Mehr Gerechtigkeit? Sozialisten in Kuba wagen Marktwirtschaft
Die sozialistisch regierte Karibikinsel macht Schluss mit der Doppelwährung. Ein einheitliches Geldsystem soll die finanziellen Probleme lösen. Geht die Rechnung auf?
Angekündigt war die Währungsreform schon seit Jahren, nun sollen tatsächlich Taten folgen: Kuba will zum Beginn des neuen Jahres eine seiner zwei Währungen abschaffen. Ab dem 1. Januar 2021 soll nur noch eine Währung namens Peso zirkulieren. Der Wechselkurs werde 24 Peso zu einem US-Dollar betragen. Die Reform kommt damit einer Abwertung gleich. Und doch steckt hinter dem Schritt die Hoffnung auf bessere wirtschaftliche Bedingungen auf der Karibikinsel.
Kuba durchlebt eine schwere ökonomische Krise, der Staat steht mit dem Rücken zur Wand: Laut den Vereinten Nationen ist die ohnehin schwache Wirtschaft des Landes im Jahr 2020 um acht Prozent geschrumpft. Kubas sozialistischer Präsident Miguel Díaz-Canel verspricht seinen Landsleuten nun, dass die Vereinheitlichung der Währung bessere Bedingungen schaffen werde, um den Bürgern Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit zu garantieren.
Es ist ein gewaltiges Experiment. Durch den künstlichen Wechselkurs der bisherigen Währungen waren die kubanischen Unternehmen nie mit der Realität des Marktes konfrontiert. Die wirklichen Produktionskosten wurden verschleiert, Importe künstlich verbilligt und Exporte unwirtschaftlich. Tatsächlich fürchtet der Ein-Parteien-Staat aber gleichzeitig die Folgen der Währungsreform, denn die Folge könnten drastische Preissteigerungen und Arbeitslosigkeit sein. Schon jetzt geht man von einer dreistelligen Inflationsrate aus.
Die Kuba-Touristen brachten das "harte Geld" ins Land
Seit 26 Jahren gibt es auf dem sozialistischen Inselstaat ein System der Doppelwährung. Zur offiziellen, staatlich subventionierten Landeswährung Peso (CUP) gesellte sich im Zahlungsverkehr der Peso Cubano Convertible (CUC), mit dem ausländische Touristen zahlten. Der CUC-Wert entspricht dem des US-Dollar, der Umtauschkurs zum CUP liegt bei 1 zu 25. Die Folge war eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Wer in der von den Militärs kontrollierten Tourismus-Industrie arbeitete, hatte über Trinkgelder Zugang zum CUC, der Rest des Landes musste mit der Billig-Währung über die Runden kommen.
Zur Jahresmitte hatte Kuba bereits wegen ausbleibender Tourismuseinnahmen in der Corona-Pandemie eine seit 2004 geltende, zehnprozentige Steuer auf den Dollar-Ankauf abgeschafft. Seitdem konnten bestimmte Produkte auch perKarte in US-Dollar bezahlt werden. Nun steht Kuba eine Art Dollarisierung bevor, was für die sozialistischen Machthaber vor allem eine ideologisches Problem ist, gilt ihnen doch das Kapital und die USA als die Wurzel allen Übels.
Corona-Krise trifft Kuba besonders hart
Doch Kuba ist von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen, da der auf Massentourismus setzende Inselstaat durch das Ausbleiben von Kreuzfahrt- und Charterflugtouristen hohe Einnahmeverluste zu verbuchen hat. Ob diese Art des Tourismus angesichts der Klimadebatte wieder zur alten Stärke zurückfindet, ist ungewiss.
Zudem verschärfte US-Präsident Donald Trump die Sanktionen gegen Kuba, weil trotz der politischen Annäherung durch Trumps Vorgänger Barack Obama der Opposition keine demokratischen Grundrechte zugestanden werden. Für Unmut sorgt das aber nicht nur im Weißen Haus: Zuletzt gab es öffentliche Proteste der unabhängigen Kulturszene auf Kuba. „Wir fordern das Recht auf politische Freiheit, den Stopp der Repression seitens des Staates gegen die Künstler, Kreativen, Intellektuellen, Bürger, die anders denken“, sagte die Documenta-Künstlerin Tania Bruguera im Gespräch mit unserer Redaktion. Bruguera gehört zur Bewegung 27N, einem Zusammenschluss alternativer Künstler, die sich gegen eine staatliche Regulierung und Zensur von freier Kunst engagiert.
Das alles ist ein gefährlicher Mix für die Ein-Parteien-Regierung, die nun mit Spannung auf die Reaktion der kubanischen Bevölkerung in den kommenden Tagen blicken wird. Wirtschaftsexperten sehen aber in der Annäherung zur Marktwirtschaft kaum eine Alternative, um die im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähige Wirtschaft fit zu machen für die Zukunft.
Warum die Kubaner auf Joe Biden setzen
Havanna sehnt daher den Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Joe Biden herbei. Man erwartet sich eine Rückkehr zum Dialog wie ihn Obama unter Vermittlung von Papst Franziskus mit dem damaligem Präsidenten Raúl Castro begonnen hatte. Allerdings dürften die Demokraten um Biden im Gegenzug auch Gegenleistungen der kubanischen Regierung erwarten. Im Wahlkampf stellte sich die Mehrheit der Exilkubaner in Florida gegen Biden, weil sie von den mangelnden Ergebnissen der Tauwetter-Politik Obamas und dessen damaligen Vize-Präsidenten Biden enttäuscht waren.
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