
Foodwatch fordert eine Ampel für gesundes Essen


Zucker, Salz, Fett: Im Streit um Nährwert-Kennzeichnungen wirbt Foodwatch für ein Konzept mit Farbkennzeichnungen. Doch die Regierung bewegt sich nicht.
Die Ampel funktioniert bei den Deutschen nicht nur im Straßenverkehr, sie erfüllt auch bei Lebensmitteln ihren Zweck: Von den weltweit üblichsten Arten zur Kennzeichnung vernünftiger und weniger vernünftiger Lebensmittel ist der sogenannte Nutri-Score einer Studie zufolge das von den Bundesbürgern am stärksten akzeptierte Modell. Der Score mit seinen fünf Abstufungen von Grün bis Rot, ergänzt um die Buchstaben A bis E, sei die verständlichste Nährwertkennzeichnung, heißt es in einer neuen Untersuchung der Universität Paris-Nord, die von der Lobbyorganisation Foodwatch am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Foodwatch verlieh dabei seiner Forderung an die Bundesregierung Nachdruck, die Nutri-Score-Ampel auch in Deutschland einzuführen.
Aus Paris war Studienautorin Chantal Julia gekommen, um zu erklären, dass der Nutri-Score den „höchsten messbaren Einfluss auf die Verbraucher“ hat. Eine nicht ganz so weite Anreise hatte Ernährungsexperte Joachim Spranger von der Charité Berlin, der sich wie Julia als Ampel-Fan zeigte und dafür gute Gründe ins Feld führte.
Experte Joachim Spranger: Wie ein Sicherheitsgurt im Auto
Spranger verwies auf die „beängstigende Zunahme an ernährungsbedingten Erkrankungen“ in Deutschland. Diabetes und Übergewicht sind auf dem Vormarsch – und „von daher ist es wichtig, dass man in irgendeiner Form eingreift“, betonte der Direktor der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin. Der Kampf für eine bessere Ernährung könne individuell mit dem betroffenen Patienten ausgefochten werden oder allgemein über eine Ansprache der Bevölkerung. Spranger nutzte das Bild vom Sicherheitsgurt im Auto, von dem alle Bürger inzwischen wüssten, dass er Leben retten könne.
Sprangers bildhafter Vergleich war auch deshalb zielführend, weil sich seinerzeit bei der Einführung des Sicherheitsgurtes eine Empörung erhob, die mit der Situation bei der Lebensmittelampel einigermaßen vergleichbar ist. Denn der Nutri-Score, so einfach er aussieht, ist schwer umstritten.
Der Grund: Die Lebensmittelbranche ist ein milliardenschweres Geschäft. Über die großen Konzerne wie Nestlé oder Coca Cola hinaus tummeln sich zahlreiche Firmen auf diesem Gebiet, jede will ein Stück vom hart umkämpften Kuchen abhaben.
Kritik von anderen Verbänden an der Lebensmittel-Ampel
Foodwatch etwa sah sich auf seiner eigenen Pressekonferenz mit Gegenargumenten konfrontiert, die von einer Vertreterin des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) vorgetragen wurden, eine Organisation, die sich seit wenigen Tagen „Lebensmittelverband Deutschland“ nennt. Die Organisation lehnt die Ampel ab. Die darauf folgende verbale Auseinandersetzung war einerseits wegen ihrer Absurdität unterhaltsam, zeigte gleichzeitig aber auch, mit welchen Mitteln Ampel-Gegner und Ampel-Befürworter gegeneinander kämpfen.
Den Boden für eine Ampel könnte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bereiten, doch die CDU-Politikerin hat sich bei dem Thema ein Stoppschild verordnet, wie Foodwatch kritisiert. Große Konzerne würden den Nutri-Score bereits verwenden, erklärte Foodwatch-Expertin Luise Molling. Klöckner jedoch lasse das kalt, für sie sei kein Modell optimal, die CDU-Politikerin müsse sich noch umschauen. „Sie vergeudet damit Zeit und ignoriert die wissenschaftliche Faktenlage“, sagte Molling und rief die Regierung auf, Nutri-Score in Deutschland auf freiwilliger Ebene einzuführen.
Nutri-Score: Umstrittene Berechnung
Kritiker monieren unter anderem die Berechnung des Nutri-Scores. Ein Algorithmus ermittelt die positiven und schlechten Eigenschaften eines Lebensmittels und stellt dann die Ampel auf Grün, Gelb oder Rot oder eine Schattierung dazwischen. Die Skala wird deutlich sichtbar auf der Vorderseite des Produkts aufgedruckt – zusätzlich zur Nährwerttabelle. Diese Berechnung sei undurchsichtig, meckern die Ampel-Gegner. Befürworter wie Charité-Professor Spranger hingegen argumentieren, die Ampel helfe „eindeutig, zu erkennen, was gesund ist und was nicht gesund ist“.
In Frankreich, wo die Ampel längst eingeführt ist, dient sie auch den Herstellern als Orientierungshilfe. Wer ständig ein leuchtendes Rot auf seine Verpackungen drucken muss, so hat es Chantal Julia beobachtet, der bemüht sich schnell um eine gesündere Zusammensetzung seines Produkts.
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