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Landwirtschaft
08.06.2016

Und plötzlich ist der Kuhstall leer: Wenn Milchbauern aussteigen

Der Viehwagen kam und der Stall war leer: Thomas Reuter aus Irsee hat seine Kühe verkauft und den Hof aufgegeben.
2 Bilder
Der Viehwagen kam und der Stall war leer: Thomas Reuter aus Irsee hat seine Kühe verkauft und den Hof aufgegeben.
Foto: Ralf Lienert

Der Milchpreis ist im Keller. Die Bauern demonstrieren und die Politiker diskutieren, mal wieder. Andere Landwirte ziehen gleich die Konsequenzen - und steigen aus.

Jetzt ist es also nur noch Josie, die Schwarzbunte. Sie darf im Stall bleiben, weil sie in den nächsten Tagen kalbt, sagt Hannes Mayr. Die Vorletzte, eine Braune, hat ein Freund seines Sohnes abgeholt, erst in der Früh. Ja, und dann sind da noch die anderen 17 Kühe, die Mayr wie jedes Jahr Ende Mai auf die Alpe geschickt hat. 18 Kilometer vom Hof entfernt liegt die Vorsäß III im Gunzesrieder Tal, auf fast 1000 Metern Höhe. „Für unsere Kühe ist das da oben das Paradies. Die sind den ganzen Tag draußen“, sagt der 62-Jährige, und seine Augen blitzen einen Moment lang unter dem dunklen Filzhut hervor. Dann wird der Bauer aus Fischen im Oberallgäu wieder ernst. Weil seine Tiere doch längst irgendwo anders stehen sollten, auf einer anderen Weide, in einem anderen Stall.

Nur: Kühe sind schwer zu verkaufen, jetzt, wo weltweit viel zu viel Milch auf dem Markt ist, wo der Preis, den die Bauern von den Molkereien bekommen, auf immer neue Tiefstände fällt, wo Politiker zu einem Milchgipfel nach dem anderen laden, um die Existenz der Landwirte zu sichern. Für Mayr, den Milchbauern aus Fischen, ist das die Zeit zu reagieren. Er hat eine Anzeige in der Zeitung aufgegeben. „Da hat keiner angerufen.“ Er hätte die Kühe ja auch für den Export hergegeben. „Aber da geht nix naus“, sagt Johannes, sein Sohn. „Und zum Schlachten wollen wir sie ja auch nicht bringen.“ Also warten sie. Darauf, dass jemand wieder Kühe kauft, und das zu einem annehmbaren Preis. 2000 Euro wären gut, gerade gibt es nicht mehr als 1200.

Thomas Reuter ist da schon einen Schritt weiter. Vor zwei Wochen standen hier, auf dem Aussiedlerhof bei Irsee im Ostallgäu, noch 44 Kühe im Stall. Bis an einem Donnerstagmorgen der Viehwagen anrollte. Eine halbe Stunde später waren 30 Kühe weg, abtransportiert zu einem Bauern, der seinen Betrieb kräftig aufstockt. Ein paar Kühe hat der Nachbar genommen. Der Rest ist beim Schlachter gelandet. Jetzt steht der 45-Jährige also da, in seinem fast leeren Stall, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, und wirkt irgendwie zufrieden. „Es ist doch besser so“, sagt er.

Dann beginnt Reuter zu erzählen. Davon, dass er sein ganzes Leben lang Kühe gehabt hat. Vom Vater, der den Laufstall 1984 hier gebaut hat. Von all den Investitionen, die jetzt, gut 30 Jahre später, nötig wären: neue Aufstallung, neuer Melkstand, mehr Platz für die Kühe. „100000 Euro hätte ich schon in die Hand nehmen müssen.“ Und das bei dieser Marktlage, bei diesem Preis. Um die 25 Cent hat der Bauer zuletzt noch für das Kilo Milch bekommen. „Das ging gerade so raus.“ Aber nur, weil Reuter keine Schulden hatte. Weil er in den letzten Jahren nichts mehr investiert hat. Und weil er und seine Mutter Gertrud, 65, umsonst gearbeitet haben. „Es ist uns immer klarer geworden, dass der Tag kommt“, sagt Reuter. Der Tag, um aufzuhören.

Führt die Milchkrise zu einem neuen Höfesterben?

