Neue Weltbild-Chefs verteidigen Entlassungspläne
Die neuen Weltbild-Chefs Patrick Hofmann, Gerd Robertz und Sikko Böhm wollen das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur bringen. Einen Jobabbau halten sie für nötig, sagen sie im Interview.
Die Stimmung unter den Weltbild-Mitarbeitern ist katastrophal. Kündigungen sind im Gespräch ...
Lassen Sie mich unser Konzept kurz erläutern und erklären, wofür die Marke Weltbild stehen soll.
Der Vorwurf steht ja im Raum, es gibt gar kein Konzept.
Es gibt ein ganz klares Konzept. Wir wollen Weltbild schnell, flexibel und kundennah aufstellen. Das heißt, wir möchten unser Angebot und die Vertriebswege Online, Katalog und Filialen so ausbauen, dass unsere Kunden damit ein Erlebnis und einen starken Nutzen haben. Und vor allem wollen wir unsere digitale Welt rund um unser neues Lesegerät Tolino Vision 2 für elektronische Bücher ausbauen.
Die Mitarbeiter im Katalogbereich haben also eine berufliche Zukunft?
Wir werden am Katalog als ein Element im Marketingmix festhalten. Der Katalog ist ein ganz wichtiger Impulsgeber für alle Kanäle. Und er ist wichtig, um bei unseren Kunden im Haus zu sein. Damit zeigen wir, was nur Weltbild hat: zum Beispiel Bestsellerautoren wie Elizabeth George in einer exklusiven Edition zu einem besonders günstigen Preis.
Und trotz des Online-Booms wollen Sie auch am Filialgeschäft festhalten?
Ganz klar ja.
Aber Sie haben Filialen geschlossen.
Wir haben momentan 183 Filialen, im ersten Quartal 2015 werden es zwar nur noch 146 sein. Das hindert uns aber nicht daran, künftig neue zu eröffnen. Die Filialen sind ein wichtiger Kontaktpunkt, um Kundennähe aufzubauen. Böhm: Das bedeutet ein ganz klares Bekenntnis zu unserer Multi-Kanal-Strategie.
Und wie kommt Ihr neues Lesegerät Tolino Vision 2 an?
Sehr gut. In den Bereich digitales Lesen werden wir stark investieren. Der Tolino hat schon jetzt einen Marktanteil von 36 Prozent. Da es uns gelungen ist, unsere Tolino-Allianz (sie besteht aus Thalia, Hugendubel, Bertelsmann, Weltbild, Anm. d. Red.) um den wichtigen Buchhändler libri.de zu ergänzen, wird der Marktanteil weiter wachsen. Mit dieser Allianz haben wir es geschafft, internationalen Playern Paroli zu bieten. Das macht uns Mut. Wer das schafft, dem gelingt es auch, so eine tragfähige Marke wie Weltbild wieder auf die Erfolgsspur zu bringen, die schließlich über einen sehr hohen Bekanntheitsgrad von 83 Prozent verfügt. Dafür arbeiten wir im Übrigen an einem neuen Online-Auftritt.
Jetzt noch vor Weihnachten?
Nein, jetzt mitten im Weihnachtsgeschäft wäre eine Änderung der Handelsplattform gewagt, aber intern testen wir den neuen Shop demnächst.
Auf welche Produkte will sich Weltbild denn künftig konzentrieren?
Da gibt es gar keine Diskussion: Bücher, Medien und Kultur werden auch in Zukunft unser Markenkern sein. Darüber hinaus wollen wir das Geschäft mit Produkten außerhalb von Büchern und Medien deutlich schärfen.
Was heißt das?
Wir wollen uns in den Bereichen Familien und Kinder, aber auch Schönes für zu Hause vom Angebot her stärken und deutlich besser vermarkten.
"Müssen das Grundvertrauen in die Marke Weltbild wiederherstellen"
Ein Werbespot, der den Verkauf von Weltbild-Produkten jetzt vor Weihnachten ankurbeln sollte, wurde ja überraschend gestoppt. Warum?
Dieser TV-Spot wird zu sehen sein. Aber nicht jetzt. Wir müssen in erster Linie das Grundvertrauen in die Marke Weltbild wiederherstellen. Dazu gehört auch ein Stück Bescheidenheit. Ein TV-Spot dieser Art erschien uns zu diesem Zeitpunkt nicht passend.
Was machen Sie dann, um den Verkauf zu unterstützen?
