Investition in US-Ausrüster: Siemens Chef Kaeser in der Kritik
Siemens-Chefs Joe Kaeser hat Milliarden in einen US-Ausrüster der Ölindustrie investiert. Dadurch steht er nun massiv in der Kritik.
Dresser-Rand, immer wieder Dresser-Rand. Kein Name fällt häufiger auf der Siemens-Hauptversammlung am Dienstag in München. Aktionärs-Vertreter halten Konzern-Chef Joe Kaeser vor, die US-Ausrüstungsfirma für die Öl- und Gasindustrie viel zu teuer zu erwerben. Denn der Turbinen, Motoren und Kompressoren produzierende Spezialist kostet Siemens mindestens 7,6 Milliarden Dollar, auch für einen Riesen wie das deutsche Unternehmen ein dicker Brocken.
Henning Gebhardt, Fondsmanager der zur Deutschen Bank gehörenden Gesellschaft DWS, wirft Kaeser vor, das Geschäft sei unter zu hohem Druck zustande gekommen. Damit spielt der renommierte Finanz-Experte auf die pikanten Umstände der Übernahme an. Denn auch wenn es Kaeser auf dem Aktionärstreffen immer wieder bestreitet, gab es nach Recherchen des Handelsblatts doch einen regelrechten Gladiatorenkampf um die US-Firma mit Sitz im texanischen Houston.
Nach großen Gewinnen durch den Kauf sieht es nicht aus
Dabei musste sich der Siemens-Chef ausgerechnet seines Vorgängers Peter Löscher erwehren, der bei Siemens nach Gewinnwarnungen hinausgedrängt wurde und zum schweizerischen Unternehmen Sulzer gewechselt ist. Weil beide Manager die US-Firma kaufen wollten, stieg der Preis in immer neue Höhen. Dresser-Rand stand aber ganz oben auf der Einkaufsliste der Siemens-Manager. Kaeser wollte unbedingt zum Zuge kommen. Diesen Eindruck legt die Dramaturgie des Kampfes um Dresser-Rand nahe. Zu lukrativ scheint Siemens nach wie vor der Markt für Öl-Ausrüster.
Mit der Technologie von Dresser-Rand lässt sich – vereinfacht gesagt – jene Energie erzeugen, die notwendig ist, um überhaupt Öl zu fördern und via Pipelines weiter zu verteilen. Kaeser begründete sein amerikanisches Abenteuer einmal mit einem Hinweis auf das Zeitalter des Goldrausches. Damals wurden Ausrüstungslieferanten wie etwa die Hersteller von Schaufeln reicher als viele Goldsucher. Nach den Plänen des Siemens-Chefs würde die US-Firma sozusagen Gewinne für den deutschen Konzern schaufeln.
Doch danach sieht es erst einmal nicht aus. Der Ölpreis ist massiv eingebrochen. Lag er bei der Ankündigung der Akquisition noch bei rund 90 Dollar, hat er sich seitdem nahezu halbiert. Das beschert Dresser-Rand weniger Aufträge. Weil das Unternehmen auch im Fracking, also der Gewinnung von Öl aus tiefen Gesteinsschichten, tätig ist, hat Dresser-Rand insgesamt ein großes Problem. Denn die teure Methode der Energiegewinnung wird um so unrentabler, je weniger Öl kostet. Auch wenn kein Experte einen solch drastischen Einbruch des Ölpreises vorhergesagt hat, wird Dresser-Rand von Aktionären zu Kaesers großem Fehltritt hochstilisiert.
Kaeser hat noch ein größeres Problem
Ingo Speich, Manager von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, geht sogar so weit, generell überteuerte Einkäufe als „alte Siemens-Schwäche“ zu brandmarken. Kaeser warnt er: „Siemens ist keine One-Man-Show.“ Damit meint er, der Siemens-Chef habe im Streben, den Konzern für die Zukunft zu rüsten, zu viel Macht auf sich gezogen.
Manchmal hat ein Manager aber einfach nur Pech. Wäre der Ölpreis nicht derart drastisch eingebrochen, die Aktionäre hätten Kaeser gestern wohl gefeiert. Gründe dafür gibt es reichlich. Im abgelaufenen Geschäftsjahr ist der Siemens-Gewinn um 25 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro gestiegen. Das kommt allen Anteilseignern zugute. Sie streichen eine Dividende je Wertpapier von 3,30 Euro ein. Das entspricht einem Aufschlag von zehn Prozent.
Was Kaeser aber besonders wichtig ist: Das Unternehmen hat 2014 mehr als 33000 Mitarbeiter neu an Bord geholt, ja, will derzeit knapp 6000 Stellen besetzen. Das wird jedoch bald in den Hintergrund rücken, wenn Siemens verkündet, wie viele Mitarbeiter durch den Konzern-Umbau gehen müssen. Die Zahlen werden wohl im Februar genannt.
Dann hat Kaeser ein neues Problem, das für eine Weile sein amerikanisches Abenteuer überlagert. Er wird diese Herausforderung mit seinem Aufsichtsrats-Chef Gerhard Cromme bestehen müssen. Der 71-Jährige will trotz der Dauer-Kritik der Aktionäre an seiner Person wohl bis 2018 im Amt bleiben.
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