Es ist gut möglich, dass dieser Tag für immer mehr Milchbauern im Land kommen wird; dass das, was als Milchkrise begann, zu einem neuen Höfesterben führt. In Nordrhein-Westfalen etwa stecken nach Angaben des Landwirtschaftsverbands Rheinland bereits fünf Prozent der Betriebe in Existenznot. Schleswig-Holsteins Agrarminister Robert Habeck prophezeit, dass dort in fünf Jahren die Hälfte der Milchviehbetriebe verschwunden sein wird. Und in Bayern, wo immerhin 46 Prozent der 73255 deutschen Milchviehhöfe stehen, sagt Landwirtschaftsminister Helmut Brunner: „Wenn diese Preissituation so anhält, dann habe ich höchste Bedenken, dass aus einem normalen Strukturwandel ein Strukturbruch wird.“ Gut möglich, dass es dann immer mehr Dörfer ohne einen Milchbauern gibt. Dörfer wie Gaukönigshofen bei Würzburg, wo sie vor ein paar Wochen die letzte Kuh im Ort verabschiedet haben – mit Blumenkränzen und Blasmusik.

Ganz so viel Aufwand hat Thomas Reuter, der Bauer aus Irsee, nicht betrieben. Kurz und schmerzlos aufhören, das war ihm lieber. Er hat fast alle Maschinen verkauft, die Felder verpachtet, den Stall leer geräumt. „Es war nicht so schlimm, wie ich mir das vorgestellt habe“, sagt er. Weil der Abschied von den Kühen eher so etwas wie eine Vernunftsache war, über die er ein Jahr nachgedacht hat. Da war die Sache mit den Investitionen und dem Milchpreis. Und dann die Arbeit im Stall und auf dem Feld, die er neben seinem Vollzeitjob im Bauhof in Irsee gemacht hat, am Abend, am Samstag oder am Sonntagnachmittag. „Ich hatte locker eine 60- oder 70-Stunden-Woche.“ Die Zeit für die Familie wurde immer knapper. Und beide Buben haben anderes im Sinn, als Bauer zu werden.

Dass sich Landwirte schwertun, einen Nachfolger für den Hof zu finden, ist bekannt. Doch in Krisenzeiten wie diesen beschleunigt sich der Strukturwandel, wie die Statistiken belegen. In den letzten beiden Jahren haben jeweils vier Prozent der Milchviehbetriebe im Freistaat aufgegeben; bei 1,5 Prozent spricht Minister Brunner von einem Erfolg. Innerhalb der letzten zehn Jahre ist ein Drittel der Höfe weggefallen. Die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft rechnet damit, dass allein in diesem Jahr mehr als fünf Prozent aufgeben.

Auch in unserer Region ist die Entwicklung bedenklich. Seit 2010 hat in Schwaben jeder fünfte Milchbauer aufgehört. Und es könnten deutlich mehr werden, gibt Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), zu bedenken. „Es muss sofort etwas passieren, sonst ist es für immer mehr Betriebe zu spät.“

---Trennung _Kleinere Höfe geben wegen der Milchkrise auf_ Trennung---

Kleinere Höfe ziehen bereits die Reißleine

Nicht kostendeckend, existenzgefährdend, ruinös – es gibt viele Begriffe, mit denen sich der Preisverfall der Milch beschreiben lässt. Eindrucksvoller aber sind die Dramen, die sich derzeit auf den Höfen abspielen. Da gibt es Bauern, die einen zweiten Kredit aufnehmen müssen, um den ersten für den neugebauten Stall überhaupt bedienen zu können. Zwischenfinanzierung nennt das der Fachmann. Da ist die Rede von Landwirten, die ihr eigenes Feld verkaufen und zurückpachten, um ihre Rechnungen begleichen zu können. Von Bauern, die den Tierarzt gar nicht mehr holen, weil sie ihn nicht bezahlen können. Von Milchbauern, die ihre trächtigen Kühe zum Schlachten bringen, weil sich derzeit kein Händler mehr findet, der sie kauft. Das trifft vor allem jene, die Kredite tilgen müssen, etwa für einen neu gebauten Stall, sagt BDM-Sprecher Hans Foldenauer. „Aufgeben kann nur der, der es sich leisten kann.“ Der, der keine Schulden hat.

