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  3. Interview: Wirtschaftsweise Veronika Grimm: "Kein Land allein kann das Klima schützen"

Interview
24.09.2021

Wirtschaftsweise Veronika Grimm: "Kein Land allein kann das Klima schützen"

Prof. Veronika Grimm ist seit 2020 im Team der Wirtschaftsweisen.
Foto: Christina Bleier, Lechwerke

Professorin Veronika Grimm erklärt, wie es in der Klimapolitik weitergehen muss und warum Deutschland den größten Beitrag erbringt, wenn es Klima-Technologie entwickelt.

Frau Professor Grimm, seit Jahren forschen Sie zum Energiemarkt, erst durch Fridays for Future hat das Thema aber richtig Popularität gewonnen. Sind Sie ein Greta Thunberg-Fan geworden?

Prof. Veronika Grimm: Dass Greta Thunberg so eine große Bewegung ausgelöst hat, ist fantastisch. Entscheidend war vor allem, dass die Fridays-for-Future Bewegung global verfangen hat. Denn kein Land allein kann effektiv das Klima schützen, dazu müssen viele Länder mitmachen. Vor dieser Herausforderung stehen wir global immer noch. Es wird entscheidend sein, dass der Druck, der von der Bewegung ausgeht, hoch bleibt – ganz unabhängig davon, dass es im Detail ein weites Spektrum an Meinungen gibt, wie der Klimaschutz umgesetzt werden soll.

Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Halten Sie das für machbar? Zwar ist ein Großteil des Stroms erneuerbar, aber die meisten Autos fahren immer noch mit Benzin und Diesel, wir heizen überwiegend noch mit Öl und Gas...

Grimm: Ich denke, Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 ist technologisch realisierbar – die Umsetzung wird eine Herausforderung. Wir haben bei der Solarenergie gesehen, dass die Technologie nach der Entwicklung rasant an Fahrt gewinnen kann. Die Produktionszahlen gingen rapide nach oben, die Kosten nach unten. Ähnliches werden wir bei vielen Technologien erleben. Manchmal erfahren Technologien auch zwei, drei Mal ein kleines Hoch. Die Wasserstofftechnologie hatte schon vor 20 Jahren einen Anlauf gemacht, aber damals waren verschiedene Technologien entlang der Wertschöpfungsketten, zum Beispiel für den Transport von Wasserstoff, noch nicht ausgereift. Dass es Deutschland bis 2045 gelingt, die Ziele zu erreichen, ist durchaus vorstellbar. Aber ob wir weltweit Klimaneutralität zu erreichen – und darauf kommt es ja an – hängt davon ab, ob es gelingt, Klimapolitik zwischen den Staaten zu koordinieren.

Welche Staaten sehen Sie im Klimaschutz als besonders entscheidend an?

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Grimm: Die großen Handelsregionen der Welt müssen sich in der Klimapolitik abstimmen. Wir müssen es schaffen, eine Klimaallianz zu begründen, die mindestens Europa, die USA und China umfasst. Wir können in all diesen Wirtschaftsräumen viel ambitionierter Klimaschutz betreiben, wenn wir nicht der Gefahr ausgesetzt sind, dass der Klimaschutz unsere globale Wettbewerbsfähigkeit reduziert. Das passiert aber, wenn sich unsere Produktion verteuert, während die Wettbewerber auf den Weltmärkten den Klimaschutz vernachlässigen und die gleichen Produkte viel billiger anbieten.

Reichen die Pariser Klima-Ziele zur Koordinierung nicht aus?

Grimm: Das Klimaabkommen von Paris ist enorm wichtig, weil sich die Staaten geeinigt haben, die Erwärmung deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Die nationalen Ziele zur Emissionsreduktion legen die Staaten dann aber selbst fest. Diese nationalen Ziele reichen in der Summe reichen bisher nicht aus, das Pariser Klimaziel zu erreichen. Die anstehende Klimakonferenz in Glasgow im November wird deshalb sehr wichtig: Erstens muss man es schaffen, dass die Summe der nationalen Klimapläne mit dem Pariser Klimaziel übereinstimmt. Zweitens muss es um die Finanzierung des Klimaschutzes gehen. Was dabei oft unterschlagen wird: Das öffentliche Geld für den Klimaschutz wird nicht ausreichen.

