Wer sich auf der Autobahn jetzt schon über Lkw-Kolonnen oder Lang-Lkw aufregt, der wird am sogenannten Platooning keinen Spaß haben. In Zukunft sollen dabei mindestens zwei Lastwagen ganz dicht hintereinander fahren, nur im ersten sitzt ein Fahrer, der zweite Lastwagen wird mittels Digitaltechnik teilautonom hinterhergeleitet. Das soll die Fahrer entlasten, durch den geringeren Luftwiderstand Sprit sparen, die Sicherheit erhöhen und unterm Strich Kosten senken.
Teilautonome Lkw: Verkehrsminister Scheuer sieht visionäres Projekt
Ein entsprechendes Projekt des Logistikers DB Schenker und des Fahrzeugherstellers MAN läuft im Praxistest seit Mitte letzten Jahres auf der A9, am Freitag sollen im Bundesverkehrsministerium von Andreas Scheuer Ergebnisse vorgestellt werden.
Negatives wird es bei der Präsentation kaum zu hören geben. Verkehrsminister Scheuer sprach bereits von einem „visionären Forschungsprojekt“. Der Straßengüterverkehr starte damit „in seine automatisierte und vernetzte Zukunft“, erklärte der CSU-Politiker.
Doch Verkehrsexperten schlagen Alarm und warnen unter anderem davor, dass noch mehr Güterverkehr von der Schiene auf die ohnehin schon heillos verstopften Straßen wandert.
Anton Hofreiter: "Bundesregierung setzt auf falsches Pferd"
„Diese Jubelfeier kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bundesregierung beim Güterverkehr auf das falsche Pferd setzt“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter unserer Redaktion. Minister Scheuer und Bahn-Chef Richard Lutz seien aufgefordert, den Güterverkehr auf der Schiene effizient und günstig machen. „Ihr Job ist es, rasch Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern“, sagte Hofreiter.
Die Grünen fordern schon lange eine Güterverkehrsstrategie mit anspruchsvollen Zielen. Kapazität und Zuverlässigkeit müssten deutlich erhöht werden, bis zum Jahr 2030 müsse der Güterverkehr auf der Schiene verdoppelt werden. „Nur so kommen wir im Klimaschutz voran und machen gleichzeitig den Güterverkehr leiser und sicherer“, sagte Hofreiter.
Experten bezweifeln Klimaschutz-Nutzen von teilautonomen Lkw
Die Experten des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene teilen diese Ansicht. „Es ist sehr zweifelhaft, ob Lkw-Platooning tatsächlich dem Klimaschutz dient“, sagte Geschäftsführer Dirk Flege unserer Redaktion. Wenn die neue Technik dafür genutzt werde, um Lastwagentransporte zu verbilligen und damit mehr Güterverkehr auf der Straße zu erzeugen, „ist für den Klimaschutz mit Sicherheit nichts gewonnen“, sagte er.
Flege stellte zudem infrage, ob das Lastwagen-Platooning bei den Autofahrern auf Akzeptanz stößt. „Für alle Pkw-Nutzer würde sich das Problem der Enge vor allem auf den Autobahnen weiter verschärfen“, warnte er.
Teilautonome Lkw: Daimler-Konzern sieht keinen Nutzen
Erfahrungen anderer Lastwagen-Hersteller sorgen für weitere Ernüchterung. Der Daimler-Konzern hat das Lkw-Platooning mehrere Jahre lang vor allem in den Vereinigten Staaten getestet – und die Technologie anschließend verworfen. Die Ergebnisse der Tests hätten gezeigt, „dass die Einsparungen selbst unter optimalen Platooning-Bedingungen in der Praxis geringer ausfallen als erhofft“, schreibt das Unternehmen.
Ein Problem sind Autofahrer, die sich in die enge Lücke zwischen zwei vernetzten Lastwagen drängen und sie voneinander trennen. Die Lkw müssen dann jedes Mal beschleunigen, um wieder aufzuschließen. „Dadurch wird zusätzlicher Kraftstoff verbraucht und das Einsparpotenzial sinkt weiter“, haben die Daimler-Ingenieure herausgefunden. Für das Unternehmen ergibt sich „zumindest im Langstreckenverkehr in den USA“ daher kein Geschäftsmodell mehr.
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