Und es sind die kleineren Höfe, so wie der von Hannes Mayr, die jetzt die Reißleine ziehen. Mit Folgen: „Die Kleinen hören auf und die Großen werden immer größer“, schimpft der Bauer. In Deutschland hält ein durchschnittlicher Betrieb mittlerweile 57 Kühe. Vor zehn Jahren waren es 38. In Bayern sind die Zahlen noch vergleichsweise niedrig, der Schnitt liegt bei 35 Kühen.

Josie ist derzeit die letzte Kuh im Stall von Hannes Mayr in Fischen. Die anderen Tiere sind auf der Alpe. Dabei hätte der Bauer sie längst verkaufen wollen.
Foto: Ralf Lienert

Der alte Spruch vom „Wachsen oder Weichen“, für den Bauern aus Fischen ist er aktueller denn je. Der 62-Jährige steht im Stall, die Hände auf die Mistgabel gestützt, und erzählt – vom Stall, der gut 35 Jahre alt ist, und von dem neuen, den sie geplant hatten, für 40 Kühe. Der staatlichen Beratung sei das zu wenig gewesen, sie wollte mindestens 60 oder 70 Kühe. Eine halbe Million Euro hätte das gekostet. Mayr schüttelt den Kopf. So viele Tiere sind in seinen Augen gar nicht sinnvoll – nicht bei der Fläche, die er bewirtschaftet, nicht für einen Familienbetrieb, nicht bei der arbeitsintensiven Alpwirtschaft. „So wachsen können wir nicht“, sagt er. „Und wollen wir auch gar nicht“, ergänzt der Sohn.

Es ist diese verfehlte Politik, die in Mayrs Augen die Milchkrise ausgelöst hat. Der Glaube, dass der Weltmarkt alles regeln könne. Die Beratung, die die Bauern zu immer größeren Ställen gedrängt habe. „Wenn heute ein Bauer mehr Kühe hat, als drei oder vier Dörfer zusammen haben, läuft doch etwas schief“, kritisiert der Mann. Dass die Landwirte viel zu viel Milch produzieren. „Die Großen machen den Milchpreis kaputt.“ 45 bis 50 Cent bräuchte Mayr, damit sein Betrieb samt Alpwirtschaft rentabel arbeiten kann. 27 Cent bekommt er aktuell. Ein Draufzahlgeschäft. „Im Moment bringen wir Geld mit.“

„Irgendwann werden die Tiere die Berge nur noch von innen durchs Fenster sehen“

Der Milchpreis, er liegt heute auf dem Niveau von 1977. Johannes, der Junior auf dem Mayr-Hof, war da noch gar nicht geboren. „Wir machen den richtigen Schritt“, sagt der 32-Jährige, der gerade dem Jungvieh die Kuhglocken umhängt. In ein paar Stunden kommt ein Teil davon zum Riedbergpass, die anderen kommen ins Gunzesrieder Tal, zu den Kühen. Es wird wohl der letzte Sommer für den Landwirtschaftsmeister auf der Alpe sein. Ab Herbst studiert er Umwelttechnik. Ein Beruf mit Zukunft, einer, der ein sicheres Einkommen verspricht.

„Der Berg wird mir fehlen“, sagt Johannes Mayr. Auch, wenn die Arbeit dort oben, auf der Alpe und im Stall aus dem Jahr 1880, anstrengend ist. Kühe melken, füttern, austreiben, misten. Allein könnte sein Vater die Arbeit zwischen Berg und Tal ohnehin nicht bewältigen, zumal Schultern, Hüfte und Knie kaputt sind. Der Vater will nicht jammern, auch wenn sein Hof nach 40 Jahren dem Ende entgegengeht. Dann sagt er: „Da läuft einem schon mal das Wasser aus den Augen.“

Strukturwandel, das bedeutet letztlich Abschied. Die Betriebe, die aufhören, kommen nicht wieder. Thomas Reuter, der Ex-Bauer aus Irsee, sagt: „Es sind doch die kleinen Betriebe, die das Allgäu ausgemacht haben.“ Doch was heißt das für die Landschaft, für den Tourismus, für die Bilderbuchidylle mit Kühen auf der Weide? „Das Allgäu wird sich verändern“, ist Hannes Mayr überzeugt. „Irgendwann werden die Tiere die Berge nur noch von innen durchs Fenster sehen.“ Seine Kühe haben Schonfrist, zumindest bis zum Ende des Sommers. Oder bis einer kommt und sie kauft.

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