte zu übernehmen?
Renkhoff-Mücke: Ein Unternehmen dieser Größe kann man nur führen, wenn einem die Mitarbeiter vertrauen. Das muss man sich erarbeiten. Da bekommt man nichts geschenkt – egal ob Frau oder Mann. In den ersten Jahren musste ich deshalb vor allem fachliche Kompetenz unter Beweis stellen. Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Kinderbetreuung kamen erst später.
War das eine bewusste Entscheidung?
Renkhoff-Mücke: Ja. Wenn man sich als Frau zuerst auf Betriebskitas konzentriert, wird man schnell darauf reduziert. Das wollte ich nicht. Solche Themen bin ich erst angegangen, als ich mir die fachliche Anerkennung erarbeitet habe.
War es ein Problem, dass Ihr Vater noch bis 2007 im Aufsichtsrat saß?
Renkhoff-Mücke: Aus dem operativen Geschäft hat er sich aus gesundheitlichen Gründen schnell zurückgezogen. Im Aufsichtsrat aber spielte er – gerade in der Anfangszeit – oft eine Doppelrolle. Es war schwer für ihn, loszulassen. Da gab es durchaus harte Diskussionen zur Rollenverteilung. Ich musste ihm klarmachen, dass ich seinen Rat sehr schätze, die Entscheidungen aber bei mir liegen.
Fehlt Frauen manchmal der nötige Biss, sich in solchen Machtkämpfen zu behaupten?
Renkhoff-Mücke: Vor allem können sich Frauen in der Regel nicht nur auf einen Kampf konzentrieren. Viele von ihnen managen nebenher noch die Familie. Die meisten erfolgreichen Männer dagegen haben eine starke Frau im Hintergrund, die ihnen den Rücken freihält. Dazu kommt, dass Frauen sehr viel selbstkritischer sind. Statt eine Beförderung einfach anzunehmen, wird überlegt, ob man den Anforderungen überhaupt gerecht wird. Eigentlich eine Stärke, doch häufig wird dies als Unentschlossenheit und damit als Schwäche ausgelegt. Leider.
Dann war die 2015 beschlossene Frauenquote doch ein überfälliger Schritt.
Renkhoff-Mücke: Ich gebe zu, ich bin kein Fan fester Quoten. Ein Unternehmen sollte nicht gezwungen werden, erfahrene Manager auf die Straße zu setzen, weil die Quote erfüllt werden muss. Ich sehe aber ein, dass über viele Jahre nichts passiert ist. Erst durch die Quote bewegte sich etwas. Das Argument, es gebe keine qualifizierten Kandidatinnen, hat sich in den Aufsichtsräten schnell als falsch herausgestellt. Man muss eben nur gezielt auf die Suche gehen. Ich werde oft gefragt, ob ich mich denn als Quotenfrau fühle. Vielleicht bin ich das manchmal sogar. Aber das stört mich nicht. Es gibt auch viele Quotenmänner – nämlich jeder, der nicht wegen seiner Qualifikation, sondern aufgrund seines Geschlechts befördert wird.
Würde eine gesetzliche Quote denn auch in der Vorstandsetage Sinn machen?
Renkhoff-Mücke: Ich kann nachvollziehen, dass Unternehmen argumentieren, sie könnten laufende Verträge nicht einfach kündigen. Es ist nicht leicht, qualifizierte Kandidaten für die Vorstandsetage zu finden. Eine Quote macht es noch schwieriger.
Braucht es die Vorstandsquote? Ja oder nein?
Renkhoff-Mücke: Ich würde den Unternehmen zumindest mehr Zeit geben, sich dahin zu entwickeln.
Eine Abschlussfrage: Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?
Renkhoff-Mücke: Ich mache mich für Frauen stark und schaue auf Themen mit einem weiblichen Blick. Aber ich verfolge keine feministische Ideologie, dafür bin ich zu liberal.
…und deshalb auch FDP-Mitglied.
Renkhoff-Mücke: Genau.
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