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Woher sollen die Gelder für den Klimaschutz noch stammen?

Grimm: In Deutschland sind nur 15 Prozent der Investitionen staatlich, 85 Prozent kommen aus der privaten Wirtschaft. Es muss also dringend darum gehen, mehr privatwirtschaftliche Investitionen in den Klimaschutz auszulösen. Es muss global attraktiv sein, in das Klima zu investieren.

Ist Deutschland in der Klimapolitik auf dem richtigen Wege?

Grimm: Wir diskutieren in Deutschland im Wahlkampf leider oft sehr national und kleinteilig. Damit sind wir nicht auf dem richtigen Weg unterwegs. Es wäre kontraproduktiv, Deutschland klimaneutral zu machen, wenn gleichzeitig Unternehmen abwandern, unsere Innovationskraft sinkt und sich außerdem Emissionen nur verlagern, also andere Länder mehr Emissionen ausstoßen. Es ist zum Beispiel nicht attraktiv, sind von der Gasversorgung einfach nur schnell unabhängiger machen zu wollen. Dann nehmen etwa die asiatischen Staaten das russische Gas ab und befeuern damit ihr Wachstum. Einer unser entscheidenden Beiträge zum Klimaschutz muss es sein, dass wir Technologien entwickeln, die klimaneutrales Wirtschaften ermöglichen, und diese weltweit zur Verfügung zu stellen, also vor allem auch zu exportieren. Die ganze Welt braucht schnell Möglichkeiten, klimafreundliches Wachstum zu realisieren. Afrika wird eines Tages der bevölkerungsreichste Kontinent sein, auch Staaten wie Indien und Indonesien wollen durch Wachstum ihren Wohlstand mehren. Das werden wir nicht ändern können – aber wir können Möglichkeiten eröffnen, dass es klimafreundlicher möglich ist.

Welche Rahmenbedingungen braucht Klimapolitik in Deutschland?

Grimm: Die deutsche Industrie braucht gute Rahmenbedingungen für Innovation und technologischen Fortschritt. Zu lange haben Teile der Industrie leider versucht, die Transformation aufzuhalten. Die Autoindustrie hat zum Beispiel lange in Berlin und Brüssel sehr erfolgreich gegen strengere Flottengrenzwerte lobbyiert. Jetzt hat die EU mit dem Green Deal und die Bundesregierung mit dem Klimaschutzgesetz endlich klargestellt, dass fossile Geschäftsmodelle keine Zukunft haben. Unternehmen reagieren darauf, indem sie ihre Anstrengungen darauf richten, klimafreundliche Lösungen zu entwickeln. Die alten Gräben zwischen Klimaschützern und der Wirtschaft müssen nun eigentlich zugeschüttet werden, denn alle haben nun das gleich Ziel vor Augen, die Klimaneutralität. Ein echter Beitrag Deutschlands zum globalen Klimaschutz gelingt vor allem dann, wenn Deutschland seine technologische Expertise einbringen kann. Der globale Energiehandel muss sich zum Beispiel von fossilen hin zu erneuerbaren Energieträgern verändern. Heute importieren wir 70 Prozent unserer Primärenergie in Form von fossilen Energieträgern: Kohle, Öl Gas. Es geht nun darum, erneuerbare Energie zu importieren, zum Beispiel auch aus Afrika, Chile oder Australien, wo exzellente Bedingungen für erneuerbare Energie herrschen. Das geschieht in Form von grünem Wasserstoff. Dabei wird deutsche Technologie eine große Rolle spielen.

Welche Bedingungen müsste es in Deutschland geben, um neue Technologien voranzubringen?

