Nach dem Bier-Urteil: Was darf Werbung?
Die Leutkircher Brauerei Härle darf ihr Bier nicht als "bekömmlich" bewerben. Ein Experte erklärt, was Werbung darf und wann sie an ihre Grenzen stößt.
Sie ist bunt, sie ist laut, sie ist schrill: Werbung begleitet uns ständig – ob im Internet, auf dem Weg zur Arbeit oder nach dem Feierabend auf der Couch. Prominente geben Marken ein Gesicht und beeinflussen damit unsere Kaufentscheidungen. Werbung darf auch provozieren, aber sie darf nicht alles – das zeigt das aktuelle Beispiel der Brauerei Härle aus dem baden-württembergischen Leutkirch im Allgäu. Das Bier sei „bekömmlich, süffig – aber nicht schwer“, wirbt die Brauerei. Doch damit ist nun Schluss: Der Bundesgerichtshof hat am Donnerstag entschieden, dass Bier nicht als bekömmlich bezeichnet werden darf. Wo liegen also die Grenzen für Werbung?
Peter Loosen, Geschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), sagt: „Bei Werbung gilt allgemein, dass es verboten ist, die Verbraucher zu täuschen.“ Das kann sowohl die Inhaltsstoffe eines Produkts als auch eine falsche Abbildung auf der Verpackung betreffen. Im Jahr 2015 hat der Europäische Gerichtshof beispielsweise dem Tee-Hersteller Teekanne falsche Früchtebilder auf der Verpackung verboten. Diese zeigte eine Himbeere und Vanille – und das, obwohl keine dieser Aromen im Tee zu finden waren.
530 Beschwerden über Werbung im vergangenen Jahr
Für Loosen ist daher die Frage entscheidend: „Stimmt die durch die Werbung erzeugte Erwartung der Verbraucher mit der Wirklichkeit, dem gelieferten Produkt, überein?“ Das Problem sei dabei weniger, in der Werbung zu übertreiben oder zuzuspitzen, sondern Verbraucher bewusst zu täuschen, erklärt der Experte für Lebensmittelrecht.
Ebenfalls einen Verstoß gegen Werberichtlinien stellt sexistische Reklame dar. Wer eine Werbung anstößig findet, kann diese beim Deutschen Werberat melden. Wie sehr sich Deutsche am Sexismus in der Reklame stören, zeigen Zahlen aus dem Jahr 2017: 530 Beschwerden über Werbung sind alleine im vergangenen Jahr beim Deutschen Werberat eingegangen. Der Hauptgrund: Mehr als die Hälfte der beanstandeten Reklamen wurden als geschlechterdiskriminierend bezeichnet. In 121 Fällen mussten Unternehmen ihre Werbung sogar einstellen oder verändern.
Hat eine Reklame gegen Richtlinien verstoßen, drohen Strafen. Über deren Maß entscheiden verschiedene Faktoren: Hat ein Unternehmen willentlich oder unabsichtlich so geworben? War es ein einmaliges oder mehrfaches Vergehen? BLL-Geschäftsführer Loosen erklärt: „Verstöße im Bereich der Werbung ziehen meist eine Geldstrafe nach sich.“ Bei mehrmaligen und gravierenden Vergehen kann sogar eine Haftstrafe folgen.
Gesundheitsbezogene Werbung auf alkoholischen Getränken ist unzulässig
Besonders kompliziert stellt sich die Situation bei Reklame dar, die mit einer gesundheitsfördernden Wirkung wirbt. Denn grundsätzlich gelte, dass gesundheitsbezogene Werbung vom Gesetzgeber zugelassen sein muss“, sagt Loosen. Ernährungsexpertin Anja Schwengel-Exner von der Verbraucherzentrale Bayern ergänzt: „Gesundheitsfördernde Angaben auf alkoholischen Getränken mit mehr als 1,2 Volumenprozent sind unzulässig.“ Und damit auch auf Bier – wie im aktuellen Fall der Allgäuer Brauerei.
Das regelt die sogenannte Health-Claims-Verordnung der Europäischen Union. In dieser ist auch definiert, ab wann eine Werbung als gesundheitsbezogen bezeichnet werden kann: „Der Ausdruck ’gesundheitsbezogene Angabe’ bezeichnet jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.“ Das Wort „bekömmlich“ in Verbindung mit Alkohol zählt für die Richter des Bundesgerichtshofs dazu.
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