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Foto: Urban Zintel
Foto: Urban Zintel

Tijen Onaran hat das Netzwerk „Women in Digital“ gegründet.

Interview
10.11.2018

Warum tun sich Frauen in der Start-up-Branche schwer, Frau Onaran?

Von Thomas Domjahn

Die Unternehmerin Tijen Onaran setzt sich für Frauen in der digitalen Wirtschaft ein und fordert das Ende klassischer Rollenbilder. Sie sagt, was Frauen fehlt.

Frau Onaran, warum tun sich Frauen so schwer, in der Start-up-Branche Fuß zu fassen?

Tijen Onaran: Die Zahlen sind tatsächlich ernüchternd. Das erste Problem ist der Zugang zum Kapital. Da fehlen vielen Frauen oft die nötigen Netzwerke. Zum Zweiten sind viele Frauen manchmal zu perfektionistisch. Man muss nicht immer mit einer 100-Prozent-Lösung auf den Markt gehen, sondern kann es auch mal mit einer 70-Prozent-Lösung versuchen.

Liegt es auch daran, dass die IT-Branche sehr männlich geprägt ist? Die Gründer von großen Internet-Konzernen wie Bill Gates, Steve Jobs oder Mark Zuckerberg waren fast alle Männer.

Onaran: Das war nicht immer so. Ada Lovelace, eine der ersten Programmiererin der Geschichte, war eine Frau. Sie schrieb im 19. Jahrhundert bereits Programme, obwohl es noch gar keine Computer dafür gab. Wir müssen klassische Rollenbilder in der IT-Branche aufbrechen. Der Internethandel mit Nagellack ist für mich auch IT, auch wenn dabei nicht um Hochtechnologie wie Blockchain oder künstliche Intelligenz geht.

Das heißt, man muss kein Nerd sein, um in der Start-up-Branche erfolgreich zu sein?

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Onaran: Genau. Ich bin auch kein Nerd und habe mir viel selber beigebracht. Wenn man mitreden will, muss man die Sprache des Programmierens verstehen, sich aber nicht in allen Verästelungen auskennen. Digitalisierung ist nicht nur Programmieren.

Frauen wird oft vorgeworfen, dass sie nicht selbstbewusst genug auftreten. Ist da was dran?

Onaran: Das war vielleicht früher so, aber die heutige Frauengeneration tickt anders. Man muss laut sein, ohne ständig mit Ausrufezeichen durch die Gegend zu laufen. Dafür eignen sich auch die sozialen Medien.

Warum ist das Arbeiten in gemischten Teams, im Fachjargon Diversität genannt, Ihrer Meinung nach so wichtig für Unternehmen?

Onaran: Wenn verschiedene Werte aufeinander treffen, steigt die Kreativität von Gruppen. Deshalb sollten Unternehmen die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit intensivieren. Ohne Diversität kann es keine Digitalisierung geben.

Aber der klassische Vorstand in Deutschland ist nach wie vor männlich, über 50 Jahre alt und hat eine weiße Hautfarbe.

Onaran: Das stimmt. Aber die großen Unternehmen wie zum Beispiel SAP oder Siemens haben bereits dazugelernt und fördern ganz bewusst Frauen oder Mitarbeiter mit einem Migrationshintergrund, um mehr Diversität zu erreichen.

Welche Frau könnte als Rollenmodell für Gründerinnen dienen?

Onaran: Janina Kugel, Personalchefin von Siemens. Sie setzt sich für Diversität in der Wirtschaft ein und ist sehr aktiv in den sozialen Medien.

Wann gibt es zum ersten Mal eine Frau an der Spitze eines Dax-Konzerns?

Onaran: Ich glaube, das wird nicht mehr lange dauern. Vielleicht klappt es schon im kommenden Jahr. Es gibt viele Frauen, die dafür das Potenzial hätten.

Zur Person: Tijen Onaran ist Moderatorin und Speakerin. Sie ist Gründerin der Netzwerke „Women in Digital“ und „Global Digital Women“.

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