Richard Oetker zieht sich aus Familienunternehmen zurück
Künftig wird erstmals ein familienfremder Manager an der Spitze des Oetker-Konzerns stehen. Der Noch-Chef hat ein hartes Schicksal hinter sich. Er wurde als junger Mann entführt.
Mehr als 40 Jahre liegt der Tag zurück, der Richard Oetkers Leben bestimmen sollte: 14. Dezember 1976, Oetker, 25 Jahre alt, geht zum Auto und blickt in den Lauf einer Pistole. Ein Entführer zwingt den 1,94 Meter großen Mann in eine anderthalb Meter lange Kiste. 47 Stunden verharrt er darin, bekommt einen Stromschlag, der ihm beide Hüften bricht. Nachdem sein Vater, der Unternehmer Rudolf-August Oetker, 21 Millionen D-Mark zahlt, wird Richard Oetker befreit.
Richard Oetker - ein bodenständiger Familienunternehmer
Erst nach zwei Jahren wird der damals 36-jährige Dieter Zlof als Täter festgenommen und zu 15 Jahren Haft verurteilt. Nach dem Prozess gegen seinen Entführer im Jahr 1980 zieht sich Richard Oetker aus der Öffentlichkeit zurück. Aufgrund der erlittenen Verletzungen hat der heute 66-Jährige künstliche Gelenke, er kann nicht lange stehen. Körperlich hat die Entführung Spuren hinterlassen. Psychisch nicht. Die Entführung habe ihm Kraft gegeben. Er sei gelassener geworden. „Wenn Sie dem Tod ins Auge geblickt haben, relativieren Sie vieles.“ Die Gelassenheit dürfte geholfen haben, als Richard Oetker 2010 unerwartet an die Spitze des Dr.-Oetker-Konzerns (Nahrungsmittel, Bier, Schifffahrt) aufsteigt.
Im Hintergrund tobt ein Familienstreit zwischen den älteren und den jüngeren Söhnen Rudolf-August Oetkers. Doch Richard Oetker, fünftes von acht Kindern, gilt als Sympathieträger. Vor seinem Amtsantritt verspricht er: „Das wird kein Abenteuer.“ Schließlich sei er nicht nur für rund 30.000 Mitarbeiter verantwortlich, sondern auch für deren Familien. Das Blitzlichtgewitter, das damals ausbricht, ist ihm unangenehm. Bis heute steht Richard Oetker nicht gern im Rampenlicht, gibt kaum Privates preis. Gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau, der zwölf Jahre jüngeren Tatjana von La Valette, hat er zwei Kinder. Sein Umfeld schätzt ihn als bodenständig – selbst eine Oldtimer-Sammlung trübt den Eindruck nicht. Für sein Hobby wird er in Zukunft wohl mehr Zeit haben.
Ende Oktober zieht sich Richard Oetker aus dem Konzern zurück
Denn Ende Oktober zieht sich Richard Oetker aus der Führungsspitze zurück, der bisherige Finanzchef Albert Christmann wird sein Nachfolger. Zum ersten Mal steht dann kein Oetker-Familienmitglied mehr an der Konzernspitze. 1980, als Richard Oetker ins Unternehmen einsteigt, wäre das undenkbar gewesen. Er arbeitet zunächst als Produktmanager, wird dann Chef einer Einkaufsgesellschaft. Als der Eiserne Vorhang fällt, übernimmt Richard Oetker den Aufbau des Osteuropa-Geschäfts.
Die vielen Reisen sind für ihn beschwerlich, doch er erledigt sie ohne Privilegien. Sein Gepäck schleppt Richard Oetker selbst. Wo andere einen Fahrer bestellt hätten, fährt er mit der Bahn vom Flughafen nach Hause. Seinen Humor hat der Manager nie verloren. Bis heute amüsiert er sich über den Namen des Psychiaters, der sich nach seiner Entführung um ihn kümmern sollte: Dr. Angstwurm.
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