Daimlers Schrumpfkur belohnt Aktionäre, nicht Beschäftigte
Die Zeit der großen Mischkonzerne scheint erst einmal vorbei zu sein. Doch ob der optimierte Börsenwert die Zukunft sichert, ist längst nicht ausgemacht.
Die Liste ist lang und die Namen der Unternehmen, die auf ihr stehen, bilden das Who is who der deutschen Wirtschaft ab: Siemens, Volkswagen, Bayer, E.on, Metro, Continental, Deutsche Bank sind nur einige von ihnen. Der jüngste Eintrag lautet nun wohl bald auf den Namen Daimler. Wenn die Aktionäre am Freitag die Abspaltung der Bus- und Lkw-Sparte des Autobauers abnicken – wovon auszugehen ist –, schließt sich auch der traditionsreiche Konzern einem Trend an, der in den vergangenen Jahren Fahrt aufgenommen hat: Aus schwerfälligen Riesen werden flinke Spezialisten. So lautet zumindest das Versprechen der Topmanager, die damit vor allem dem Druck der Kapitalmärkte nachgeben.
Das Credo der Börse lautet in den meisten Fällen ganz einfach: Das Ganze ist weniger wert als die Summe seiner Teile. Damit die Rendite stimmt, wird Druck auf die Konzerne ausgeübt, ihre Komplexität abzubauen. Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser säbelte darum vom Münchner Mischkonzern Siemens die lukrative Medizintechniksparte ab und brachte sie unter dem Namen Healthineers an die Börse.
Siemens Energy ist mit mäßigem Erfolg allein unterwegs
Danach fusionierte die Energiesparte mit dem Konkurrenten Gamesa und ist als Siemens Energy mittlerweile mäßig erfolgreich allein unterwegs. In der Autobranche hat der als Markensammler gefürchtete Ferdinand Piëch den Konzern zwar immer weiter vergrößert. Doch mittlerweile ist immerhin das Lkw-Geschäft mit MAN und Scania in der Marke Traton aufgegangen und selbstständig an der Börse gelistet – wenngleich die Wolfsburger Mutter weiterhin eine dominierende Aktienmehrheit hält.
Bei Daimler ist die Strategie ganz ähnlich. Auto- und Nutzfahrzeugbranche seien mitten in einem tiefgreifenden Umbruch. Dieser lasse sich besser gestalten, wenn beide Einheiten ohne die Einschränkungen einer Konglomeratsstruktur agieren könnten, wird Daimler-Chef Ola Källenius nicht müde zu wiederholen. Dass ausgerechnet Daimler dem Trend zur schlanken Struktur nun hochhält, ist nicht ohne Ironie.
Daimler wollte Weltkonzern werden - und versenkte Milliarden
Schließlich war es die Stuttgarter Nadelstreifenetage, die mit Reuter und Schremp auf zwei ganz unterschiedliche Arten und mit vielen teuren Zukäufen einen Weltkonzern schmieden wollte. Krachend gescheitert sind beide – und jeder hat dabei viele Milliarden Kapital vernichtet.
Die Schrumpfungsstrategie des aktuellen Daimler-Chefs Ole Källenius ist auch nicht ohne Risiko. Ein Mischkonzern mag längere Entscheidungswege haben. Doch er kann schlechter laufende Geschäfte in einem Bereich mit besseren Zahlen aus anderen Aktivitäten ausgleichen. Die Möglichkeit gibt es für die künftigen Konzernen Mercedes-Benz und Daimler Truck nur noch begrenzt. Aber ähnlich wie Kaeser will auch Källenius nicht zum Getriebenen der Finanzmärkte werden.
Für die Beschäftigten ist die Aufspaltung nicht unbedingt gut
Nicht realisierte Werte in einer Aktie machen ein Unternehmen attraktiv für aggressive Investoren, sagte er jüngst in einem Interview. Mit der Abspaltung zielt er darum auf die Maximierung des Börsenwerts – ohne wenn und aber. Wenn beide Konzerne die riesigen Aufgaben der Transformation packen, könnte die Wette aufgehen. Dann könnten langfristig auch Übernahmen wieder interessant werden. Wenn nicht, droht den stolzen Fahrzeugbauern im schlimmsten Fall selbst ein ähnliches Schicksal.
Für die Beschäftigten ist die Ausrichtung der Unternehmensstrategie an den Interessen des Kapitalmarktes nicht unbedingt ein beruhigendes Zeichen. Wer die besten Fahrzeuge bauen und dabei das meiste Geld verdienen will, muss überall die Kosten radikal senken. In der Regel blicken Manager dann zuerst auf die Personalkosten.
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