Kann eine Steuer auf Pakete stationäre Händler retten?
Zwei CDU-Politiker fordern eine Abgabe auf den Internet-Versand. Das regt eine Debatte an, wie Geschäfte in Innenstädten besser gestärkt werden könnten.
Wolfgang Puff kauft gerne in Geschäften ein. Das ist gerade schwierig, also wird auch er zum "Hybrid", wie er sagt. Sprich: Puff kauft auch online ein – und sehnt sich zurück in eine Zeit wuseliger Innenstädte. So wie das zwei Bundestagsabgeordnete tun und sich für "lebendige Innenstädte" einsetzen. Die CDU-Politiker haben einen "Pakt für eine Stärkung des Einzelhandels" geschlossen und eine Steuer auf Pakete gefordert. Eine Abgabe proportional zum Bestellwert. Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelverbands Bayern, begeistert dieser Plan aber wenig.
Wegen Corona: Es werden so viele Pakete verschickt wie nie
Außer dem Postboten klingelt derzeit kaum noch jemand an deutschen Haustüren. Sich in kuschelig warmen Räumen zu treffen ist nicht erwünscht. Pakete aber dürfen ins Haus und kommen in hohen Zahlen. Die Verbraucher in Deutschland kauften nach den Worten des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel im Oktober und November für 17,4 Milliarden Euro online, 17,5 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2019.
Auch hat sich seit 2008 die Zahl der Beschäftigten im Versandhandel fast verdreifacht – von 60.022 auf 161.331 im März 2020. Einer YouGov-Befragung zufolge verschickte vergangenes Jahr etwa jeder Vierte Weihnachtspäckchen bis Mitte November – dieses Jahr waren es bereits vor den Ladenschließungen wegen Corona schon 33 Prozent.
Da könnte der Staat mitverdienen und das Geld in einen Innenstadtfonds stecken – wie es die CDU-Politiker Christian Haase und Andreas Jung wollen. "Mit den Einnahmen wird der Online- Handel an den Kosten von ihm genutzter kommunaler Infrastrukturen beteiligt."
Steuer für Online-Handel: Es gehe nicht darum, das Einkaufen zu reglementieren
Jung ist stellvertretender Vorsitzender für Haushalt, Finanzen und Kommunales, Haase Kommunalpolitischer Sprecher. Es gehe ihnen nicht darum, Kaufentscheidungen zu reglementieren, sondern faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. "Der Online-Handel nutzt kommunale Infrastruktur, beteiligt sich aber anders als der Einzelhandel nicht an ihrer Finanzierung." Das müsse korrigiert werden.
Aber nicht mit einer Paketabgabe, sagt Wolfgang Puff. Er ist in Niederbayern geboren, 58 Jahre alt und wohnt seit 17 Jahren in Friedberg bei Augsburg. Er schätzt die mittelalterlichen Städte in Bayrisch-Schwaben. Er findet es gut, dass jemand etwas für die urbanen Zentren tun möchte. Puff befürchtet aber, dass die Steuer nicht an die Kommunen geht, sondern im Bundeshaushalt bleibt. Effektiver wäre es, wenn global agierende Unternehmen wie Amazon Ertragssteuer in Deutschland anstatt in Irland oder Luxemburg zahlten.
Im Wettbewerb des Online-Versandhandels für Augenhöhe sorgen
Außerdem bringe der Vorstoß aus der CDU/CSU-Fraktion kleine, stationäre Händler in Not. Sie hätten sich während der Pandemie ein Internet-Geschäft aufgebaut und würden die Paket-Abgabe vermutlich an Kunden weitergeben. "Große Unternehmen sehen eher davon ab, weil sie die Steuer besser verkraften können."
Andreas Jung hingegen sagte, es gehe nicht, darum kleine Händler zu besteuern. Sondern: im Wettbewerb des Online-Versandhandels für Augenhöhe zu sorgen. "Deshalb soll der Händler, der in Deutschland Gewerbesteuer zahlt, auch nicht zusätzlich belastet werden."
Online-Handel: Mittelständler werden mit Steuer belastest
Kritik an dem Vorstoß vom Wochenende kommt am Montag auch von der FDP, die als Opposition im Bundestag sitzt. Die Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, Katja Hessel, sagte: "Nichts kann die Wirtschaft jetzt weniger gebrauchen als neue Abgaben." Zwar sei Amazon auch in Deutschland mit großem Abstand Marktführer beim Onlinehandel. "Doch wir haben mit Otto, Baur, Zalando oder Media Markt und Saturn Mittelständler, die belastet würden." Vor allem seien im Lockdown auch kleine Geschäfte und Gastronomen auf Online-Bestellungen angewiesen. Was den Geschäften mehr helfen würde: Dass sie aufsperren, wenn ein gutes Corona-Präventionskonzept vorliege.
Der deutsche Städtetag findet den Vorstoß der Paketabgabe erst einmal interessant. Es könne nicht sein, dass Einzelhändler immer mehr Einnahmen verlieren und nur noch Amazon und Co. übrig blieben, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer. "Eine Abgabe für den Onlinehandel müsste allerdings so ausgestaltet werden, dass sie kleine Einzelhandelsgeschäfte mit ihren Onlineangeboten nicht belastet." Das rufe nach Detailregeln, der administrative Aufwand wäre hoch. "Wir sollten das Thema grundsätzlicher angehen: Die großen Online-Plattformen müssen angemessen besteuert werden und so ihren Beitrag zur Finanzierung der Städte leisten."
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Antwort: Nein. Steuererhöhungen, respektive neue Steuern, sind fast immer, insbesondere in der jetzigen Zeit kontraproduktiv. Einerseits wird sich am Kaufverhalten wenig bis nichts ändern und andererseits gibt es doch einige, auch kleiner Einzelhändler, die stärker ins Onlinegeschäft einsteigen. Den Einzelhändlern, nicht allen, helfen die Milliarden des Staats. Noch besser wäre eine andere Politik in dieser Pandemie. Darauf hofft man vergebens.