Ferdinand Piëch war ein Patriarch. Genauso wie andere Auto-Manger. Heute sind die Chefs smart und sympathisch. Ob sie damit erfolgreicher sind, ist noch offen.
Wie kommt es, dass man Männer wie Ferdinand Piëch so schnell vermisst? Ist das die Sentimentalität von Journalisten, für deren Gewerbe knorrige, kauzige, streitlustige, wortgewaltige und unberechenbare Typen besser geeignet sind als allzu smarte, stets empathische, teamorientierte, agile, windschnittige Schwarm-Intelligenzler, die nie aus der Reihe fallen?
Die politisch-korrekte Zeit verträgt kein loses Mundwerk
Deshalb konnten sich Reporter an Männern wie Bernd Pischetsrieder (BMW und später VW), Jürgen E. Schrempp (Daimler), Martin Winterkorn (VW) und vor allem dem alle in seinem Extremismus in den Schatten stellenden Ferdinand Piëch vortrefflich abarbeiten. Was waren das in den 90er und frühen Nuller-Jahren für Testosteron-Zeiten, als das Auto-Machotum politisch bestens abgefedert wurde. PS-Kanzler Gerhard Schröder rief bei einer Autogrammstunde: „Hol’ mir mal ‘ne Flasche Bier, sonst streik ich hier.“ Das wäre für die braven Habecks unserer soften Zeit undenkbar. Sie würden mit derlei Proll-Sprüchen voll „in die Fresse bekommen“, wie es die frühere SPD-Chefin Andrea Nahles sagte und dafür selbst „in die Fresse“ bekam. Loses Mundwerk verträgt unsere politisch-korrekte Kuschel-Zeit nicht mehr – auch nicht von einer Frau.
Wer wie Nahles zu oft „Bätschi“ und „Kacke“ sagt, fliegt. Weder Matriarchat noch Patriarchat sind zeitgeistkompatibel. Kanzlerin Angela Merkel, die Meisterin des ungefähren Wortes, stellt sich nicht mehr hin und sagt wie einst Schröder: „Ich bin Kanzler aller Autos.“ Doch Typen vom Schlag eines Schröder, einer Nahles, oder auf der Autoseite von der Statur der Pischetsrieders, Schrempps, Winterkorns und Piëchs sind Auslaufmodelle. Undenkbar, dass sich heute ein führender Vertreter der Autoindustrie wie einst „Rambo“ Schrempp hinstellt und mit marlborogegerbter Stimme die einstige Konzern-Zentrale in Stuttgart-Möhringen als „Bullshit-Castle“ herunterputzt. So etwas Böses käme einem seine Worte gründlich wägenden Smartie wie Daimler-Chef Ola Källenius nicht über die Lippen. Gleiches gilt für den nicht minder wohltemperierten, akkurat seitengescheitelten neuen BMW-Lenker Oliver Zipse.
Manager wie Piëch sahen die Firma als Familie
Auch die Nummer eins bei Audi, Bram Schot, ist ein Manager des neuen Typs, dem als Niederländer das „Du“ schnell über die Lippen geht und der als geerdeter Kumpel-Typ Gespräche mit Audi-Mitarbeitern im Fitnesscenter schätzt.
Alle diese Führungskräfte wirken sympathisch und haben sich im Griff – auch twittermäßig. Ihnen kommt kein Schrempp‘sches „Bullshit“, keine Nahles-„Kacke“, noch mysteriös-skurrile Piëch-Wortkunst wie „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“ über die Lippen.
Die Zipses unserer Zeit mögen Journalisten im Gegensatz zu Patriarchen von einst weniger Storys bescheren, sie sind aber vor allem eines: höchst professionell. Shitstorms machen im Zeitalter sozialer Medien-Hysterie und -Prüderie einen Bogen um die Anti-Proll- und Anti-Skurril-Manager. Denn die Nicht-Patriarchen hören meist auf Kommunikationsberater, was bei selbstbewussten twitternden Männern wie Siemens-Chef Joe Kaeser nicht immer der Fall ist.
Nach dem Diesel-Skandal atmen nun Beschäftigte der PS-Konzerne auf. Mit dem endgültigen Ende des Auto-Patriarchats können sie offener ihre Meinung sagen. Und es tut den Unternehmen gut, dass immer mehr ebenso smarte Frauen in Führungsfunktionen kommen, wenn das auch noch ausbaufähig ist.
Aus Sicht der Beschäftigten hatten Patriarchen als Über-Väter aber auch Vorzüge: Denn sie hielten nicht selten länger als manch Jung-Kostentrimmer an Beschäftigten fest, weil sie ihre Firma als Familie sahen. Solche Männer mögen Machos gewesen sein, sie hatten aber auch wie Piëch ein weiches Herz.
Ob Zipse, Källenius oder Schot erfolgreicher als die Patriarchen sind, ist ungewiss. Vielleicht werden sie sich in Umbruchzeiten für die Branche einmal einen klugen Kopf wie Piëch an ihrer Seite wünschen. Väterliche und mütterliche Ratgeber haben etwas für sich: Sie können Sicherheit in unsicheren Zeiten vermitteln und auch mal „Bätschi“ rufen und im Sinne des Unternehmens auf die Bremse drücken.
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