Linke warnt vor zunehmender Sonntagsarbeit
Exklusiv Ausgerechnet zum Jubiläum "1700 Jahre arbeitsfreier Sonntag" kommen Rufe nach Ladenöffnungen am Wochenende. Linke-Fraktionsvize Susanne Ferschl äußert harte Kritik.
Die Linke warnt angesichts des Jubiläums "1700 Jahre arbeitsfreier Sonntag" vor zunehmender Sonn- und Feiertagsarbeit in Deutschland. Inzwischen würde fast jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland mindestens einmal im Monat sonntags arbeiten, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Susanne Ferschl unserer Redaktion. Die Forderungen des Einzelhandelsverbands nach mehr Möglichkeiten zur Sonntagsöffnung der Geschäfte sei deshalb verantwortungslos.
Linke erinnert an "Corona-Helden" im Handel
„Sonntags stehen die Fließbänder still und die Läden sind zu - aus gutem Grund“, sagt die Linke-Politikerin. „An sechs Tagen in der Woche kann bis 22 Uhr oder länger eingekauft werden - oft auf Kosten der Beschäftigten, die mit immer weniger Personal immer mehr leisten müssen“, betonte Ferschl. „Gerade diese Beschäftigten haben in der Pandemie den Laden überhaupt am Laufen gehalten. Ihnen jetzt auch noch den letzten verlässlich freien Tag in Frage zu stellen, ist verantwortungslos.“ In einer immer hektischeren und flexibler werdenden Arbeitswelt sei ein verlässlicher Tag für Erholung und Sozialleben notwendiger denn je.
Jeder Fünfte arbeitet sonntags
Laut aktuellen Daten des statistischen Bundesamts für das Jahr 2019 arbeiten von den 38,3 Millionen abhängig Beschäftigten 7,2 Millionen und damit 18,8 Prozent an mindestens einem Sonn- oder Feiertag im Monat. Mehr als die Hälfte davon sind Frauen.
Ferschl kritisierte Bundesarbeitsminister Peter Altmaier, der für diese Jahr mehr verkaufsoffene Sonntage gefordert hat. „Es sagt viel über die CDU und ihren Wirtschaftsminister aus, dass ihnen die gesetzlich verankerten Ruhetage offensichtlich nicht heilig sind“, sagte die arbeitspolitische Sprecherin der Linken. „Wer wiederholt fordert, dass Arbeitszeiten ausgeweitet und noch mehr flexibilisiert werden, hat jegliches Interesse an der Gesundheit und Zufriedenheit der Beschäftigten verloren, Sonn- und Feiertage müssen weiterhin gesetzlich frei bleiben", fügte sie hinzu.
Vertreter der Kirchen und die Gewerkschaft Verdi feiern an diesem Mittwoch "1700 Jahre arbeitsfreier Sonntag" - doch zum Jubiläum gibt es Streit. Der Handelsverband HDE will für mehr Möglichkeiten zur Sonntagsöffnung seiner Geschäfte bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Verdi stemmt sich dagegen, dass die Läden demnach verstärkt am Sonntag öffnen sollen. "Sonntagsöffnungen sind nicht die Lösung für einen zukunftsfähigen und nachhaltigen Handel", sagte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger der Deutschen Presse-Agentur.
Konstantin der Große erließ Edikt am 3. März 321
Konstantin der Große soll am 3. März 321 in einem für das Christentum wichtigen Edikt befohlen haben, dass "am Tag der Sonne alle Richter, ebenso das Volk in den Städten, sowie die Ausübung der Künste und Handwerke ruhen" sollen. Selbst im Mittelalter blieb Sonntagsarbeit trotz verpflichtender Messen für Christen für viele die Regel. Erst in der frühen Neuzeit gab es völlige Sonntagsruhe. Die Gewerkschaft Verdi und Kirchenvertreter wollten das Jubiläum an diesem Mittwoch mit einer Online-Veranstaltung feiern.
Vor dem Hintergrund der Existenzangst vieler Geschäftsinhaber wegen des Corona-Lockdowns pocht der Handelsverband Deutschland HDE derzeit aber auf mehr Öffnungschancen am Sonntag. So sagte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser am Montag bei einer Veranstaltung des Arbeitgeberverbands BDA, die Sonntagsöffnung ohne speziellen Anlass sollten bei den Entscheidungen der Kommunen eine Rolle spielen, wenn es darum gehe, Innenstädte attraktiv zu machen. "Wir sind da immer wieder im Dialog mit unserem Sozialpartner Verdi." Aber der HDE habe auch weiter eine bereits angekündigte mögliche Verfassungsbeschwerde im Visier - wenn es keine gesetzlichen Lösungen gebe.
Nutzenberger erwiderte: "Gerade weil Innenstädte mehr sind als Einzelhandelsgeschäfte, braucht es umfassende Konzepte für Handel, Kultur und gesellschaftliches Leben." Es gehe dabei immer auch um den Schutz der Beschäftigten und ihrer Familien. "Eine Ausweitung von Ladenöffnungszeiten sind der Türöffner für Sonntagsarbeit für andere Branchen, und der Sonntagsschutz ist aus guten Grund im Grundgesetz verankert."
Verfassungsgericht stärkt Sonntagsruhe
2009 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, Ausnahmen von der Sonntagsruhe bräuchten einen ausreichenden Sachgrund. Nach Schätzungen des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW müssen etwa ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland regelmäßig am Sonntag arbeiten.
Hintergrund für eine mögliche Verfassungsbeschwerde des HDE sind Gerichtsentscheidungen auf Landesebene, die aus Sicht des Verbands den rechtlichen Rahmen zu eng auslegen. Gerade in der Corona-Krise brauche etwa der Modehandel jede Möglichkeit, wenigstens etwas Umsatz zu machen. Aber gerade derzeit entfielen oft die notwendigen Anlässe, etwa Messen und Volksfeste. Der Verband setzt sich dafür ein, den Anlassbezug zu streichen.
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