
Wie geht es für Siemens-Chef Joe Kaeser weiter?


Der Manager hat auf der Zielgeraden als Siemens-Chef noch einmal reichlich Ärger. Bei der Hauptversammlung am Mittwoch in München erhöhen Klima-Aktivisten den Druck.
Helena Marschall spricht am Mittwoch auf der Siemens-Hauptversammlung. Sie ist "Mitstreiterin" der Fridays-for-Future-Bewegung, kurz FFF. Die 17-Jährige wird die Chance ihres Auftritts vor den Aktionären nutzen, um Konzern-Chef Joe Kaeser klar zu machen: "Unser Druck lässt nicht nach." Am Dienstag kündigt Helena Marschall weiter im Gespräch mit unserer Redaktion an, dass Klimaschützer den ganzen Tag über "für Programm bei dem Treffen der Anteilseigner sorgen werden". Aktionäre müssten schon auf dem Weg zur Olympiahalle an einer Menschenkette vorbei. "Sie werden also mit den Anliegen von uns jungen Menschen konfrontiert."
Die FFF-Streiterin will es nicht durchgehen lassen, dass "sich Siemens immer wieder als Klima-Engel darstellt, doch in Wahrheit anders handelt". Sie wirft dem Konzern vor, in der Energiesparte nach wie vor größtenteils mit Techniken für fossile Energieträger, also auch Kohletechnik zu arbeiten.
Helena Marschall zeigt sich jedoch zuversichtlich, dass die Eigentümer des Münchner Konzerns umdenken: "Ich sehe eine riesige Chance darin, wenn ich am Mittwoch an das Verantwortungsbewusstsein der Aktionäre appelliere und sie davon überzeugen kann, die richtigen klimapolitischen Entscheidungen zu treffen." Zu Siemens-Chef Joe Kaeser sagt Helena Marschall: "Es ist schön, dass er mit uns spricht, seine Entscheidungen sind aber katastrophal. Es ist feige von ihm, bei dem Minenprojekt in Australien mit Vertragstreue zu argumentieren."
Kritik von Klimaaktivisten: Kaeser kann diesmal nicht mit Geschäftszahlen punkten
Der Siemens-Chef hatte nach Kritik der Klimaschützer nachgedacht und dann mit seinen Vorstandskollegen beschlossen, daran festzuhalten, im Wert von rund 18 Millionen Euro Signaltechnik für Züge zu liefern, welche die Kohle zur Verschiffung abholen. Kaeser selbst führt zu seiner Entlastung an, dass Siemens für das Minen-Vorhaben einen "Vertrag mit unbegrenzter Haftung bei einseitiger willkürlicher Kündigung" unterschrieben habe. Würde die Haftungsklausel nicht bestehen, hätte sich Siemens nach der Kritik wohl zurückgezogen, zumal das Projekt, wie Kaeser einräumt, nur einen Gewinn von ein, zwei Millionen erbringt. Natürlich sei es für Siemens auch wichtig, Vertragstreue zu demonstrieren.
Kaeser steht eine unangenehme Hauptversammlung bevor. Er kann nicht mit Geschäftszahlen punkten, sondern muss sich massiver Kritik der Klima-Aktivisten erwehren. Deren Proteste vor der Halle sollen, wie die Initiatoren ankündigen, so laut werden, dass der Siemens-Chef sie auch noch bei seiner Rede hört. Da mag es seine Laune zumindest etwas heben, dass eine wichtige und oft kritische Aktionärsvertreterin auch lobende Worte für seine Arbeit als Manager finden wird. Daniela Bergdolt, Vize-Präsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), sagt unserer Redaktion zur Leistung Kaesers: "Er hat viel für Siemens erreicht und kann darauf stolz sein. Die Zahlen stimmen."
Den Klimaschützern riet die Rechtsanwältin: "Lasst die Kirche im Dorf und kehrt zu einer sachlichen Diskussion zurück." Sie warnt vor einer Dramatisierung des vergleichsweise kleinen Siemens-Anteils an dem australischen Projekt. Doch Bergdolt lässt es nicht nur mit Lob für Kaeser bewenden: "Siemens hätte den Vertrag über das Australien-Projekt niemals abschließen dürfen. Nachdem man der Vertrag aber abgeschlossen hat, hätte der Konzern besser kommunizieren müssen." Das deutet selbst Kaeser in Gesprächen durchaus selbstkritisch an und wirkt betroffen von der öffentlichkeitswirksamen Aufregung um die Klimastrategie von Siemens.
Joe Kaeser fehlt nun die Bühne für politische Auftritte
Dabei stellt sich der 62-Jährige offen kritischen Fragen und befeuert weiter Spekulationen über seine Zukunft. Einem Interview mit der Zeit ist ein denkwürdiger Satz zu seiner Position als Vorstandsvorsitzender der Siemens AG zu entnehmen: "Deshalb schaffe ich diesen Job in seiner jetzigen Form, schaffe ich mich eigentlich ab." König Kaeser macht sich selbst überflüssig?
Die Pointe lässt sich erklären: Siemens spaltet nach der Gesundheits- auch die Energiesparte ab. Letzterer Bereich bietet Kaeser nun nicht mehr lange die Bühne für Auftritte mit Regierungschefs aus aller Welt, denen er Kraftwerke verkauft – ob mit Gas, Kohle oder Windenergie betrieben. Er ist also künftig nicht mehr in seiner geliebten Rolle als Siemens-Staatsmann gefragt. Kaesers potenzieller Nachfolger steht ihm schon mit Roland Busch, 55, als Konzern-Vize zur Seite. Nach Informationen unserer Redaktion aus siemensnahen Kreisen könnte also die Vorstandskarriere Kaesers entweder mit Ablauf des Geschäftsjahrs Ende September oder mit der Hauptversammlung Anfang 2021 enden. Einen immer wieder diskutierten schnellen Wechsel des Niederbayern in den Siemens-Aufsichtsrat lehnen Aktionärsschützer wie Bergdolt ab. Die DSW-Vertreterin besteht hier auf "einer Abkühlphase von zwei Jahren".
Wenn Kaeser, wie zuletzt gemunkelt wurde, dann eben ohne Auszeit auf den Chefposten des Aufsichtsrates von Siemens Energy wechselt? "Das hätte", meint Bergdolt, "irgendwie ein Geschmäckle". Die Aktionärssprecherin meint trotz aller Sympathie für den Siemens-Chef: "Total gefällt mir ein solcher unmittelbarer Wechsel nicht."
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Die Klimaaktivisten wissen auch nur, der Strom kommt aus der Steckdose und die Milch aus dem Supermarkt. Man kann dem Siemenschef nur raten sich von denen nicht einschüchter zu lassen. Diese FFFler sollen als erstes bei sich anfangen Klima zu retten.