Grimm: Die Klimaneutralität erreichen wir über die Sektorenkopplung, also die Nutzung von zunehmend erneuerbarem Strom in den Sektoren Wärme und Verkehr sowie der Industrie. Ein zentraler Hebel ist also, dass Strom – auch erneuerbarer Strom – günstig sein muss. Das Gegenteil ist heute der Fall. Deshalb müssen die Stromkosten massiv gesenkt werden. Allein die EEG-Umlage macht rund ein Viertel am Strompreis aus und ist ein Bürokratiemonster. Sie sollte abgeschafft werden. Auch die Stromsteuer könnten man auf das europäische Minimum reduzieren. Damit könnte man insgesamt den Strompreis um ein Drittel senken.

Was wären die Vorteile über die Ersparnis im Geldbeutel hinaus?

Grimm: Mit dem günstigeren Strom wäre es viel interessanter für die Menschen, in Wärmepumpen zum Heizen investieren oder ein Elektroauto kaufen – Entscheidungen, die für den Klimaschutz wichtig sind. Gleichzeitig hätte man einen sozialen Ausgleich für steigende CO2-Preise, die fossile Brennstoffe zum Fahren und Heizen schon heute etwas verteuern. Ein um ein Drittel niedrigerer Strompreis würde eine drei- bis vierköpfige Familie im Jahr um 300 bis 400 Euro entlasten. Letztlich entlastet man aber auch die Industrie – auch dort wäre es dann interessanter, Prozesse zu elektrifizieren und so klimafreundlich zu wirtschaften. Niedrigere Strompreise durch die Abschaffung der EEG-Umlage und Senkung der Stromsteuer bringen uns also eine dreifache Dividende: stärkere Anreize, sozialer Ausgleich und Entbürokratisierung. Damit hätte man ein schlüssiges System, in dem der CO2-Preis ambitioniert ansteigen könnte.

Im Bundestagswahlkampf bringen die Grünen beispielsweise eine Klimaprämie für alle Bürger ins Gespräch, um einen sozialen Ausgleich für die Kosten des Klimaschutzes und steigende Preise zu schaffen. Wäre das ein guter Weg?

Grimm: Zunächst mal sollte man die Strompreise wie beschrieben senken. Damit würden im Durchschnitt die Haushalte in den unteren Einkommensgruppen für die zusätzliche Belastung durch die CO2-Bepreisung sogar überkompensiert. Besondere Härtefälle, die durch die Strompreissenkung nicht ausreichend entlastet würden, müsste man zusätzlich entlasten. Das sind aber nur sehr wenige. Eine Klimaprämie würde zusätzliche Bürokratie bedeuten und hätte auch nicht die Anreizwirkung der Strompreissenkung für die Sektorenkopplung. Daher bin ich etwas skeptisch.

Damit die Umstellung auf erneuerbare Energien gelingt, müssen diese speicherbar sein. Fachleute setzen auf Wasserstoff, der mit Solar- und Windstrom erzeugt wird. Bisher gibt es diesen fast nicht. Was muss sich ändern, um die Wasserstoff-Erzeugung anzukurbeln?

Grimm: In der nationalen Wasserstoff-Strategie gibt es den Plan, bis 2030 mindestens 5 Gigawatt Elektrolyseleistung in Deutschland aufzubauen. Das sollte man ambitioniert verfolgen, und zwar ohne nach deutscher Manier besonders komplexe Rahmenbedingungen aufzusetzen. Aktuell müssen sich die Wasserstoff-Erzeuger zum Beispiel in einem komplizierten Verfahren von der EEG-Umlage befreien zu lassen. Neben der inländischen Erzeugung müssen wir Strukturen aufbauen, um Wasserstoff aus Vorzugsregionen zu importieren: In Australien werden oder Chile werden aktuell bereits Projekte zur grünen Wasserstoff-Erzeugung für den Export angestoßen.

Der Bedarf an Wasserstoff könnte schon bald steigen.
Foto: Fabian Sommer, dpa

Welche Rolle wird der Import von Wasserstoff spielen?

Grimm: Im Jahr 2030 sollen etwa 80 Prozent des grünen Wasserstoffs importiert werden. Es ist wichtig, dass wir das wirklich umsetzen. Der Wasserstoffbedarf dürfte aber schon zeitnah steigen. Für die Übergangszeit könnte man pragmatisch sein bei der Frage, welche „Farbe“ der Wasserstoff haben soll.