Wir haben Kataloge in Millionenauflage in enger Taktung bis Weihnachten draußen, betreiben intensives Onlinemarketing mit Newslettern und stärken zudem regionale Maßnahmen – etwa Autogrammstunden in den Filialen. Wir freuen uns über alle Kunden – egal ob im Versand oder den Filialen.
Warum aber können Sie die Mitarbeiter von diesem Konzept nicht überzeugen? Bei ihnen herrscht vor allem Angst um den Arbeitsplatz.
Verständlich, es ist Druck im Geschäft. Das wollen wir gar nicht verhehlen.
Bei einer Betriebsversammlung vor gut zwei Monaten wurde den Beschäftigten versprochen, dass es keine weiteren Kündigungen geben wird. Jetzt ist von Massenentlassungen die Rede. Da ist es doch kein Wunder, dass sich viele Mitarbeiter belogen fühlen.
Bitte verstehen Sie, dass Sie diese Frage den Gesellschaftern stellen müssen. Wir sind hier am 1. Oktober angetreten, um Weltbild erfolgreich neu aufzustellen. Man darf nicht vergessen, Weltbild kommt aus der Insolvenz. Da ist es doch klar, dass Restrukturierungsmaßnahmen unabwendbar sind, um das Unternehmen auf die veränderten Kundenwünsche auszurichten. Dass vor diesem Hintergrund sehr emotionale Diskussionen geführt werden, ist nur natürlich.
Es heißt, der Umsatz sei um 30 Prozent eingebrochen.
Wichtiger als Umsatz ist uns die Profitabilität als Messlatte. Unser Ziel ist es, Weltbild profitabel aufzustellen. Es gibt nicht viele Unternehmen in dieser Größenordnung am Markt, die eine zweite Chance erhalten. Dass dies klappt, liegt aber an allen bei Weltbild, nicht nur an uns drei Geschäftsführern.
Es liegt vor allem auch an engagierten Mitarbeitern. Wie wollen Sie es denn nun schaffen, die Beschäftigten zu motivieren?
Zuallererst müssen wir für Gewissheit sorgen, indem wir mit dem Betriebsrat Verhandlungen schnell abschließen.
Mit dem Ziel, weitere Jobs abzubauen? Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi erklärten, dass weitere 100 Mitarbeiter noch vor Weihnachten und noch mal 100 im Februar gehen müssen.
Über diese Zahlen haben wir Stillschweigen vereinbart. Bei unseren Berechnungen sind es aber deutlich weniger.
Wie viele?
Darüber haben wir, wie gesagt, Stillschweigen vereinbart und halten uns daran. Wir brauchen Ruhe. Weltbild hat Vertrauen verloren. Dieses Vertrauen von unseren Kunden und unseren Lieferanten gilt es jetzt wieder aufzubauen. Daran arbeiten wir.
"Weltbild steht auf sicheren finanziellen Beinen"
Was würden Sie einem Mitarbeiter von Weltbild antworten, der fragt, wie sicher sein Arbeitsplatz hier ist?
Ich würde ihm sagen, dass das auch von ihm abhängt, von seiner Motivation und seinem Engagement. Generell bin ich überzeugt davon, dass Weltbild zukunftssichere Arbeitsplätze bietet.
Aus gut informierten Quellen hieß es aber, dass Weltbild auf so wackligen finanziellen Beinen stünde, dass man um weitere Finanzhilfe beim Land und bei der Kirche angefragt habe.
Das ist definitiv nicht richtig.
Auch von einer drohenden Folgeinsolvenz war die Rede.
Das ist falsch. Weltbild steht auf sicheren finanziellen Beinen. Alle Gesellschafter sind ihrer finanziellen Verpflichtung nachgekommen.
Wie kann es dann sein, dass nun das Gerücht umgeht, dass Investor Droege an einem langfristigen Invest gar nicht interessiert ist?
Das ist, wie Sie sagen, ein Gerücht. Und das würde auch nicht zu dem bisherigen Engagement der Droege Group passen, die stets langfristig in Unternehmen investiert.
Es gibt Mutmaßungen, Droege sei nur an der Logistik von Weltbild interessiert.
Sie sagen es, Mutmaßungen. Um gegen die Wettbewerber im Markt bestehen zu können, müssen aber auch hier die Strukturen auf den neuesten Stand gebracht werden. Wir haben mit dem IT-Logistiker „Also“ einen sehr guten Partner. Das Gespräch führten Daniela Hungbaur und Fridtjof Atterdal.
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