Kosmetik nun ohne Tierversuche
Verkaufsverbot für an Tieren getestete Pflegemittel tritt in Kraft. Dennoch sind nicht alle Tiere vom Leiden erlöst.
Der Griff zu Rasierwasser, Lippenstift oder Anti-Aging-Creme ist seit Montag ohne schlechtes Gewissen möglich. 30 Jahre haben Tierversuchsgegner für diesen 11. März 2013 gekämpft: Denn gestern trat in der EU ein Verkaufsverbot in Kraft, über das alle glücklich sind. Ab sofort dürfen keine Kosmetika oder Pflegemittel mehr verkauft werden, die zuvor an Tieren getestet wurden. Gesundheitskommissar Tonio Borg sagte, das „Inkrafttreten des vollständigen Vermarktungsverbotes ist ein wichtiges Zeichen für den Stellenwert, den Europa dem Tierschutz beimisst.“ Zwar hatte die Union schon 2004 ein teilweises Verbot erlassen. Seither durften fertige Lotionen, Sprays und Deos schon nicht mehr an Versuchstieren getestet werden. 2009 wurde das Verbot auch auf weitere Inhaltsstoffe ausgeweitet. Doch die bis zum gestrigen Montag bestehenden Ausnahmen hatten es in sich.
Humanes Spendergewebe statt tierisches Leiden
So waren Tierversuche weiterhin erlaubt, um besonders schwerwiegende Nebenwirkungen auszuschließen. Dazu zählen die Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit, eine höhere Empfindlichkeit der Haut oder Schädigungen bei längerer Anwendung. Gleich reihenweise wanderten betroffene Unternehmen wie L’Oréal, Procter & Gamble und andere mit ihren Labors nach China und Indien aus, um ihre Versuchsreihen dort durchzuführen. Mit dramatischen Folgen für die Tiere: 2011 stieg die Zahl der in Versuchen benutzten Ratten, Mäuse, Fische und Kaninchen um 1,9 Prozent auf 2,9 Millionen. Nur langsam setzten sich auch andere Testmethoden durch, die Brüssel mit fast 240 Millionen Euro zwischen 2007 und 2011 förderte.
Forscher fanden dabei heraus, dass Versuche an humanem Spendergewebe nicht nur ohne Leiden für Tiere möglich waren, die Ergebnisse konnten auch mehr überzeugen. Statt beispielsweise zu bewerten, wie schädlich ein chemischer Stoff für die Hornhaut eines Kaninchens ist, können die Hersteller heute die gleiche Substanz auf menschlichem Gewebe auftragen, das man zuvor im Labor gezüchtet hat. Folge: Die Analysen fallen selbst nach Angaben der zunächst kritischen Industrie weitaus präziser aus. An dieser Verbesserung der Testmethoden waren Tierversuchsgegner aktiv beteiligt.
Tierversuche: In anderen Bereichen gibt es noch keinen Stopp
Dennoch sind noch längst nicht alle Tiere von ihrem Leiden erlöst. Denn die jetzt geltende Regelung betrifft nur Substanzen, die unter die „Kosmetik-Richtlinie“ der EU fallen. Allerdings nutzen die Hersteller auch Chemikalien, die nicht zuerst für kosmetische, sondern industrielle Zwecke entwickelt wurden. Für diese gilt das EU-Chemikalienrecht. Die einschlägige Reach-Richtlinie enthält zwar eine Bestimmung, die auf einen Stopp von Tierversuchen hinarbeitet. Solange diese aber nicht ersetzt werden können, bleiben sie erlaubt. Somit dürften europäische Pflegecremes, Parfums oder Lotionen, die Bestandteile aus der industriellen Forschung enthalten, auch künftig nicht wirklich tierversuchsfrei sein. Noch nicht.
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