Die Farbe symbolisiert, auf welche Weise der Wasserstoff erzeugt wurde. Nimmt man statt grünem aber blauen oder grauen Wasserstoff, bedeutet dies, dass er aus Erdgas gewonnen wird. Für das Klima wäre dann nicht viel gewonnen, oder?

Grimm: In der Europäischen Union haben wir bisher keinen Konsens, woher der Wasserstoff stammen soll. Frankreich setzt sich zum Beispiel dafür ein, dass roter Wasserstoff als klimaneutral gilt, der mit Atomkraft erzeugt wird. Für Deutschland könnte es attraktiv sein, in der Übergangszeit auf aus Gas erzeugten blauen Wasserstoff zu setzen, bei dem man das freiwerdende CO2 unter die Erde verpresst. In der Übergangszeit halte ich mehr Vielfalt für tolerabel, wenn wir uns gemeinsam darauf verständigen, dass mittelfristig grüner Wasserstoff zum Einsatz kommt. Dadurch könnten rasch Anwendungstechnologien für die Wasserstoffwirtschaft entwickeln. In Asien werden Wasserstoff-Technologien bereits stark vorangetrieben und dort ist man beim Technologiehochlauf sehr pragmatisch mit Blick auf die „Wasserstofffarbe“. Wir dürfen nichts ins Hintertreffen geraten, weil wir beim Hochlauf der Technologien erst darauf warten, dass genügend grüner Wasserstoff vorhanden ist.

Wo sehen Sie die wichtigsten Aufgaben, welche die neue Bundesregierung anpacken muss?

Grimm: Einerseits in der Klimapolitik, sie muss weniger kleinteilig sein und ambitioniert in der Umsetzung. Das Leitinstrument sollte der CO2-Emissionshandel aus, europaweit und sektorenübergreifend. Zweitens braucht Deutschland einen raschen Ausbau der Infrastruktur. Leitungen für den Transport von Strom und Wasserstoff, die Lade- und Betankungsinfrastruktur für klimafreundliche Mobilität und die digitale Infrastruktur müssen so schnell es geht ausgebaut werden. Sonst kann der Klimaschutz nicht vorankommen. Wichtig sind drittens der Bürokratieabbau und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, nicht nur im Energiebereich. In Österreich und der Schweiz sind beispielsweise Tunnel zur Alpendurchquerung praktisch fertig, in Deutschland fehlt aber noch immer die Anbindung!

Wie muss es in der Corona-Politik weitergehen?

Grimm: Wirtschaftlich brauchen wir – natürlich mit Augenmaß – einen Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen. Der Staat muss sich zurückziehen aus Bereichen, in denen er in der Pandemie berechtigterweise mit Hilfen eingesprungen ist. Der Strukturwandel, den Corona auslöst, sollte nicht ausgebremst werden.

Das kann dann aber bald mehr Insolvenzen bedeuten...?

Grimm: Wir hatten während der Krise weniger Insolvenzen gehabt, als man in den Vorjahren beobachtet hat. Da die Pflicht zur Insolvenzanmeldung ausgesetzt war, gibt es nun vermutlich Nachholeffekte. Diese dürfen nicht zu weit hinausgezögert werden, weil sonst auch die Geschäftspartner dieser Unternehmen Probleme bekommen könnten – wenn zum Beispiel säumige Rechnungen im großen Umfang nicht mehr gezahlt werden. Bestimmte Unternehmen haben vielleicht auch kein Geschäftsmodell mehr, weil sich das Verhalten der Kunden sich dauerhaft ändert.

Wie bewerten Sie den gestiegene Inflation?

