Japan lockert Geldpolitik weiter
Tokio (dpa) - Die japanische Zentralbank bekämpft den Yen- Höhenflug und die Deflation mit einer weiteren Lockerung ihrer Geldpolitik. In einer Krisensitzung entschieden die Währungshüter am Montag, dem Finanzmarkt weitere 10 Billionen Yen (derzeit rund 92 Milliarden Euro) zu einem festen Zinssatz von lediglich 0,1 Prozent zu leihen.
Regierungschef Naoto Kan begrüßte die "zügige" Entscheidung der Zentralbank. Volkswirte bezweifeln jedoch, dass eine Aufstockung der Liquidität große Wirkung auf Yen und Wirtschaft haben wird. Schließlich halte sich die Nachfrage der Unternehmen nach zusätzlichen Mitteln für Inventionen wegen trüber Wachstumsaussichten in Grenzen.
An den Aktien- und Devisenmärkten stellte sich denn auch nach anfänglich teils kräftigen Ausschlägen Ernüchterung ein, da die Zentralbankmaßnahme keine Überraschung bot. Der Nikkei-Index ging nach zwischenzeitlich plus drei Prozent am Ende mit einem Gewinn von 1,76 Prozent beim Stand von 9149,26 Punkten aus dem Handel.
Das exportabhängige Japan leidet unter der rasanten Festigung des Yen: Die japanische Währung war zum Dollar zuletzt auf den höchsten Stand seit 15 Jahren und im Vergleich zum Euro auf den höchsten Stand seit neun Jahren gestiegen.
Am Montag setzte die Währung ihren Höhenflug trotz der Zentralbank-Maßnahmen fort: Ein Dollar kostete am Mittag 84,75 Yen, nachdem am Freitagabend noch mehr als 85 Yen bezahlt werden mussten. Für einen Befreiungsschlag habe die Notsitzung der Bank of Japan (BoJ) nicht gesorgt, hieß es in Frankfurt bei der Commerzbank.
Notenbankgouverneur Masaaki Shirakawa deutete derweil die Bereitschaft zu einer weiteren Lockerung der geldpolitischen Zügel an: Die Bank von Japan (BoJ) werde "angemessene Schritte zu geeigneter Zeit" ergreifen, sagte er.
Die Zentralbank habe offensichtlich ihr "Pulver trocken gehalten", sagte Martin Schulz vom Forschungsinstitut Fujitsu in Tokio. Wäre sie bereits vor den erwarteten neuen Stimulierungsmaßnahmen der Regierung mit drastischeren Schritten wie einer Aufstockung der Käufe von Staatsanleihen vorgeprescht, hätte die Zentralbank den Verdacht geweckt, "dass sie bereit ist, die Schuldenexplosion zu finanzieren".
Die BoJ stockte nun ein im Dezember 2009 im Kampf gegen die Deflation eingeführtes Kreditprogramm auf. Dieses umfasste zuletzt 20 Billionen Yen. Den Leitzins beließ sie bei 0,1 Prozent. Die Regierung plant ihrerseits neue Konjunkturmaßnahmen: Das Paket solle bis zum 10. September stehen, wurde Premier Kan zitiert. Er erwäge zur Finanzierung einen Nachtragshaushalt.
In Japan gab es zuletzt eine Reihe negativer Wirtschaftsdaten: Das Bruttoinlandsprodukt des Landes stieg im zweiten Kalenderquartal nur noch mit einer hochgerechneten Jahresrate von 0,4 Prozent - geringere Exporte und der schwache Konsum schlugen durch.
Zwar legten die Exporte im Juli zum Vorjahresmonat um 23,5 Prozent zu. Doch schwächt sich der Anstieg bereits seit fünf Monaten ab. Japan, das gerade von seinem Nachbarn China als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt überholt worden ist, steckt zudem weiter im Griff einer Deflation mit andauernd fallenden Preisen.
Der Verbraucherpreisindex sank im Juli um 1,1 Prozent zum Vorjahr und damit im 17. Monat in Folge. Eine Deflation hat schlimme Auswirkungen: Sie drückt die Umsätze und Gewinne der Unternehmen, die dann Abstand von Investitionen nehmen und Arbeitsplätze abbauen.
Nach Ansicht von Ökonomen dürfte die Aufstockung der Liquidität für den Finanzmarkt den Yen-Anstieg kaum bremsen. "Es könnte sogar den Yen-Anstieg und das Sinken der Aktienkurse beleben, da die BoJ alle ihre politischen Mittel, die sie derzeit anwenden kann, ausgeschöpft haben könnte", schrieb Yasuhide Yajima vom NLI Research Institute in einem Kommentar für das Wirtschaftsmagazin "Nikkei". Offenbar habe die Zentralbank unter starkem politischem Druck gehandelt, so die Ökonomen bei Nomura.
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