Grimm: Eine höhere Inflation war dieses Jahr zu erwarten. Die Bundesregierung hat die Mehrwertsteuersenkung zurückgenommen, der neue CO2-Preis im Wärme- und Verkehrssektor führt zu Preisanstiegen, steigende CO2-Preise im europäischen Emissionshandel verteuern Energie. Darüber hinaus sind viele Produkte durch Lieferengpässe teuer geworden, die Container-Preise haben sich mehr als verfünffacht. Stück für Stück wird dies an die Konsumenten weitergegeben. Dies sind aber vorübergehende Faktoren. Für die längerfristige Entwicklung der Inflation ist wichtig, wie die Erwartungen zu den Lohnabschlüssen und zur Politik der Europäischen Zentralbank aussehen. Zu denken müsste es uns geben, wenn sich die vorübergehend gestiegenen Preise zu stark in den Tarifverhandlungen widerspiegeln. Deutlich höhere Lohnabschlüsse können dazu führen, dass sich die Inflation verstetigt.

Ist es Zeit für die EZB zu reagieren?

Grimm: Die EZB sollte ihre Pläne, Stück für Stück aus den Corona-Krisenprogrammen auszusteigen, frühzeitig kommunizieren. Es muss klar sein, dass die EZB reagiert. Inflationsangst muss man aktuell nicht haben, aber die Erwartungen und die Lohnentwicklung im Auge behalten.

Zur Person: Prof. Veronika Grimm, 50, ist Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftstheorie an der Uni Erlangen-Nürnberg. Seit 2020 gehört sie den Wirtschaftsweisen an. Wir trafen sie auf der Veranstaltung „Klima im Dialog“ der Lechwerke AG, die zum 120-jährigen Jubiläum Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft einlud.

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Die Diskussion ist geschlossen.

25.09.2021

"Dass Greta Thunberg so eine große Bewegung ausgelöst hat, ist fantastisch. Entscheidend war vor allem, dass die Fridays-for-Future Bewegung global verfangen hat. . . .

Jetzt hat die EU mit dem Green Deal und die Bundesregierung mit dem Klimaschutzgesetz endlich klargestellt, dass fossile Geschäftsmodelle keine Zukunft haben. Unternehmen reagieren darauf, indem sie ihre Anstrengungen darauf richten, klimafreundliche Lösungen zu entwickeln."

In vielerlei Hinsicht ein wirklich tolles Interview.

1. Eine schallende Ohrfeige für die Leugner des menschenverursachten Klimawandels.
2. Eine deutliche Ansage an die Verkünder des fatalistischen Irrglaubens, dass persönliches Verhalten und Deutschlands Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakatastrophe seien völlig irrelevant und "bringen nix".
3. Die Betonung der Wichtigkeit klarer staatlicher Vorgaben und Rahmenbedingungen auch durch Verbote und die damit verbundene Absage an allzu marktradikale und -gläubige Laissez-faire-Ideologen vom Schlage Lindner.
4. Die Verurteilung der Unsitte lobbygetriebener Interventionen in Brüssel wie z. B. von Frau Merkel bei den Emissionsgrenzwerten zur Zementierung des Ist-Zustandes bei fossilen Verbrennungsmotoren.
5. Die Anerkennung der wichtigen Aufgabe von NGO's wie der Fridays-for-Future Bewegung bei Internationalisierung und globaler Ausrichtung der Maßnahmen gegen die drohende Klima-Katastrophe.
6. Und der m. E. wichtigste Punkt: Bei allen staatlichen Maßnahmen mit dem Ziel einer Lenkungswirkung darf nicht der Griff in die Geldbörse der Bürger im Vordergrund stehen. Statt nur abzukassieren muß der Staat Mitmach-Anreize setzen, die materielle Vorteile nicht nur für den Staatssäckel sondern für jeden Einzelnen zur Folge haben. Absolut kontraproduktiv und Widerstände provozierend in dieser Beziehung sind die derzeitige CO₂-Bepreisung und Strompreisgestaltung.

Frau Prof. Grimm hat wirklich etwas zu sagen. Insofern stimme ich Herrn Thürmer gerne zu.

25.09.2021

Ich halte etwa folgende Kernaussagen von Frau Professor Grimm für besonders hervorhebenswert:

"Es wäre kontraproduktiv, Deutschland klimaneutral zu machen, wenn gleichzeitig Unternehmen abwandern, unsere Innovationskraft sinkt und sich außerdem Emissionen nur verlagern, also andere Länder mehr Emissionen ausstoßen."
"Das Leitinstrument sollte der CO2-Emissionshandel aus, europaweit und sektorenübergreifend."

Am besten sollte sich der interessierte Leser aber ein eigenes Bild machen und das Interview im Zusammenhang lesen. Es lohnt sich wirklich!

25.09.2021

@ LOTHAR THÜRMER

Das ist ja im Prinzip nicht zu bestreiten bzw. sogar eine Binsenweisheit.

Lässt aber nicht den Schluss zu - und Frau Grimm schlägt das auch nicht vor - dass es sinnvoll wäre, den Weg zur Klimaneutralität zu verlassen, die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten bis sich wenigstens die großen Industrienationen auf einen faulen Kompromiss geeinigt haben. Dazu ist wirklich keine Zeit mehr.

Entscheidend ist, und darauf geht sie ausführlichst ein, WIE Klimaneutralität erreicht werden kann. Sie sagt weiter:

"Zweitens braucht Deutschland einen raschen Ausbau der Infrastruktur. Leitungen für den Transport von Strom und Wasserstoff, die Lade- und Betankungsinfrastruktur für klimafreundliche Mobilität und die digitale Infrastruktur müssen so schnell es geht ausgebaut werden. Sonst kann der Klimaschutz nicht vorankommen. Wichtig sind drittens der Bürokratieabbau und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, nicht nur im Energiebereich. In Österreich und der Schweiz sind beispielsweise Tunnel zur Alpendurchquerung praktisch fertig, in Deutschland fehlt aber noch immer die Anbindung!"

Lassen Sie es mich deutlich sagen: Versaubeutelt von einer unionsgeführten Bundesregierung und einem nur zur Millionenvernichtung fähigen bay. Bundes-Verkehrsminister . . .

24.09.2021

Bravo: ein Hammer-Interview!
Es kommt in weiten Teilen den Kernaussagen recht nahe, die ich in den "Fünf Thesen zur Klimapolitik" bereits im August 2020 veröffentlicht habe.

24.09.2021

Ich sehe schon das Entsetzen in vielen Gesichtern, die glaubten das Klima persönlich retten zu können :-)
Dabei sollte doch klar gewesen sein, daß einerseits der Zug schon abgefahren ist und andererseits, falls man doch die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, Maßnahmen nur mit den USA, China und Indien leichte Verbesserungen bringen könnten. Fahrradwege und E-Mobile bringen nix. :-)
Endlich mal eine veröffentlichte Ansicht die der Realität entspricht.

24.09.2021

"Kein Land allein kann das Klima schützen"

Eine Binsenweisheit, die eigentlich jeder begriffen haben dürfte – jeder bis auf den Wolfgang B. :)

24.09.2021

Und nur das zählt "Kein Land allein kann das Klima schützen"?
Jetzt stell ich mir die Frage "Wen soll ich wählen"?

24.09.2021

"Diese Länder sind die größten Klimasünder
Diese Grafik zeigt, welche Länder am meisten CO2 ausstoßen. Gemessen werden die Emissionen in Milliarden Tonnen.

Ein Vergleich der CO2 Emission ohne Berücksichtigung der Einwohnerzahl und Flächengröße ist schlicht irreführend und falsch.
Saarland ist z.B. wesentlich kleiner als Bayern und hat weinige Einwohner. Die CO2 Emission dort ist dementsprechend auch niedriger.
Dürfen Saarländer Finger auf uns zeigen und sagen, dass wir Klimasünder sind?

24.09.2021

Global betrachtet liegt der deutsche Anteil an den Treibhausgasemissionen bei etwa 1,8 %, wenn wir also den Ausstoß in den nächsten Jahren um 50 % reduzieren, wirkt sich das global um knapp 1 % aus. Klimasschutz geht nur über eine globale Kraftanstrengung, nichtsdestotrotz ist eine umweltbewusste Lebensweise und der Fokus auf mehr Regionalität nicht verkehrt.